Deutsche Regierung in Indien: Mehr Handel wagen
Auch bei dieser Runde der deutsch-indischen Gespräche wird das Potenzial des jetzt bevölkerungsreichsten Landes der Welt betont. Berlin setzt mehrere Schwerpunkte.
Vier Minister:innen begleiteten Scholz in diesem Jahr, zwei davon, die für Wirtschaft und Arbeit, reisten sogar schon früher an. „Innovation, Mobilität und Nachhaltigkeit“ lauten die Schlagworte. Und sie unterstrichen, welches Thema im Mittelpunkt der deutsch-indischen Regierungskonsultationen stehen sollte. Und das war längst gesetzt: Denn zeitgleich war die Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft angesetzt worden.
Doch auch 2019 war der Besuch der damaligen Kanzlerin Angela Merkel mit der Jahrestagung der indischen Außenhandelskammer gekoppelt und besonders für die Wirtschaftsvertreter von Interesse. Nun ist diesmal die Konzentration der Unternehmen aus der Region wohl größer und vielleicht auch der Wille, in der Diversifizierungsstrategie stärker auf Indien zu setzen. Das mehr Einwanderung aus Indien nach Deutschland gewünscht ist, macht das neue Papier „Fachkräftestrategie Indien“ klar. Der deutsche Botschafter in Indien sagte kürzlich, dass die jährliche Obergrenze für Visa für indische Fachkräfte von 20.000 auf 90.000 erhöht werde.
Schon damals war jedoch die Bürokratie das große Hindernis. Allerdings hat sich seitdem einiges geändert, wie man an der Erteilung von mehr Visa sieht. Und Luft bei diesem hochkarätigen Besuch ist, gemessen am Luftqualitätsindex, deutlich besser: Die Begrüßungsplakate waren diesmal sichtbar und nicht durch neblige Schwaden verdeckt.
Knapp 30 Kooperationen, Abkommen und Ergebnisse
Konkret gab es bei den Konsultationen fünf Schwerpunkte: Von „Politik und Sicherheit“ über „Umwelt und nachhaltige Entwicklung“, „Wissenschaft und Technologie“ bis hin zu „Wirtschaft und Handel“ sowie „Mobilität“. Wie aus Regierungskreisen verlautete, wurden am Freitag knapp 30 Kooperationen und Abkommen vereinbart. Die Regierungskonsultationen sollen um einen gemeinsamen konsularischen Dialog erweitert werden.
„Die wachsende Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik zeigt, dass wir tiefes gegenseitiges Vertrauen empfinden“, sagte der indische Regierungschef Narendra Modi (BJP). Das Abkommen über den Austausch von Geheimdienstinformationen sei ein weiterer Schritt in diese Richtung. Indien blickt diesbezüglich auf die „Bekämpfung von Terrorismus und Separatismus“, so der hindunationalistische Politiker.
Während Bundeskanzlers Olaf Scholz als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sich mehrmals deutlich dafür aussprachen, die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien zügig voranzutreiben, schien das nicht unbedingt oberster Priorität auf der indischen Agenda zu haben. Auch wenn der indische Blick auf die EU sich verändert hat. Ein Abkommen, das manche Bereiche wie die Milch- und Landwirtschaft, die auf beiden Seiten des Verhandlungstisches ein sensibles Thema sind, ausklammert, könnte den Weg dorthin erleichtern.
Indische Neutralität in Bezug auf Russland wurde erwähnt
Indiens neutrale Haltung im russischen Angriffskrieg wurde von Seiten Berlins angesprochen, jedoch weniger kritisch. Erfreulicher war, dass in der zweiten Phase der grünen urbanen Mobilität Partnerschaften geschlossen und eine Roadmap für die Einführung von grünem Wasserstoff unterzeichnet werden konnten.
„Neben neuen bilateralen Abkommen ging es Modi und Scholz vor allem darum, eine Aufbruch-Stimmung zu erzeugen“, sagt der Indien-Kenner Tobias Scholz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutschland habe seinen China-zentrierten Ansatz gegenüber Asien hinter sich gelassen. Der gemeinsame Auftritt der Regierungschefs auf der Wirtschaftskonferenz könne als Signal an die Privatwirtschaft beider Länder verstanden werden, mehr Handel zu wagen. Die politische Beobachterin Garima Mohan spricht von „einer neuen Ära für die deutsch-indische Partnerschaft“.
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den Tag jedenfalls als „vollen Erfolg“. „Alles klar, alles gut!“, schloss Premier Modi seinen Redebeitrag ab. Nach dem Treffen mit Modi ging es für Scholz noch gleich weiter zu einem Termin bei Airbus.
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