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Deutsche und das syrische RegimeIn der Tiefe

Leon Holly
Kommentar von Leon Holly

Die Assad-Diktatur hat sich von Nazis, DDR und Bundesrepublik inspirieren lassen. Die Geheimdienstarchive dürften manche Überraschung bereithalten.

Auf den Spuren der Täter im Sednaya-Gefängnis, 9. Dezember 2024 Foto: Bekir Kasim/Anadolu/picture alliance

J a, mit KZ-Vergleichen sollte man sparsam sein. Doch manchmal sind sie naheliegend.

Etwa dieser Tage, wenn die Syrer nach dem Fall des Assad-Regimes die Türen von Sednaya bei Damaskus aufbrechen und Beobachter sich an die Befreiung von Buchenwald erinnert fühlen. Sednaya war kein einfaches Gefängnis, sondern ein Ort, an dem Menschen verschwinden sollten.

Hier folterte und ermordete das Regime gezielt politische Gegner oder Menschen, die es dafür hielt. Auf der Suche nach Überlebenden dringen die Helfer immer tiefer vor, mit jedem weiteren Stockwerk, das sie finden, tut sich ein weiterer Kreis der Hölle auf. Die Überlebenden sind ausgemergelt, viele haben über die Jahre ihren Verstand verloren. Sednaya war kein überirdisches, mit Stacheldraht umzäuntes KZ, sondern eines, das sich in die Tiefe bohrte.

Das Assad-Regime war nicht gänzlich faschistisch, doch es ließ sich durchaus inspirieren – auch aus Deutschland. Die Vordenker des Baathismus, wie Michel Aflaq, standen dem Kommunismus näher, lehnten aber die marxistische Theorie des Klassenkampfes ab. Dagegen brachten die Baathisten eine panarabische Nation in Stellung, die die arabische Welt wieder zu alter Größe bringen würde, angeführt von einer revolutionären Herrschaftselite in einem Einparteiensystem.

Syrien und Alois Brunner

In Damaskus lebte jahrzehntelang ein älterer deutscher Herr mit blauen Augen, der sich Georg Fischer nannte. Fischer hieß in Wirklichkeit Alois Brunner und hatte unter den Nazis als hochrangiger Beamter im Sonderkommando der Sicherheitspolizei hunderttausende europäischer Juden in Vernichtungslager deportiert. Aus Damaskus lieferte Brunner später „Expertise“ über den Nahen Osten an den Bundesnachrichtendienst, der ihm im Gegenzug Geld schickte.

Auch dem syrischen Geheimdienst stellte Brunner seine Dienste zur Verfügung. So berichtete der irische Journalist Robert Fisk, der auf seine alten Tage die Giftgasverbrechen Baschar al-Assads leugnen sollte, Jahrzehnte vorher noch über die Verstrickungen Syriens mit Brunner. Fisk zufolge riet Brunner dem Geheimdienst Muchabarat in den 1960ern, Abhör-Equipment aus der DDR zu kaufen. Folterpraktiken gehörten ebenfalls zu Brunners Consulting-Portfolio. 1984 erwarb der Geheimdienst ein Instrument, das in Syrien nur als „deutscher Stuhl“ bekannt war. Das Opfer wurde darauf festgeschnallt und sein Rückgrat langsam gebrochen.

Berührungsängste mit selbsterklärten Faschisten hatte Baschar al-Assad nicht. 2005 nahm er die Syrische Soziale Nationalistische Partei (SSNP) in seine Koalition der „Nationalen Fortschrittsfront“ auf. Die SSNP bezieht sich im Gegensatz zur Baath-Partei direkt auf den Faschismus. Auf ihrer schwarzen Flagge sieht man einen weißen Kreis, worin, in leicht abgewandelter Form, ein rotes Hakenkreuz prangt. Als Assad ab 2011 sein eigenes Land in Blut ertränkte, kämpften SSNP-Einheiten der „Adler des Wirbelsturms“ an der Seite der Regimetruppen gegen die revolutionäre Opposition.

Deutsche Politiker, besonders aus der SPD, haben sich dennoch immer wieder mit Assad eingelassen. So gab Frank-Walter Steinmeier 2002 als Kanzleramtschef von Gerhard Schröder sein Einverständnis für eine Kooperation deutscher Sicherheitsbehörden mit den Folterknechten des syrischen Militärgeheimdienstes.

Vom Regime hofiert

Deutsche Firmen lieferten Überwachungstechnologie und Chemikalien, die zur Herstellung des Giftgases Sarin verwendet werden können – eine geächtete Waffe, die Assad später gegen die Zivilbevölkerung einsetzte. In den vergangenen Jahren reisten Politiker der AfD immer wieder nach Syrien und ließen sich dort vom Regime hofieren.

Deutschland sollte nicht nur bei KZ-Vergleichen aufhorchen, sondern genau hinschauen, wenn die Syrer die Folterverliese und die Aktenschränke in den Geheimdienstarchiven öffnen. Die Aufarbeitung wird lange dauern, doch sie wird mit Sicherheit neue Verstrickungen zwischen Assad und deutschen Behörden, Firmen, Parteien und Persönlichkeiten ans Tageslicht bringen. Wie gut, dass es heute so viele Deutschsyrer gibt, die uns daran erinnern können.

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Leon Holly
Jahrgang 1996, Studium der Politikwissenschaft und Nordamerikastudien in Berlin und Paris. Seit April 2023 Volontär der taz Panter Stiftung. Schreibt über internationale Politik, Klima & Energie, und Kultur.
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14 Kommentare

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  • Die Stasi HVA war natürlich involviert, aber auch der KGB und andere Staaten des Warschauer Vertrages. Nord-Korea war immer ein guter Freund Syriens. Ich glaube, dass die Syrer in den 1960er und 1970er hauptsächlich mit Israel und den Palästinensern beschäftigt waren, da würde Syrien immer mehr durchmilitarisiert und in Kriegen geht man nicht zimperlich vor. Hafiz Assad hat auch gefoltert und gemordet, aber sein Sohn hat das dann mal 100 gemacht.

  • Alois Brunner war tatsächlich einer der übelsten Inkarnationen der Hölle, an denen die Nazis nicht arm waren. Die Essenz des Bösen.

    Brunner war wie so manche andere Nazi-Größen in so einigen arabischen Ländern hochwillkommen:

    Süddeutsche Zeitung: "NS-Antisemitismus und Muslime: Eine Achse der anderen Art"



    www.sueddeutsche.d...el-nazis-1.4909779

    SPIEGEL: "Hitlers merkwürdige Vorliebe für den Islam"



    www.spiegel.de/spi...ich-a-1186530.html

    Empfehlenswert sich auch mal mit Mohammed Amin al-Husseini zu beschäftigen:



    de.wikipedia.org/w...l-Husseini#mw-head

    Allen gemeinsam, insbesondere auch bei den Mullahs, den besten Freunden Assads und ebenfalls sehr erfahrene Folterer, beliebt:



    Die "Protokolle der Weisen von Zion".

    • @shantivanille:

      Ich bin mir nicht sicher, ob Sie die beiden Rezensionen, die Sie verlinken, auch gelesen haben - denn entgegen der in der reisserischen SZ-Überschrift wird dort gerade keine "Achse" behauptet (übrigens auch nicht in dem sehr differenzierten Buch von Motadel). Es ist ohnehin nicht frei von Komik, wenn sich gerade Deutsche über ehemalige NS-Grössen in der arabischen Welt empören - die meisten von denen hatten im Nachkriegsdeutschland - und gerade auch in der BRD - keinen besonderen Karriere-Knick zu befürchten.

  • Oder man geht noch weiter zurück. Was haben die Römer mit den Christen gemacht.

  • Mmh, ein geflohener Nazi als Spitzel? Das ist nicht schön, aber auch kein in der Arbeit von Geheimdiensten unübliches Vorgehen. Der Fehler liegt eher darin, dass die guten Deutschen von ihren Nachrichtendiensten zwar nachrichtendienstlich relevante Ergebnisse erwarten, aber nicht möchten, dass diese Nachrichtendienste auch wie Nachrichtendienste und nicht wie eine Polizeibehörde arbeiten.



    Die Tendenz des Berichtes, das politische Modell der Bundesrepublik mit einem extremen Regime wie das des Hr. Assad gleichzusetzen, ist nicht ganz ohne. Es ist die gleiche Methode, mit der etwa die AfD versucht, die Bundesrepublik mit der DDR gleichzusetzen oder die Demokratie als "System" (Nazisprache schon in der Weimarer Republik) zu diskreditieren.



    Man kann nicht die Demokratie und deren gewählte Repräsentanten gleichzeitig verabscheuen und verteidigen wollen. Was dabei am Ende herauskommen kann, ist alles mögliche, nur eben keine Demokratie.

    • @Vigoleis:

      Der Bericht "setzt das politische Modell der Bundesrepublik mit einem extremen Regime wie das des Hr. Assad gleich"? Dieser Artikel? Bitte nochmal lesen.



