Deutsch-russische Beziehungen: Die Reiselust ist ungebrochen
Die Einreisesperre für den CDU-Abgeordneten Karl-Georg Wellmann hält andere Politiker nicht von Besuchen in Russland ab.
Von wegen! Die Sperre, die nach Angaben der russischen Behörden für Wellmann bis 2019 gelten soll und von der auch die deutsche grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms betroffen ist, scheint der Reiselust anderer Parlamentarier keinen Abbruch zu tun.
So machte sich der CDU-Arbeitsmarktexperte Peter Weiß in dieser Woche auf den Weg nach Moskau, um an einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung mit der orthodoxen Kirche teilzunehmen. „Es nutzt nichts, wenn nun kein Abgeordneter aus Deutschland mehr nach Russland reist“, sagte Weiß am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.
Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, kündigte an, mit den Abgeordneten Bernhard Kaster, Helmut Heiderich und Bernhard Schulte-Drüggelte (alle CDU) am Donnerstag nach St. Petersburg zu reisen. Dort wolle man auch Probleme ausländischer Nichtregierungsorganisationen ansprechen.
Auf einen Dialog mit Russland, das sich derzeit immer stärker abschottet und den Druck auf die Zivilgesellschaft verstärkt, setzen auch Vertreter anderer Fraktionen. Als Antwort auf die russische Politik brauche man eine klare Benennung von Tatsachen im Dialog, das bedeute aber auch die Kontroverse, sagt die grüne Abgeordnete Marieluise Beck. Sie lehnt es strikt ab, dass der Kreml nur noch mit denen spricht, die er selber aussucht.
Mehr bilaterale Gespräche
„Der Gesprächsfaden zwischen den Parlamentariern unserer Länder darf gerade in Zeiten der Krise nicht abreißen. Dies würde nur diejenigen Kräfte in Russland stärken, die eine weitere Abschottung Russlands vom Westen propagieren“, meint der SPD-Abgeordnete Niels Annen.
Ähnlich argumentiert auch der Linkspolitiker Andrej Hunko. Eine Art Boykott von Russlandreisen sei kontraproduktiv. In der aktuellen Situation brauche man mehr bilaterale Gespräche und nicht weniger, so Hunko gegenüber der taz.
Doch vor allem die Linkspartei will es nicht bei einer Fortführung des Dialogs mit Russland belassen. Die Abweisung Wellmanns sei schließlich eine Reaktion des Kremls auf die Einreiseverbote für russische Politiker im Rahmen der wegen der Ukrainekrise verhängten westlichen Sanktionen, so der Tenor.
Und diese Sanktionen müssten weg. „Deutschland sollte Russland verblüffen und die Liste, der zufolge einige russische Abgeordnete nicht nach Deutschland kommen dürfen, aufheben. Deutsche Vernunft und Dialogfähigkeit können dazu führen, dass auch russische Einreiseverbote sehr schnell aufgehoben werden“, sagt Linkspolitiker Wolfgang Gehrcke.
Er und einige Mitglieder der deutsch-russischen Parlamentariergruppe wollen übrigens im Juli nach Moskau und Sibirien reisen. Wie er reagieren würde, sollte einem Mitglied der Delegation die Eintrittskarte für Russland verwehrt werden? „Wenn ich dabei bin, gibt es in Moskau kein Einreiseverbot“, sagt Gehrcke. Na, mal sehen!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm
Klimastreik in Sachsen
Dem rechten Mainstream trotzen
Migrationsgeschichte und Wahlkampf
Unterschätzt und vernachlässigt
Habecks Dilemma mit der Gerechtigkeit
Robert und das Schulklo