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Deutsche in Syriens FlüchtlingslagerGebot der Menschlichkeit

Kommentar von Stefan Schaaf

Es muss sein: Deutschland sollte die deutschen Kinder und Frauen aus den von Kurden kontrollierten Flüchtlingslagern in Syrien zurückholen.

Geflüchtete aus dem syrischen Lager Rukban bei Homs Foto: dpa

A l-Hol ist die Hölle. Die Zustände in dem Lager im kurdisch kontrollierten Teil Syriens, in dem 70.000 Menschen ausharren müssen, sind unerträglich. UN-Menschenrechtler berichteten darüber jetzt in Genf, auch dass dort seit Jahresbeginn 390 Kinder an Mangelernährung oder Krankheiten gestorben sind, die unter normalen Voraussetzungen hätten gerettet werden können.

Mehr als 120 Kinder und 68 Frauen mit deutschem Pass halten sich nach Angaben der Bundesregierung derzeit in al-Hol und anderen von syrischen Kurden kontrollierten Lagern auf. Die Forderung des UN-Flüchtlingshilfswerks an die Adresse der Bundesregierung, sie rasch in ihre Heimat zurückzuholen, ist völlig richtig.

Niemand anderes als Deutschland ist für sie verantwortlich, und es ist ein Gebot der Menschlichkeit, sie aus ihrer verzweifelten Lage in einem von Krieg umgebenen Gebiet ohne staatliche Zuständigkeiten zu befreien. Es ist nachrangig, ob sie möglicherweise immer noch Sympathien für die Ziele des sogenannten „Islamischen Staates“ ­hegen oder längst ihren gewaltigen Irrtum erkannt haben, der sie nach Syrien brachte. Eine Recherche des NDR über den Fall der 19-jährigen Leonora M. aus Sachsen-Anhalt hat gezeigt, wie schnell und brutal die Desillusionierung über das vermeintliche islamische Paradies stattfindet.

Sollte sich herausstellen, dass es unter den Zurückgeholten jemanden gibt, der eine Gefahr in Deutschland darstellt, so sind solche Personen mit den Mitteln unseres Rechtsstaats zu behandeln: Man muss sie beobachten, vielleicht auch gegen sie ermitteln und sie unter Anklage stellen. Aber man darf nicht mit ihnen umgehen, wie es die USA nach 2001 mit den sogenannten „enemy combatants“ gemacht haben, die außerhalb aller rechtsstaatlichen Kategorien gestellt und in Guantanamo oder anderen Geheimgefängnissen schmoren gelassen wurden.

Wahrscheinlicher ist ohnehin, dass die zurückgeholten Frauen und Kinder tief traumatisiert sein werden und professionelle psychologische Hilfe brauchen. Die gibt es nicht in al-Hol.

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26 Kommentare

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  • Die Argumentation des Herrn Schaaf erscheint mir reichlich fragwürdig und lückenhaft.



    Dazu lese ich so häufig Begriffe wie "sollte" und "vielleicht" im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Fakten. Und statt UN-Gerichtsprozessen zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die, wie von Ihnen so betonte, Menschlichkeit lese ich von Fast bedingungsloser Rückführung ohne das dafür die Voraussetzungen und Strukturen geschaffen sind.



    Die am ganzen unschuldigen Kinder herauszuholen ist das eine, nachweisliche Täterinnen hingegen etwas völlig anderes.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Die Kinder zurückholen die Frauen sollen sich vor Syrischen und Irakischen Gerichten verantworten, wenn sie anschließend abgeschoben werden muss Deutschland sie natürlich zurücknehmen.

  • ich würde gerne die PI-news-Autoren und Anhänger mit den auf dem Foto abgebildeten austauschen. Der große Austausch.

  • Einfache Lösung: Die Kinder zurück holen und alle zum Zeitpunkt der Einreise in das IS-Gebiet Strafmündigen bzgl. mindestens der Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung verurteilen. Ggf. Beihilfe zum Mord falls mehr als häusliche oder medizinische Tätigkeit nachgewiesen werden kann. Natürlich ist der Gerichtsstand in Syrien bzw. Irak. Gefängnisbedingungen können eine internationalen Mindeststandard entsprechen. Bezahlung der Unterbringungskosten durch das Herkunftsland, Überwachung des Mindeststandards durch eine internationale Organisation. Nach Verbüßung der Haft steht es jedem frei wieder nach Deutschland einzureisen.

