piwik no script img

Demonstrationen in MagdeburgEisenstangen und Baseballschläger

Nach mehreren Demonstrationen in Magdeburg wurde eine Gruppe Rechtsextremer zusammengeschlagen und teils lebensgefährlich verletzt.

Die „Meile der Demokratie“ in Magdeburg: ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt Foto: dpa

Magdeburg/Oschersleben epd/dpa/taz | Rund zwei Dutzend Linksautonome haben in Oschersleben bei Magdeburg vier Demonstranten aus der rechten Szene zusammengeschlagen und teils lebensgefährlich verletzt. Ein 34-Jähriger erlitt Kopfverletzungen und wurde notoperiert.

Wie das Polizeirevier Börde am Sonntag mitteilte, waren am Samstag nach ersten Ermittlungen zehn Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration in Magdeburg mit dem Zug zurück nach Oschersleben gefahren, wo 20 bis 25 Vermummte auf sie warteten. Sechs konnten fliehen, vier im Alter von 25 bis 34 Jahren wurden unter anderem mit Eisenstangen und Baseballschlägern schwer verletzt. Sie kamen ins Krankenhaus. Die Täter flüchteten. Die Polizei vermutet einen linksextremistischen Hintergrund.

In Magdeburg hatte es zuvor Demonstrationen aus Anlass des 71. Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gegeben. Neonazis hatten das Datum in der Vergangenheit immer wieder zu einem sogenannten Trauermarsch genutzt. Gut 10.000 Besucher kamen dieses Jahr zur Gegenveranstaltung, zur „Meile der Demokratie“, mit der ein Zeichen für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit gesetzt werden sollte. Rund 160 Initiativen, Vereine, Schulen und Kirchengemeinden ein Bühnen- und Kulturprogramm organisiert. Dazu gehörten auch zwölf Meilensteine als Veranstaltungsorte im ganzen Stadtgebiet.

Zudem fanden mehrere linke Demonstrationen mit bis zu 250 Teilnehmern statt. Überschattet wurde das Stadtfest von gewalttätigen Aktionen bereits am Freitag. Die Polizei sprach zum Abschluss am Samstagabend aber von einem „weitestgehend störungsfreien Verlauf“ der insgesamt 18 Veranstaltungen im Stadtgebiet. Die Polizei war mit insgesamt 800 Beamten im Einsatz.

Mit der Eröffnung der Meile begann diesmal ein Aufmarsch, der zwar aus dem Umfeld von „Magida“, einem Ableger der islam- und fremdenfeindlichen „Pegida“-Bewegung, angemeldet worden war. Bei den 230 Teilnehmern handelte es sich aber „überwiegend um rechtes Klientel“, wie ein Polizeisprecher sagte. Der rechte Marsch hatte das Motto „16.000 unvergessen“ und bezog sich auf die angebliche Todesopferzahl bei dem Luftangriff.

Ausschreitungen in Magdeburg

Der Aufzug wurde mindestens einmal blockiert. Zudem berichtete die Polizei von Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten am Neustädter Bahnhof. Dort wurden mehr als 80 Platzverweise erteilt und die Lager „mit körperlichem Zwang“ getrennt, wie es hieß.

Bereits am Freitagabend hatte es bei der Demonstration einer linken Gruppierung unter dem Motto „Schulter an Schulter gegen Faschismus und imperialistische Kriege!“ Ausschreitungen gegeben. Dabei wurden laut Polizei von teils vermummten Teilnehmern Feuerwerkskörper und Steine auf Beamte geworfen. Vier von ihnen seien leicht verletzt worden, sagte ein Sprecher.

Eine Fortsetzung der gewaltsamen Auseinandersetzungen könnte es am Sonntag in Dresden geben. In den Sozialen Medien mobilisieren rechte Gruppen für einen „Solidaritätsmarsch“ am Sonntagnachmittag in Dresden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Es dürfte unbestreitbar klar sein, dass auch unsere heranwachsenden Linken eines ganz genau kapiert haben dürften: dass sie Gewalt als konstitutives Element der bürgerlichen Gesellschaft von Anbeginn an miterleben mussten.

