Deutsch-russische Beziehungen: Austausch mit Russland? Ist nicht mehr!
Spätestens mit Putins Invasion in der Ukraine liegen auch Austauschprogramme mit Russland auf Eis.
Das Putin-Regime erschwerte lange zuvor schon die Zusammenarbeit. Unter dem Vorwand, Terrorismus und Geldwäsche einzudämmen, wurde bereits 2006 von der Duma das sogenannte NGO-Gesetz verabschiedet. Es lieferte mit schwammigen Formulierungen zur Verteidigung der nationalen Sicherheit Möglichkeiten, russische NGOs zu verbieten oder von Geldspenden aus dem Ausland abzuschneiden. 2012 folgte das Gesetz über „ausländische Agenten“, das mit Beginn der russischen Invasion 2022 nochmal drastisch verschärft wurde. Es ermöglicht Repressionen gegen Organisationen allein wegen „ausländischer Beeinflussung“. Beide Gesetze sind sowohl Ausdruck der traditionell tief verwurzelten russischen Xenophobie als auch der immer radikaleren Rückkehr Russlands zu einer gleichgeschalteten Diktatur.
Bereits 2021 wurde der Deutsch-Russische Austausch e.V. (DRA) als eine der ersten in Russland zur „unerwünschten Organisation“ erklärt, also faktisch verboten. Russische Partnerorganisationen machen sich somit strafbar, wenn sie weiter mit der DRA kooperieren. Der Zweite Geschäftsführer Jacob Riemer sah damals darin die logische Eskalation der repressiven und isolationistischen russischen Gesetze. Angesichts der Vorgeschichte seit 2014 und der bereits stattfindenden Truppenbewegungen war man beim DRA überzeugt, dass dieser Durchgriff zum Vorspiel der „Vollinvasion“ gehöre, wie mehrere NGOs es formulieren.
Sehr bald nach dem russischen Einmarsch änderte der DRA seinen Namen in „Austausch“, ohne Zusätze. Russland habe alle „Traditionsstränge“ der 1992 in Sympathie gegründeten NGO zerschlagen, erklärt Jacob Riemer. Heute gibt es keine direkten Kooperationen mehr. Projekte und Veranstaltungen unterstützen die Ukraine, fördern die Zusammenarbeit mit Osteuropa, Zentralasien und der Kaukasusregion. In aller Vorsicht agiert der „Austausch“ als Teil des Netzwerkes von Exilrussen. Die haben Angst vor dem weit über russische Grenzen hinausreichenden Durchgriff des Geheimdienstes FSB.
Petersburger Dialog? War da was?
Dazu kommt die prekäre Finanzierung. Den Rückgang der Förderung durch das Auswärtige Amt sieht Riemer nicht nur als Reaktion auf AfD-Anfragen im Bundestag an. Man müsse sich die schrumpfenden Fördertöpfe inzwischen mit mehr profilierten Exilorganisationen teilen.
Mehr öffentliche Aufmerksamkeit als der DRA genoss das 1993 gegründete Deutsch-Russische Forum. Aushängeschild war der 2001 begonnene und stets mit Spitzenpolitikern besetzte „Petersburger Dialog“, begründet vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (immer noch SPD) und seinem Liebling Wladimir Putin. Dass der Dialog 2021 von den Russen ebenfalls auf den Index gesetzt wurde, änderte zunächst nichts an seinem Ruf, Teil einer vor allem wirtschaftlich orientierten „Moskau-Baku-Connection“ zu sein.
Im April 2023 löste er sich sang- und klanglos auf. Ein halbes Jahr später wehrte sich das Forum in einer Vorstandserklärung gegen den Vorwurf, weiterhin russische Interessen zu vertreten. Es lasse sich „von friedensethischen Aspekten leiten“, heißt es auf der Homepage. Die bestätigt auch, dass seit Kriegsbeginn „die gesellschaftliche Projektarbeit, insofern sie eine Beteiligung russischer Stellen erfordert, bis auf weiteres ausgesetzt ist“.
Eine Sonderstellung nimmt die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch in Hamburg ein. Sie beruht auf einem Regierungsabkommen von 2004. Bis zu 17.000 junge Menschen und pädagogische Fachkräfte reisten jährlich von der Stiftung gefördert hin und her, bevor sich die vier Gesellschafter 2022 entschlossen, jegliche Zusammenarbeit einzustellen.
Gesellschafter springen ab
Man will nicht alle Türen zuschlagen, sagt Geschäftsführer Philipp Stemmer-Zorn, beschränkt sich aber auf Aktivitäten mit jungen Russen aus der Exil-Community, um sie als zukünftige Brückenbauer zwischen beiden Ländern zu gewinnen. Gleichzeitig plant man, sich neue Zielregionen in Osteuropa zu suchen. Die Stiftung braucht bald einen neuen Vertrag. Die Bosch-Stiftung ist als Gesellschafter schon ausgestiegen. Das Bundesjugend- und Familienministerium äußerte sich noch nicht zur Absicht, dem zu folgen. Bleiben noch die Stadt Hamburg und der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft.
Während bei all diesen NGOs das Attribut „russisch“ aus dem Namen verschwindet, ist die deutsche Komponente beim Deutsch-Russischen Kulturinstitut Dresden nahezu bedeutungslos geworden. Mehr als zuvor ist hier die russische Community unter sich. Die Stadt hat die institutionelle Förderung eingestellt und fördert mit 10.000 Euro nur noch einzelne Projekte.
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