  • Ich staune über die zuiefst nationalistische Sichtweise des Artikels.

    70.000 Leute darben in diesen Lagern.

    Deutschenland soll nur die eigenen 188 Staatsangehörigen oder deren Nachkommen abnehmen. Der Rest kann da ruhig weiter verhungern?

    Wäre statt ein "Deutsche zuerst" nicht wichtiger, allen 70.000 dort ein erträglicheres Leben zu ermöglichen?

    Wollen diese Frauen überhaupt nach Deutschland? Andernfalls gäbe es keine Rechtsgrundlage für eine zwangsweise Deportierung nach Deutschland.

  • 9G
    93441 (Profil gelöscht)

    Diese Frauen sind in ein fremdes Land eingedrungen und haben den Einheimischen dort die Hölle auf Erden bereitet, Tausende ermordet, versklavt, beraubt, traumatisiert.



    Sie gehören vor den internationalen Kriegsgerichtshof in Den Haag, wenn sie nicht in Syrien vor Gericht gestellt werden.



    Offenbar ist bei vielen noch nicht angekommen, dass Frauen nicht automatisch Opfer sind. Trotz aller Emanzipationsbemühungen. Vielmehr werden sie noch mit Kindern in einem Atemzug genannt.



    Vielleicht mal reflektieren?

    • @93441 (Profil gelöscht):

      Vielen Dank für diesen Kommentar, besser kann man es nicht sagen! Und zu der Forderung, sie in Deutschland zu beobachten: ist dem Autor klar, dass das fast unmöglich ist, weil viel zu wenig Beamte für viel zu viele, die jetzt schon beobachtet werden müssten!

  • Zitat: „Niemand anderes als Deutschland ist für sie verantwortlich, und es ist ein Gebot der Menschlichkeit, sie aus ihrer verzweifelten Lage in einem von Krieg umgebenen Gebiet ohne staatliche Zuständigkeiten zu befreien.“

    Das Blöde an der Menschlichkeit ist: Sie verleiht ihren Ge- und Verboten nicht gewaltsam Nachdruck. Zumindest nicht da, wo jegliches Gewissen entweder vollkommen fehlt, oder aber so sehr von der Angst überlagert wird, dass es sich klein und machtlos fühlt.

    Stimmt schon: Niemand anderes als Deutschland ist verantwortlich für Menschen, die nur einen deutschen Pass besitzen. „Die Kurden“ und „die Syrer“, jedenfalls, sind nicht verantwortlich für Deutschlands Bürger. Und genau da liegt das Problem. Deutschland selbst ist gar nicht handlungsfähig. Es muss sich vertreten lassen. Von Leuten, die Geld dafür bekommen. Diese Leute aber haben offenbar (und zwar völlig zu recht) Angst vor dem Versagen.

    Schließlich hat Deutschland schon einmal versagt. Es war nicht in der Lage, all seine Bürger abzuhalten vom Aufbruch in den Dschihad. Auch nicht alle seine Frauen. Es hat sich wohl nicht zuständig gefühlt damals. Es fühlt sich immer noch nicht zuständig. Denn die Möchtegern-Dschihadisten sind ja ohne seinen Befehl in ihren Krieg gezogen. Es ist also nicht seine Schuld, wenn sie nun in der Klemme sitzen. So jedenfalls denkt Deutschland in Gestalt seiner Vertreter.

    Aber das ist nicht ganz glaubwürdig. Auch durch Unterlassung kann Schuld entstehen. Grade eben passiert das wieder. Nein, es gibt keine professionelle psychologische Hilfe in al-Hol. Aber die gibt es offensichtlich auch in Deutschland nicht. Auch nicht für schwer traumatisierte Frauen und Kinder. Jedenfalls keine, auf die sich Deutschland verlassen kann bzw. will. Ich kann das irgendwie verstehen. Auch, wenn es tatsächlich schäbig ist, sich für Feigheit auch noch bezahlen zu lassen Es ist immerhin üblich und angeblich sogar menschlich. Was also genau gebietet sie, die Menschlichkeit?

