piwik no script img

Der Berliner Wochenkommentar IIEs muss nachgebessert werden

Cannabis gibt es seit fünf Monaten auf Rezept. Doch Krankenkassen stellen sich bei der Kostenübernahme des ärztlich verschriebenen Cannabis quer.

„Gebt das Hanf frei!“ Foto: dpa

Stellen Sie sich vor, Sie haben seit Wochen Einschlafprobleme. Der Arzt verschreibt Ihnen getrocknete Cannabisblüten mit indica-Anteil, also leicht sedierend wirkend. In der Apotheke legen Sie das Betäubungsmittelrezept vor und bekommen das Gewünschte. Der einzige Haken: Im Unterschied zum Schwarzmarkt, wo das Gramm Cannabis 8 bis 12 Euro kostet, liegt der Preis in der Apotheke bei 20 bis 24 Euro. Dafür ist die Qualität aber auch besser.

Nein, das ist keine Fiktion. Seit dem 10. März dieses Jahres können Ärzte Patienten Cannabis als Medikament verschreiben. Früher waren Kranken und Ärzten enorme Steine in den Weg gelegt. Ohne Ausnahmegenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) konnte niemand Gras aus der Apotheke beziehen. Dass nur rund 1.000 zumeist Schwerkranke eine Ausnahmegenehmigung hatten, zeigt wie restriktiv das BfArM damit verfuhr.

Fünf Monate ist das neue Gesetz nun alt. Im Vergleich zu vorher bedeutet es einen Quantensprung. Das kann man nicht genug betonen. Aber es gibt Nachbesserungsbedarf.

Was ist mit den chronisch Kranken?

Die Krankenkasse stellen sich bei der Kostenübernahme des ärztlich verschriebenen Cannabis quer. Von rund 3.300 Anträgen auf Kostenübernahme, die bundesweit allein bei der AOK eingingen, ist bislang nur die Hälfte bewilligt worden. Unter den Abgewiesenen seien sogar Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung des BfArM, klagen Selbsthilfegruppen.

Patienten mit Geld besorgen sich Cannabis auf Rezept in der Apotheke ganz einfach auf Selbstzahlerbasis. Was aber ist mit den chronisch Kranken, die sich finanziell auch so schon kaum über Wasser halten können? Den durchschnittlichen Tagesbedarf von ein bis zwei Gramm Cannabis können sie unmöglich aus eigener Tasche abdecken. Der Weg zum Medikament ist ihnen damit versperrt.

Die Politik muss den Krankenkassen Druck machen, diese Praxis zu ändern

Die Politik muss dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) Druck machen, diese Praxis zu ändern. Auch die Preise gilt es unter Einbeziehung des Deutschen Apothekerverbands nach unten zu korrigieren.

Sind Sie auch dafür? Das können Sie ganz einfach zeigen. Beteiligen sich am Samstag, dem 12. August, mit der entsprechenden Forderung an der Hanfparade. Cannabis als Medizin steht da im Fokus. Schließlich ist Wahlkampf.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!