      Er prangert deutsche Kollaborateure, Profiteure und Appeaser wie zb Steinmeier an, der sich auch gegenüber anderen blutrünstigen Diktatoren wie Putin sehr wohlwollend hervorgetan hat. Das ist ein bisschen was anderes als die dumpfdreiste Verunglimpfung D's als "DDR 2.0".

  • Assad-Syrien war außerdem über viele Jahre das Hauptziel für verschleppte Terrorverdächtige. Zu diesem Zweck wurden auf syrischem Boden auch Geheimgefängnisse betrieben - Sednaya war offenbar zu zahm.

    „Wenn du ein ernsthaftes Verhör willst, schickst du einen Gefangenen nach Jordanien. Wenn du willst, dass sie gefoltert werden, schickst du sie nach Syrien. Wenn du jemanden verschwinden lassen willst – wenn du ihn nie wieder sehen willst –, dann schickst du ihn nach Ägypten.“



    (taz.de/!748768/)

  • Deutsche Methoden, deutsches Geld.. immer wieder.



    Furchtbar.

    • @aujau:

      Sagen Ihnen die Begriffe KhmerRouge, Killing Fields, Gulag, Holodomor etwas ? Wahrscheinlich nicht ?

    • @aujau:

      Ein Zitat aus einer kritikwürdigen, aber in diesem Fall zutreffenden Broschüre lautete in 2013: "Weiten Teilen der deutschen Linken erscheint die Sache freilich ganz anders: In Syrien würde das Regime den Fortschritt vertreten, während die Opposition und eine revolutionäre Massenbewegung als Marionetten des Westens, der Türkei und Golfstaaten denunziert werden. Das Regime Assads würde einen „anti-imperialistischen“ Kampf führen und ein fortschrittliches gesellschaftliches Regime vertreten."

      Es wies richtigerweise darauf hin, dass viele Linke, "Antiimps" sich auf Seite Assads schlugen, gerade solche aus den USA, oder jene die den Schulterschluß mit Hamas, Hisbollah, oder gar den Iran suchten (und die Frauenproteste als imperialistisch gesteuert herabwürdigten).

      Emanzipatorische Perspektive bedeutet jetzt aufzuarbeiten warum so viele Linke sich auf die Seite von Mord und Folter gestellt haben.

      Es bedeutet auch Verantwortung für die eigenen Fehler zu übernehmen.

      • @ToSten23:

        Das hat etwas von argumentativem Schattenboxen: denn die "antiimperialistische Linke" kommt in ihrem Zitat ja gar nicht zu Wort; stattdessen wird ihr (bzw. dem recht heterogenen Milieu, das mit diesem Etikett versehen wird) ein Standpunkt in den Mund gelegt, um dann kräftig dagegen zu halten. Sie erkennen die Problematik dieser Argumentationsstrategie vielleicht selbst. Nur hat kein relevanter linker Akteur wirklich mit Assad sympathisiert, sondern in ihm bestenfalls das kleinere Übel gesehen (die klassischen Antiimps waren/sind ohnehin vorwiegend auf Seite der Kurden). Was in Ihrem Pandämonium falscher Bündnispartner unterschlagen wird, ist die Tatsache, dass die Opposition zu erheblichen Teilen nicht viel vertrauenserweckender war und ist. Jüngste Ereignisse haben das ja bestätigt: nach Assad wird Syrien - sofern es nicht zerfällt - von einer Al Quaida entsprungen Islamistentruppe mit türkischer Unterstützung regiert. Ich überlasse es Ihnen, daran die "emanzipatorische Perspektive" aufzuzeigen; offenkundig muss hier mehr als eine Seite Verantwortung für die eigenen Fehler übernehmen.

    • @aujau:

      Die Deutschen haben die Grausamkeit nicht erfunden. Sie liegt anscheinend in der Natur des Menschen. Furchtbar und widerwärtig.



      Ich frage mich immer wieder, was in den Menschen vorgeht, die andere so bestialisch quälen und bin ratlos und entsetzt.

    • @aujau:

      Sagen Ihnen die Begriffe Gulag oder Holodomor etwas?

  • Danke. Erschütternd & ob der Konnektion “zum wahnsinnig werden.“



    Nein. Nicht nur Barbie - der Schlächter von Lyon - sondern auch Brunner auf der Paytell von den Schlapphüten! Unter der Ägide des Kanzleramts - insbesondere dem Seminarjungspund Steinmeier (zu Maaßen vs Mehmet Kurnaz) & der Deutsche IndustrielleWirtschaftsBankenkomplex beim Mordgeschäft mittenmang!



    Grauenhaft.

    unterm——zu KZ Auschwitz Befreiung



    www.youtube.com/wa...F1c2Nod2l0eg%3D%3D