Deutsche Konjunkturschwäche: Es ist die Nachfrage
Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Das liegt nicht nur an hohen Energiekosten für die Unternehmen. Das größte Problem sind die Löhne.
V iel ist derzeit von „Klumpenrisiken“ die Rede. Die Energiepreise drückten auf die gebeutelte Industrie, angeblich zu hohe Unternehmenssteuern und der Fachkräftemangel infolge des demografischen Wandels würden der Wirtschaft den Rest geben. Der Chef des Industrieverbandes VCI forderte deshalb schon mal in Anlehnung an Schröders Agenda 2010 eine „Offensive 2030“, damit die Lichter nicht ausgehen. Doch letztlich verdecken die Wehklagen der Industrielobby die eigentlichen Gründe für die gegenwärtige Konjunkturflaute.
Auch wenn zu hohe Energiekosten vielleicht dem einen oder anderen Unternehmen derzeit zusetzen, ist eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit nicht das Problem. Auch wird kein Unternehmen sofort abwandern, weil ein paar Monate mal die Strompreise zu hoch sind. Letztlich sind das trotz aller Warnungen und Drohungen milliardenschwere Investitionsentscheidungen, die niemand übers Knie bricht.
Stattdessen bleibt die Inflation hartnäckig hoch. Mit laut vorläufigen Schätzungen 6,2 Prozent war die Teuerungsrate im Juli noch weit vom Ziel der Europäischen Zentralbank von rund 2 Prozent entfernt. Das heißt, die steigenden Preise drücken weiterhin auf die Kaufkraft der Menschen im Land. Denn die bisherigen Tarifeinigungen – so hoch sie nominal auch waren – bedeuteten für die meisten Beschäftigten keinen vollständigen Ausgleich für die Reallohnverluste der letzten Jahre. Dass die Umsätze im Einzelhandel nach Abzug der Inflation in der ersten Jahreshälfte um 4,5 Prozent gesunken sind, beweist dies deutlich.
Wenn nicht die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, sondern die fehlende Nachfrage das Problem ist, dann bedeutet dies letztlich auch, dass es andere Lösungsansätze braucht. Ein gedeckelter Industriestrompreis mag mittel- bis langfristig vielleicht sinnvoll sein, um die Transformation der Industrie zu begleiten. Doch vor allem braucht es höhere Löhne, damit die Menschen wieder mehr Geld zum Ausgeben haben. Eine weitere Anhebung des Mindestlohns auf 14 oder 15 Euro brutto die Stunde wäre da zum Beispiel ein Schritt in die richtige Richtung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen