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Demoverbote in Hamburg am 1. MaiIm Zeichen der Reichen

Die Proteste zum 1. Mai zielen in diesem Jahr auf eine Kritik der ungleichen Verteilung der Lasten der Coronapandemie. Demos sind verboten.

So soll es am Samstag nicht aussehen, wenn es nach der Behörde geht: Demo verboten Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg taz | Die Proteste zum 1. Mai werden den Gerichten wohl kurzfristig noch einige Arbeit bescheren. Die Hamburger Infektionsschutzverordnung verbietet derzeit pauschal jegliche Demonstration. Auch Kundgebungen erlaubt die Versammlungsbehörde nur in Ausnahmefällen mit maximal 200 Teilnehmer*innen. Mehrere linke Gruppen haben angekündigt, ihre Grundrechte einzuklagen.

Die größten Mobilisierungen gehen in diesem Jahr von drei Gruppen oder Bündnissen aus: Dem antiimperialistischen Roten Aufbau, der traditionell und zuverlässig am 1. Mai um 18 Uhr demonstriert, dem anarchistischen „Schwarz-Roten ersten Mai“, der erstmals 2019 mit einer eigenen Demo hinzukam, und dem im vergangenen Jahr neu gegründeten Bündnis zur Umverteilung von Reichtum: „Wer hat, der gibt“.

Inhaltlich steht bei allen eine linke Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung im Fokus sowie die Forderung, die Lasten sozialverträglich umzuschichten und Unternehmen und Superreiche in die Pflicht zu nehmen.

„Die Coronakrise hat die gesellschaftliche Spaltung verstärkt“, sagt Ansgar Ridder von „Wer hat, der gibt“. „Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung Milliardenhilfen in Unternehmen pumpt, während die Kosten auf dem Rücken der Bevölkerung abgeladen werden.“

Was geht am 1. Mai?

„Die Reichen müssen für die Krise zahlen“: drei Kundgebungen von „Wer hat, der gibt“ mit Livemusik, Reden und Performances; Moorweide, Alsterpark und Eichenpark, alle ab 14 Uhr

„Sach ma gehts noch?!“: Demo und Kundgebung vom anarchistischen „Schwarz-Roten 1. Mai“, Emilienstraße, 12.30 Uhr

„Revolutionärer 1. Mai“: Demo und Kundgebung vom „Bündnis für einen revolutionären 1. Mai“, Hauptbahnhof, 18 Uhr

Vorabend: „Take back the night“, queerfeministische Kundgebung gegen sexistisches Mackergehabe und Patriarchat, 30. 4., Hans-Albers-Platz, ab 17.30 Uhr, ohne Cis-Männer

Vorabend: „Klassenfest“ vom „Bündnis für einen revolutionären 1. Mai“, Konzerte und Stände, 30. 4., Sternschanze, ab 16 Uhr. Livestream am Grünen Jäger

Am Mittwoch hatte das Bündnis in einem offenen Brief an die Bundesregierung gefordert, das Steuersystem nach sozial gerechten Maßstäben zu reformieren. Über hundert Wissenschaftler*innen, Schau­spie­le­r*in­nen und andere Prominente unterzeichneten den Brief. Eine entsprechende Petition fand innerhalb weniger Stunden mehr als 14.000 Unterstützer*innen.

Für den Tag der Arbeit lädt das Bündnis zu drei Kundgebungen ins Reichenviertel Pöseldorf. Von der Außenalster soll es eine Liveschalte ins Berliner Reichenviertel Grunewald geben, wo die Hedonistische Internationale protestiert. Ob die Kundgebungen jedoch stattfinden können, muss das Verwaltungsgericht klären. Am Mittwoch erteilte die Behörde den Ver­an­stal­te­r*in­nen ein komplettes Verbot für jegliche Versammlung.

Gegenüber den Anarchos erklärte die Behörde die Gespräche bereits am Dienstag für gescheitert. Dabei hatte der „Schwarz-Rote 1. Mai“ ein umfangreiches Hygienekonzept erarbeitet, zu dem auch die Ausgabe von Schnelltests gegen Spende gehörte. „Es ist so lächerlich und offensichtlich, was hier passiert“, sagt dessen Sprecher Kim B. „Das Infektionsschutzgesetz wird als Instrument genutzt, um ungewollte Meinungen von der Straße zu drängen.“

Die Beschneidung der Grundrechte stünden in einer Reihe mit anderen autoritären Maßnahmen wie den Verschärfungen der Landespolizeigesetze, Ausgangssperren und Einsätzen der Bundeswehr im Inneren. Die Kooperationsverhandlungen mit der Polizei bezeichnet er als „Trauerspiel“.

Im vergangenen Jahr hatte die Pandemie die Maiproteste auf ein Minimum beschränkt. In Harburg hatten über den Tag verteilt mehrere kleine Kundgebungen stattgefunden, am Abend hatte sich der Rote Aufbau ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei auf der Reeperbahn geliefert.

Die Polizei kündigt ein Großaufgebot an

Auf letzteres könnte es auch in diesem Jahr hinauslaufen, sollte die Behörden den Aufzug verbieten – was zu erwarten ist. „Irgendeine Art von Versammlung wird es auf jeden Fall geben“, sagt Aufbau-Sprecher Halil Simsek. Die Polizei kündigt ein Großaufgebot an, obwohl sie laut einem Sprecher einen gewaltfreien Tag erwartet.

Für die Walpurgisnacht lädt ein queerfeministisches Bündnis nach St. Pauli. Unter dem Motto „Take back the night“ wollen die Fe­mi­nis­t*in­nen auf die besondere Belastung von Frauen, Trans*, Inter- und Queerpersonen in der Coronakrise hinweisen und sich den mackerig aufgeladenen Raum am Hans-Albers-Platz zurück-nehmen.

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4 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Demos sind verboten.



    Was soll das? Noch einen draufsetzen bei der Verhinderung von Grundrechten?

    Selbstverständlich sollen die Menschen demonstrieren können.



    Wer gewalttätig wird, muss sofort einkassiert werden.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Nicht alle Demos. Nur linke. Querdenken darf ja

      • @Oskar:

        Die linken Demos sind auch nicht verboten. Sie dürfen stattfinden, soweit die Teilnehmerzahl nicht 200 Personen überschreitet und die Ausgangssperre eingehalten wird.



        Die bezeichneten Querdenker-Demos waren vor der Verschärfung der Corona-Regeln. Derzeit werden sie genau so limitiert.

  • Die Demonstration "Ihre Krise, nicht auf unserem Rücken" am St Georgs Kirchhof am 30.4 um 18 Uhr konnte allerdings durchgesetzt werden

    Man sollte nicht aufgeben und es ist jetzt auch tatsächlicher Widerstand auf der Straße gefragt.



    Das versuchte vollständige Demonstrationsverbot für ein politisches Lager ist ein Anschlag auf die Demokratie und hat ganz offensichtlich nichts mit dem Infektionsschutz zu tun da Rechte auch bei wiederholten schweren Verstößen mit deutlich mehr als 200 Personen demonstrieren durften.



    Grundsätzlich sind diese Grundrechtseinschränkungen völlig inakzeptabel solange es zum Beispiel keinen Ausbau des Gesundheitssystems gibt und man noch nicht mal probiert einen anderen Weg zu gehen.