Deutsche in Syriens Flüchtlingslager: Gebot der Menschlichkeit
Es muss sein: Deutschland sollte die deutschen Kinder und Frauen aus den von Kurden kontrollierten Flüchtlingslagern in Syrien zurückholen.
A l-Hol ist die Hölle. Die Zustände in dem Lager im kurdisch kontrollierten Teil Syriens, in dem 70.000 Menschen ausharren müssen, sind unerträglich. UN-Menschenrechtler berichteten darüber jetzt in Genf, auch dass dort seit Jahresbeginn 390 Kinder an Mangelernährung oder Krankheiten gestorben sind, die unter normalen Voraussetzungen hätten gerettet werden können.
Mehr als 120 Kinder und 68 Frauen mit deutschem Pass halten sich nach Angaben der Bundesregierung derzeit in al-Hol und anderen von syrischen Kurden kontrollierten Lagern auf. Die Forderung des UN-Flüchtlingshilfswerks an die Adresse der Bundesregierung, sie rasch in ihre Heimat zurückzuholen, ist völlig richtig.
Niemand anderes als Deutschland ist für sie verantwortlich, und es ist ein Gebot der Menschlichkeit, sie aus ihrer verzweifelten Lage in einem von Krieg umgebenen Gebiet ohne staatliche Zuständigkeiten zu befreien. Es ist nachrangig, ob sie möglicherweise immer noch Sympathien für die Ziele des sogenannten „Islamischen Staates“ hegen oder längst ihren gewaltigen Irrtum erkannt haben, der sie nach Syrien brachte. Eine Recherche des NDR über den Fall der 19-jährigen Leonora M. aus Sachsen-Anhalt hat gezeigt, wie schnell und brutal die Desillusionierung über das vermeintliche islamische Paradies stattfindet.
Sollte sich herausstellen, dass es unter den Zurückgeholten jemanden gibt, der eine Gefahr in Deutschland darstellt, so sind solche Personen mit den Mitteln unseres Rechtsstaats zu behandeln: Man muss sie beobachten, vielleicht auch gegen sie ermitteln und sie unter Anklage stellen. Aber man darf nicht mit ihnen umgehen, wie es die USA nach 2001 mit den sogenannten „enemy combatants“ gemacht haben, die außerhalb aller rechtsstaatlichen Kategorien gestellt und in Guantanamo oder anderen Geheimgefängnissen schmoren gelassen wurden.
Wahrscheinlicher ist ohnehin, dass die zurückgeholten Frauen und Kinder tief traumatisiert sein werden und professionelle psychologische Hilfe brauchen. Die gibt es nicht in al-Hol.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los