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      " Es war nicht in der Lage, all seine Bürger abzuhalten vom Aufbruch in den Dschihad. Auch nicht alle seine Frauen.



      Es hat sich wohl nicht zuständig gefühlt damals. Es fühlt sich immer noch nicht zuständig.



      Denn die Möchtegern-Dschihadisten sind ja ohne seinen Befehl in ihren Krieg gezogen.



      Es ist also nicht seine Schuld, wenn sie nun in der Klemme sitzen.



      So jedenfalls denkt Deutschland in Gestalt seiner Vertreter."

      Ich frage mich, wie ein Staat aussehen muss, der seine Bürger effektiv vor diesen Fehlentscheidungen schützen kann.



      Alle Möglichkeiten die mir einfallen sind mit drastischen Einschränkungen der individuellen Freiheit und mehr staatlicher Überwachung verbunden. Ich persönlich möchte das nicht und denke daher, ("Auch durch Unterlassung kann Schuld entstehen.") dass der deutsche Staat mit dieser Schuld gut leben kann.

      Davon bleibt unbenommen, dass jeder Staat seine Bürger zurücknehmen muss.

    • 9G
      93441 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Wir reden hier von Täterinnen, die die Hölle nach Syrien getragen haben.



      Und Sie machen sich Sorgen, ob die Damen psychologisch betreut werden?



      Was steckt dahinter für ein Menschen- und vor allem Frauenbild?

      • @93441 (Profil gelöscht):

        Wenn du die Spirale ernsthaft unterbrechen willst, helfen deine projizierten Rachegelüste nicht weiter.

  • Tief traumatisiert werden in erster Linie die überlebenden Opfer des IS sein. Diesen Opfern muss geholfen werden und nicht den Tätern. Dieses Mitleid mit den TäterInnen ist m.E. eine Verhöhnung der Opfer des IS.

    An zweiter Stelle müssen die Kinder raus aus dem Einflussbereich der Islamisten-TäterInnen und raus aus dem Elend der Lager. Da müsste die Bundesregierung alles versuchen, über die zweifelsfreie Identität der Kinder ein schnelles Hilfsprogramm zu entwickeln, damit die Kinder in behütete Verhältnisse kommen. Und das kann ja wohl ernsthaft nicht eine Mutter sein, die sich freiwillig den Kopfabschneidern angeschlossen hatte.

    In Deutschland nimmt man schon ledigen Müttern die Kinder weg, nur weil sie wirtschaftlich nicht in der Lage sind, das Kind gut zu versorgen. Und hier soll man die freiwilligen "Bräute" der Kopfabschneider bevorzugt behandeln? Da erwarte ich rechtsstaatliche Verfahren und Aufarbeitung vor Gericht.

  • 0G
    06137 (Profil gelöscht)

    "Wahrscheinlicher ist ohnehin, dass die zurückgeholten Frauen und Kinder tief traumatisiert sein werden und professionelle psychologische Hilfe brauchen."



    Was die erwachsenen Frauen betrifft, geht das sehr in Richtung Täter-Opfer-Umkehr. Bei "traumatisiert" sollte man eher an die Opfer des IS denken als an diese Täterinnen.

    • @06137 (Profil gelöscht):

      Eine Traumatisierung ist eine psychologische und keine moralische Feststellung. Wenn man dem ganzen ein Ende setzen will, bedarf es einer psychologischen Betreuung und Aufarbeitung.

    • @06137 (Profil gelöscht):

      Wer sagt denn, dass sie nicht auch Opfer sein können? Ihnen wurde das Blaue vom Himmel versprochen und am Ende saßen sie in der Scheiße...



      Es mag natürlich auch Antreiberinnen beim IS gegeben haben, aber die sache in der Hand hatten Männer. Männer mit zum Teil wirklich miesem Frauenbild.

      • 0G
        06137 (Profil gelöscht)
        @wauz:

        Wer sich als Frau dem IS anschließt oder gar einen IS-Terroristen heiratet, tut damit zumindest kund, dass sie dieses Frauenbild ebenfalls trägt und unterstützt. Also ein schwaches Argument.

