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Desinformationen im NetzEine Plattform als Waffe

Faktenchecker fordern Youtube auf, härter gegen Fake News vorzugehen. Doch die Videoplattform reagiert nur zögerlich – kein Einzelfall.

Virtueller Unsinn wird zur realen Gefahr: Icon von Youtube Foto: Thiago Prudencio/imago

Wir befinden uns im Jahr drei der Pandemie. Und das ganze Netz ist voll von Hobbyvirolog:innen, Tweets, Posts, Videos von Menschen, die ihre Angst vor dem Virus kundtun. Und von denen, die sich die ungewisse Lage der Welt zunutze machen wollen. Nie war es so leicht, gezielt Informationen zu verbreiten, geprüfte wie erfundene. Letztere sind ein Problem. Virtueller Unsinn wird zur realen Gefahr. Die Mitglieder des International Fact Checking Networks fordern nun die Videoplattform Youtube auf, verschärft gegen Falschinformationen vorzugehen.

Das Unternehmen lasse zu, dass die Plattform von skrupellosen Akteuren als Waffe eingesetzt werde, um andere zu manipulieren, heißt es in einem Schreiben von rund 80 Mitgliedsorganisationen. Der Vorwurf wiegt schwer, ist aber nicht neu. Youtube reagiert hin und wieder, aber langsam. So wurde der Youtubekanal #alles­aufdentisch erst kürzlich für eine Woche gesperrt und ein Video der Kampagne gelöscht. Prominente hatten sich zu der Aktion zusammengeschlossen, um Maßnahmen gegen die Pandemie zu kritisieren, vor allem auf Schwurbler:innenniveau.

In dem gelöschten Video wurde behauptet, dass Corona-Impfungen zu Tausenden Todesfällen geführt hätten und Covid-19 nur eine leichte Erkältung sei. Löschen allein reicht aber nicht aus. Das sieht auch das International Fact Checking Network so. Sie fordern, dass geprüfte Fakten veröffentlicht und entlarvte Falschdarstellungen sichtbar eingeblendet werden. Es geht also um mehr Aufklärung und Warnhinweise.

Nut­ze­r:in­nen sind die Währung

Die Meinungsbildung im Netz ist fest in der Hand weniger Onlineplattformen. Youtube ist nicht allein mit dem Problem der Desinformation. Die EU hat das erkannt. In diesem Jahr sollen die EU-Staaten über zwei neue Internetgesetze für digitale Dienste und Märkte entscheiden. Kommen sie durch, sollte es für Meta – früher bekannt als Facebook –, Google oder Amazon ungemütlich werden. In Deutschland hat das Bundeskartellamt den Google-Mutterkonzern Alphabet im Visier.

Die Firmen beteuern derzeit, aufmerksam zu sein, Priorität hat anderes: Jede Nutzer:in, jeder Klick ist Gold wert, interessant für Werbekund:innen. Gegen das Tempo der Verbreitung kommen Gesetze derzeit nicht an. Freuen wir uns auf den nächsten Appell.

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2 Kommentare

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  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich hab' mal spaßeshalber ein großes Online-Portal beim Presserat angeschwärzt, weil die gegen die Kennzeichnungspflicht von Werbung verstießen - ich hatte Insiderkenntnisse und wusste, dass das Werbung war. Der Presserat schrieb mir auch nett - und auch dem Anbieter - dass das so aber nicht ginge. Das war's. Alle sind als Freunde auseinandergegangen.

    Der Pressekodex ist eben so wirksam wie das Betriebsverfassungsgesetz ohne jede Sanktion - also nicht.

    Im Übrigen müsste man jede zweite BLÖD-Zeitungsauflage der thermischen Verwertung zuführen, wenn man Fake-News in den Griff bekommen wollte...

    In Deutschland paart sich diese unangebrachte Unterwürfigkeit gegenüber der Privatwirtschaft mit einer diffusen Angst vor Presse zu einer vollständigen Unfähigkeit, von den Medienschaffenden Wahrhaftigkeit einzufordern.

    Die sind bei Youtube und Telegram dann ein bisschen aufmüpfig, weil's keine heimischen Verleger trifft. Aber ein ernsthaftes Bemühen um Sittlichkeit in den Medien kann ich nicht erkennen. Ich bin ja noch mit dabei, Telegram aus den Stores zu verbannen, um den "Spaziergängern" auf die Nerven zu gehen...

    Aber es fehlt die Strategie und dafür die Haltung, um die Probleme einer heillosen n:n-Kommunikation irgendwie einzuhegen.

    Ich halte den gesamten Niedriglohnsektor für eine ebenso verrückte Verschwörung wie Qanon - und ich würde durchaus darüber reden, wieviele Menschen an den Auswirkungen unserer Freihandelsabkommen sterben und ob die weniger wert sind als unsere Corona-Opfer...

    Man kann schlecht die einen der Lüge zeihen, während die anderen kaum ohne Lüge sprechen können. Und jetzt kommt's: Larry Page und Sergey Brin wissen das auch...

  • Ich finde eine Filterung von Inhalten stark bedenklich und Zensur - in dieser Form - einen Dammbruch mit der freien Meinungsäußerung.



    Ja, es wird viel Quatsch erzählt. Angefangen von harmlosen Dingen wie dem ultimativen Entwurf für ein Perpetuum mobile, über krude Geschichten zu Chemtrails, oder nun auch dass das Impfen gefährlicher wäre wie eine Covid-Erkrankung. Selbst der amerikanische Präsident durfte die gefährlich-dumme Idee äußern, dass ein innerlich angewandtes Reinigungsmittel den Virus doch auch "killen" würde.

    Die spannende Frage ist jedoch, wer die Vorgaben für Falsch & Richtig macht. Das zu betreibende Unternehmen - in diesem Fall Google? Wohl hoffentlich nicht, denn dieses sollte sich streng an die gesetzlichen Vorgaben halten und eine größtmögliche Meinungsfreiheit gewähren. Soll der Staat die Vorgaben machen? Wohl hoffentlich auch nicht, denn dann läuft es auf eine beliebige Zensur hinaus. Heute Covid morgen regierungskritische Kommentare.

    Wir sollten es weiterhin wie am guten Stammtisch handhaben. Wenn einer "dumm" daher redet, wird er von den anderen einfach verbal übertrumpft.