     

    Weil es auch immer darum geht, dass rechte Gewalt von den Staasorganen heruntergespielt und infamerweise linke Gegengewalt skandalisiert und brutal bekämpft wurde, hier zwei Zitate aus dem Stammbuch linker Lebensentwürfe:

     

    „Was zählt, und worüber man diskutieren muß, ist nicht die Gewalt, sondern ihr Sinn oder ihre Zukunft.“(aus „Humanismus und Terror“)

     

    „..es ist unsinnig, an die absolute Autorität der Gesetze und ihrer Ordnung denen gegenüber zu appellieren, die unter ihr leiden und gegen sie kämpfen - nicht für persönlichen Vorteil und aus persönlicher Rache, sondern weil sie Menschen sein wollen. ( .. ) Wenn sie Gewalt anwenden, beginnen sie keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen die etablierte „ (aus „Kritik der repressiven Toleranz“).

    ---

    Wer traute sich schon zu, dieses Thema abschließend beenden zu können?

     

    Hannah Arendts dazu etwas hilfloser Versuch hörte sich so an:

     

    "Der Grund des Staates ist das Sicherheitsbedürfnis des Individuums, das sich in einer Gesellschaft potentieller Mörder befindet. Der Staat entsteht durch Delegation von Macht und nicht von Rechten. Dadurch erwirbt er das Monopol des Tötenkönnens und gewährt als Entgelt eine bedingte Garantie gegen das Totgeschlagen werden."

     

    Von der Akzeptanz einer solchen Feststellung hält sich -(aus Schuld genau des Staates)- die militante antifaschistische Jugend soweit entfernt wie eh und jeh.

  • Evtl. könnte mal jemand, der diese Meldung verbreitet, etwas mehr Information über die Quellen bringen.

    Dort wird geschrieben, es "waren am Samstag nach ersten Ermittlungen zehn Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration in Magdeburg mit dem Zug zurück nach Oschersleben gefahren, wo 20 bis 25 Vermummte auf sie warteten."

     

    Woher hat die Polizei diese Information? Gibt es neutrale Zeugen oder haben dies die Nazis selbst behauptet? Dann sind die natürlich voll glaubwürdig. Dass der typische friedliche Nazi mit dem Zug nach Hause fährt ohne an irgendeine Form von Gewalt zu denken, wenn er dann eine Gruppe autonomer Antifaschisten sieht, ist ja selbstverständlich. Haben die evtl. die Eisenstangen selber mitgeführt? Solange die Polizei sich wohl ausschließlich auf die Aussagen der Nazis bezieht, ist diese Meldung mehr als fragwürdig.

    Und die Bezeichnung "Rechtsextreme" ist auch nicht vielsagend. Unter denen gibt es eine Menge Gewalttäter, so dass u.U. nicht nur ein Racheakt da in Frage kommt, sondern auch die Frage, ob da nicht schlimmeres verhindert wurde.

     

    Etwas mehr Hintergrund-Recherche zu den mutmaßlichen Opfern und dem Tathergang wäre schon von Vorteil, bevor man Meldungen weitergibt, die bei vielen wohl eher noch Mitleid mit Nazis hervorrufen.

    • @Age Krüger:

      Ein Szenario in dem Rechte eine zahlenmäßig überlegene Gruppe Linke überfällt, ist sehr unwahrscheinlich. Dazu sind die Rechten zu feige.

    • @Age Krüger:

      Respektlos gegenüber der Menschlichkeit!

      • @jaimie james:

        Was ist respektlos gegenüber der Menschlichkeit?

         

        Eine genauere Recherche verlangen?

         

        Halbwissen ist ja viel humaner.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Diese Gruppe Rechtsextremer tut mir jetze aber leid, in echt.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Auch Menschen mit sehr schlimmen Ansichten verdienen es nicht, mit Eisenstangen traktiert zu werden. Und die Idioten, die es getan haben, haben jetzt wieder eine Steilvorlage für Politiker gegeben, die Linke verfolgen lassen und Rechte beschützen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ja, das sehe ich genauso. Völlig inakzeptable, verbrecherische Aktion.

