Der Vegan-Warrior aus Wolfsburg: Bauern drohen VW mit Boykott
Landwirte sehen sich durch die Werbung für die zehn Restaurants in der Wolfsburger „Autostadt“ verunglimpft. Tatsächlich zielt sie prinzipiell in die richtige Richtung.
HAMBURG taz | Die Werbung von Volkswagen für die Restaurants in seiner Wolfsburger „Autostadt“ bringt die Bauern auf die Palme. Die „Autostadt“ hatte darauf hingewiesen, dass bei ihr „gesunde und verantwortungsbewusste Ernährung eine wichtige Rolle“ spiele. Zentral sei dabei, dass die Gäste zwischen Speisen mit Fleisch und Fisch, vegetarischen und veganen Gerichten wählen könnten.
Was die Bauernverbände Niedersachsens und Schleswig-Holsteins so ärgert, ist die ausführliche Begründung, die die „Autostadt“ mitliefert. „Wäre die Erde eine Köchin, würde sie sich an den meisten Tagen für vegane oder vegetarische Rezepte entscheiden“, heißt es. Denn das Züchten und Mästen von Schlachtvieh verschlinge ein Vielfaches an Ressourcen im Vergleich zum Anbau von Obst, Gemüse und Getreide. „Steht VW demnächst für ’Vegan-Warrior‘?“, fragt der schleswig-holsteinische Bauernverband auf seiner Facebook-Seite.
Der entsprechende Beitrag wurde mehr als 260 Mal geteilt – Grund genug für Verbandspräsident Werner Schwarz von einem „Sturm der Empörung“ zu sprechen. Sein Kollege Werner Hilse vom Landvolk, dem niedersächsischen Äquivalent, schrieb der Geschäftsführung der „Autostadt“, die Bauern werden durch pauschale und unzutreffende Aussagen diskriminiert. „Wenn der Konzern seine Kunden derart düpiert, muss er in Kauf nehmen, dass sie sich für andere Marken entscheiden“, schreibt Hilse.
Nur im Promillebereich
Besonders ärgert die Verbandsvertreter der Vorwurf, die Antibiotika- und Hormonbelastung von Fleisch, Milch und Eiern könne zu gesundheitlichen Problemen führen. Dieser Vorwurf führt, orientiert man sich an den gesetzlichen Grenzwerten, tatsächlich am Kern des Problems vorbei. Nach dem jüngsten Jahresbericht zum Nationalen Rückstandskontrollplan von 2012 wurden verbotene Stoffe oder Stoffe in überhöhten Konzentrationen nur im Promillebereich in Lebensmitteln gefunden.
Insofern könnte Hilse Recht haben, wenn er behauptet: „Lebensmittel sind heute so sicher wie nie zuvor.“ Das eigentliche Problem beim Antibiotikaeinsatz ist aber die Menge und Sorglosigkeit mit der sie unters Futter gemischt werden. Vergangenen Sommer wies eine Ärzteinitiative darauf hin, dass eine zunehmende Zahl multiresistenter Keime aus der Nutztierhaltung stamme – Keime also, gegen die kaum ein Antibiotikum hilft. Bauern, Schlachter und Tierärzte gälten deshalb bereits als Hochrisikopatienten.
„Die zehn Restaurants kochen fast ausschließlich mit biologischen Produkten aus der Region“, sagt „Autostadt“-Sprecher Tobias. „Wir zeigen die Vor- und Nachteile aller drei Ernährungsformen.“ Dass Fleisch mit Blick auf die Umwelt schlecht abschneide, halte die Gäste aber nicht vom Verzehr ab. 73 Prozent der verkauften Gerichte werden mit Fleisch zubereitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf