Syrien-Gipfel in der Türkei: EU blickt argwöhnisch nach Ankara

Aus Idlib fliehen Menschen Richtung Türkei. Drei Machthaber besprechen, wie es in der letzten Kampfregion in Syrien weitergehen soll.

Drei Männer stehen mit dem Rücken zur Kamera in einem dunkelen Raum voller Trümmer. Einer von ihnen hält eine Taschenlampe gegen die Rückwand.

Nach einem Luftangriff in Idlib Foto: reuters

ISTANBUL taz | Wenn sich heute in Ankara der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, sein russischer Kollege Wladimir Putin und der iranische Machthaber Hassan Rohani treffen, werden Kanzlerin Angela Merkel und andere europäische Regierungschef ganz genau zuschauen. Denn vom Ausgang dieses Treffens könnte abhängen, ob sich demnächst wieder tausende Menschen aus Syrien auf den Weg nach Europa machen.

Es geht um die rund drei Millionen Menschen, die in der letzten noch von Rebellen kontrollierten Provinz in Nordsyrien leben. Seit April greifen syrische und russische Truppen die Rebellen und Dschihadisten-Gruppen ohne Rücksicht auf zivile Opfer an und haben dadurch bereits eine große Fluchtbewegung aus dem Süden von Idlib in Richtung türkische Grenze ausgelöst.

Türkische militärische Beobachtungsposten, von denen nach einer russisch-türkischen Vereinbarung zwölf entlang den Grenzen der Idlib-Provinz eingerichtet wurden, konnten den Vormarsch der syrischen Regimetruppen nicht verhindern – im Gegenteil: Der südlichste Beobachtungsposten Murak ist mittlerweile komplett von Assad-Truppen umstellt. Erdoğan hat dem wenig entgegenzusetzen und konnte bei einem Blitzbesuch in Moskau vor zwei Wochen lediglich erreichen, dass die russische Luftwaffe vorübergehend ihre Angriffe aussetzte.

Auch bei dem heutigen Treffen ist nicht damit zu rechnen, dass Putin Erdoğan gegenüber große Zugeständnisse macht. Der russische Präsident will, dass Assad über kurz oder lang wieder die gesamte Kontrolle auch über Idlib übernimmt; vor allem will er verhindern, dass die dort aktiven Dschihadisten, viele von ihnen aus Tschetschenien, Usbekistan oder auch Uiguren aus Westchina, in ihre Ursprungsländer zurückkehren.

Sie sollen bekämpft und getötet werden, solange sie in Syrien sind. Genau das will Erdoğan verhindern. Er gilt als letzter Schutzpatron, mindestens der gemäßigten Rebellen, und er will auf jeden Fall verhindern, dass durch die Kämpfe neue Flüchtlinge aus Syrien in die Türkei drängen. Für diesen Fall hat er Merkel bereits angedroht, dass die Leute dann weiter nach Europa wandern würden; die Türkei sei mit den 3,6 Millionen syrischen Flüchtlingen, die jetzt bereits dort leben, schon völlig überlastet.

Pufferzone in Ostsyrien

Ein Ausweg könnte eine Pufferzone östlich des Euphrats entlang der türkischen Grenze aber auf syrischer Seite sein, die Erdoğan gemeinsam mit den USA, die diese Region zusammen mit der kurdischen YPG-Miliz kontrollieren, einrichten will. Die YPG, die Erdoğan als Gefahr für die Türkei ansieht, soll aus dieser Zone vertrieben werden; stattdessen sollen dort Häuser gebaut werden, in die Flüchtlinge aus der Türkei nach Syrien zurückgebracht werden können.

Dafür sucht Erdogan politische und finanzielle Unterstützung in Europa, denn die Kooperation mit den USA läuft bislang nicht so, wie Erdoğan sich das vorstellt.

Kommt die Unterstützung aus Europa nicht, könnten die Zahlen der Flüchtlinge, die aus der Türkei auf den griechischen Ägäisinseln anlanden, bald wieder ansteigen. Allein im August dieses Jahres kamen 9.300 überwiegend syrische und afghanische Flüchtlinge auf Lesbos, Kos und anderen Inseln an, die größte Anzahl seit dem Abschluss des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens vom März 2016. Ob bewusst von der türkischen Küstenwache durchgelassen oder nur bedingt durch das derzeit ruhige Wetter, ist unklar, eine Botschaft ist es allemal.

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