        Dadurch werden mit sicherheit viele Unschuldigen eingezögen, die beim nächsten Gelegenheit von "die anderen" angegriffen werden.

        Und höre bitte auf soclen Taten "aufzurechnen". Das ist GENAU den falschen Weg!!!

        Wir müssen darauf bestehen, miteinander zu REDEN.

        • @anton philips:

          "Und höre bitte auf soclen Taten "aufzurechnen"."

           

          Falls Sie meine Bemerkung weiter unten meinen. Aus dem Kontext ist eigentlich ersichtlich, dass es mir nicht um eine Aufrechnung geht.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Schwierigschwierig-?- Puhh-, sehr schwierig -so pauschal emotional dagegen aufzubegehren, wie Sie das hier gerade tun.

        Es geht ja vll. immer auch mit darum, dass gerade Polizei und Politik die Linken nie so richtig ernsthaft vor rechter Gewalt schützen wollten?

         

        Also zunächst stimmt das, was Sie hier feststellen! Aber so viel losgelassene bestialische Gewalt wie in diesem Fall hier mal wieder, erinnert doch sehr an bestialische Gewaltakte rechter Schläger (welche eben nicht nur "Menschen mit -(nur)- sehr schlimmen Ansichten" sind) an harmlose Linke, welche mitunter apolitisch-verträumt alleine oder mit nur Wenigen irgendwo unterwegs waren (z.B bunte Punks, harmlose Musiker et al). Zeitungsberichte über sowas gab´s ja immer wieder mal, zur genüge zu lesen. Nun weiß man gerade nicht, wer unter den linken Brutalschlägern möglicherweise Angehörige unter jenen linken Opfern zu beklagen und zu "rächen" hatte.-

        Insgesamt ein elendes Thema bei dem auch mir jedes Mal eine widerwärtige Gänsehaut wächst.

        • @H.G.S.:

          "Es geht ja vll. immer auch mit darum, dass gerade Polizei und Politik die Linken nie so richtig ernsthaft vor rechter Gewalt schützen wollten?"

           

          Schon. Aber solche Akte individueller Gewalt sind grundsätzlich abzulehnen, weil sie extrem schädlich sind. Sie helfen nur denen, die eigentlich bekämpft werden sollen.

        • @H.G.S.:

          Ganz simple Frage: Könnten Sie sich vorstellen Rechtsextremisten die Linke mit Eisenstangen überfallen und ins Krankenhaus prügeln durch irgendetwas (Übergriffe gegen andere Rechtsextremisten, den Eindruck der Staat sein auf dem linken Auge blind,...) zu rechtfertigen?

           

          Ich denke nicht. Ich hoffe nicht.

           

          Sie sollten sich nicht dazu verführen lassen Unrecht zu rechtfertigen nur weil es Menschen betrifft die man nicht leiden kann. Soetwas verzerrt den Gerechtigkeitssinn und verdirbt den Charakter.

          • @Questor:

            -?-"nur weil es Menschen betrifft die man nicht leiden kann."-?-

            ---

            Ich sehe nicht, dass eine solche persönliche Haltung sich aus meinem Beitrag herleiten ließe?

            Die allgemeine Einstellung der militanten- antifaschistischen Jugend zu Gewalt und Gegengewalt habe ich ja nun hier weiter oben versucht, zur Diskussion zu stellen bzw. zur -von mir aus auch- nur stillen Kenntnisnahme.

            --

            P.S.:

            Auch aufmerksamere Textanalyse würde helfen, es nicht zu Ihrer Befürchtung kommen zu lassen: "Den Gerechtigkeitssinn zu verzerren und den Charakter zu verderben."

            Glück Auf

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Aus dem Beitrag:

         

        "Die Polizei vermutet einen linksextremistischen Hintergrund."

         

        Sollte die Vermutung zutreffen, steht es demnächst vielleicht 1:1 bei der Idiotendichte beider "Seiten".

        • @571 (Profil gelöscht):

          Weiß nicht, ob ob es 1:1 steht. Da es nach einer Racheaktion für Leipzig aussieht, steht es eher 4:1 für die Rechten.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Genau meine Meinung.