      • 0G
        06137 (Profil gelöscht)
        @wauz:

        Ich halte überhaupt nichts davon, Frauen grundsätzlich als Opfer zu sehen. Auch Frauen, die die Taten des IS mit begangen und unterstützt haben, gehören zuallererst einmal vor Gericht gestellt. Oder sind Sie der Meinung, Frauen handeln niemals eigenverantwortlich oder sind dazu nicht einmal in der Lage?

  • 9G
    92153 (Profil gelöscht)

    Sobald Rückführungsabkommen geschlossen wurden mit der syrischen und irakischen Regierung und die Identität durch Ersatzpapiere zweifelsfrei geklärt ist kann man diese Personen durch Abschiebeflüge zurück nehmen. Vorher fehlt leider die Rechtsgrundlage.

    • @92153 (Profil gelöscht):

      Schöner Unsinn! Es braucht bei humanitären Aktionen keine "Rechtsgrundlage" Hier hat die Bundesregierung als oberstes Organ der Exekutive einen klaren und sehr weiten Ermessensspielraum.



      Rechtsfragen werden erst nach Ankunft der Personen relevant. Zum Beispiel die Frage, ob man deren Aufenthaltsort bestimmen kann und die allgemeine Freizügigkeit einschränken darf.

      • 9G
        92153 (Profil gelöscht)
        @wauz:

        Interessante Rechtsauffassung! Humanitäre Aktionen haben dennoch einen rechtlichen Rahmen. Und die Identität muss auch geklärt sein, Sie können nicht einfach random Leute nach Deutschland bringen und sagen die sind deutsch, weil es Ihnen geopolitisch ins Konzept passt. Die Schadensersatzklagen wären immens, sollte sich herausstellen das die falsche Person nach Deutschland gebracht wurde.

  • Aus dem Artikel ergibt sich die Erkenntnis, dass der Autor das "Gebot der Menschlichkeit" eng mit der Frage der Staatbürgerschaft verknüpft. Wenn man den eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Lager aus den Gründen der Menschlichkeit fordert, dann sollte dise doch unabhäng von der Frage der Staatbürgerschaft erfolgen. Oder ist das Leben eines ausländischen Kindes jetzt weniger wert?

    • 0G
      06137 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Es geht dabei nicht um wert oder nicht wert, sondern um klar definierte Rechtspositionen. Und eine deutsche Staatsbürgerin hat nun mal gegenüber dem deutschen Staat andere Rechte als andere - da können Sie sich auf den Kopf stellen. Sie können ja hingehen und Gesetzesänderungen in Gang setzen, die Nichtdeutsche mit deutschen Staatsbürgern gleich stellen. Viel Erfolg dabei.

      • @06137 (Profil gelöscht):

        Ihre Ausführungen zu den Schutzpflichten des Staates mögen ja richtig sein (und werden von mir auch nicht bestritten), nur haben Schutzpflichten nichts mit "dem Gebot der Menschlichkeit" zu tun.

  • Nach anderen Berichten geht die Bundesregierung lediglich von 68 deutschen Frauen im Lager aus. Bezüglich der in Syrien geborenen Kinder gibt es - soweit ersichtlich - keine öffentliche Stellungnahme seitens der Bundesregierung. Hierüber berichten lediglich Hilfsorganisationen. Isoweit wäre vor einer Überstellung nach Detschland zunächst die Frage der Staatsangehörigkeit zu klären.

    Der Fall zeigt, dass eine Novelierung des Staatsbürgerschaftsrechts notwendig ist. Jedem der sich freiwillig einer fremden Bürgerkriegspartei anschließt (und zwar unabhängig von der Frage ob diese staatsrechtlich anerkannt ist oder nicht) sollte die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden.

    • 0G
      06137 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Ist leider heute nur dann möglich, wenn die Person neben der deutschen auch die Staatsangehörigkeit des Staates besitzt, in dem er/sie kämpft. Wenn zum Beispiel eine Deutsch-Syrerin im IS mitmischt.

      • @06137 (Profil gelöscht):

        Hey Jonschnee, deshalb schreibt Dima ja auch: „dass eine Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts notwendig ist.“



        Es muss klar sein, wer sowas macht ist daraußen und es ist sein/ ihr Problem ohne schützende Bedingungen.