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Demonstration für Hausbesetzer*innenLeipzig kommt nicht zur Ruhe

Erneut gibt es Ausschreitungen bei Protesten gegen die Räumung eines besetzten Hauses. Gegen 15 Demonstrierende wird nun ermittelt.

Gut gerüstet für den Einsatz: Polizisten auf dem Weg zur Demonstration in Leipzig-Connewitz Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Leipzig afp | In Leipzig hat es in der Nacht zum Sonntag erneut gewaltsame Proteste gegen die Räumung eines besetzten Hauses gegeben. Wie die Polizei mitteilte, warfen am Samstagabend Demonstranten im Stadtteil Connewitz Steine und Pyrotechnik auf Polizisten und Gebäude und verletzten zwei Polizeibeamte. Die Demonstration wurde aufgelöst. In der Nacht folgten weitere Spontandemonstrationen, Mülltonnen und ein Polizeiwagen gingen in Flammen auf.

An der Kundgebung unter dem Motto „Kämpfe verbinden – Für eine solidarische Nachbar*innenschaft“ beteiligten sich am Samstagabend zwischenzeitlich bis zu 500 Menschen, wie die Polizei Sonntagfrüh mitteilte. Bereits kurz nachdem sich der Protestzug in Bewegung gesetzt habe, seien aus der Menge Steine und Pyrotechnik auf Polizisten und Gebäude geworfen worden. Zwei Polizisten erlitten Verletzungen.

Der MDR berichtete, die Attacken hätten sich gegen Polizisten und Neubauten gerichtet. Wegen der Gewalt wurde die Versammlung nicht einmal eine Stunde nach ihrem Beginn aufgelöst. Hintergrund der aufgeheizten Lage ist die Räumung eines besetzten Hauses am Mittwoch im Leipziger Osten.

Nach Polizeiangaben wurden Ermittlungsverfahren gegen 15 Teilnehmer der abendlichen Kundgebungen eröffnet – wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Während des Einsatzes sei der Pilot eines Polizeihubschraubers mit einem Laser geblendet worden, sodass auch wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr ermittelt werde.

Kurz vor Mitternacht gab es laut Polizei zwei Spontanversammlung gegen die Festnahme von Demonstranten mit jeweils etwa 30 Teilnehmern. Aus Leipzig-Lindenau sei gemeldet worden, dass auf dem umzäunten Gelände des Polizeiverwaltungsamts ein Streifenwagen brenne.

Barrikaden gebaut und angezündet

Gegen 01.30 Uhr hielten mehrere Menschen eine Straßenbahn an und besprühten sie mit Graffiti. Sie bauten Barrikaden und zündeten Mülltonnen und einen Einkaufswagen an. Die etwa 150 Beteiligten hätten sich nach der Ankunft der Einsatzkräfte in die anliegenden Seitenstraßen zurückgezogen, erklärte die Polizei.

Bereits am Donnerstagabend hatte es Ausschreitungen im Stadtteil Neustadt-Neuschönefeld gegeben. Bei Protesten am Freitagabend wurden Beamte und Einsatzfahrzeuge mit Flaschen, Pyrotechnik und Steinen beworfen.

Auf mehreren Straßen wurden laut Polizei Barrikaden errichtet und angezündet. Acht Polizisten seien in der Nacht zum Samstag leicht verletzt und insgesamt sechs Polizeifahrzeuge beschädigt worden. Zudem wurde eine Polizeidienststelle mit Farbbeuteln und Steinen beworfen und beschädigt.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) kritisierte am Samstag, dass die Debatte um bezahlbaren Wohnraum „mit den Besetzungen und gewalttätigen Ausschreitungen einen schweren Rückschlag erlitten“ habe. „Man schafft keinen Wohnraum, indem man Polizisten angreift und Barrikaden anzündet“, erklärte er. „Diese Gewalt ist auf das Schärfste zu verurteilen.“

Die „so wichtige Wohnraumdebatte, die vor uns steht“, werde nun „deutlich schwerer“, kritisierte der Oberbürgermeister. „Denn zunächst muss das durch die Ausschreitungen verloren gegangene Vertrauen zurückgewonnen werden.“ Sein Dank gelte neben der Polizei auch „den beherzten Anwohnern, die versucht haben zu deeskalieren“.

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22 Kommentare

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  • Das kommt davon, wenn man die Sorgen und Nöte junger Menschen nicht ernst nimmt. Die spätrömische Dekadenz eines überkommenen Eigentums-Fundamentalismus hat in der Bevölkerung immer weniger Rückhalt.

  • Da will man wohl den Berliner Covidioten zeigen wie ne ordentliche "Demo" aussehen kann.

  • Mir fehlen da Aussagen, wie:



    „Mensch schafft keine Wohnstruktur und sozialen Frieden, indem mensch Polizist*innen Häuser gewaltsam räumen lässt", erklärte er. „Diese Gewalt ist auf das Schärfste zu verurteilen. Eigentum ist Diebstahl.“

    • 9G
      90564 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      weil in der bürgerlichen ideologie die staatsgewalt und die gewalt des kapitals keine formen der gewalt sind, gewalt ist nur, wenn man sich mit diesen gewalten anlegt

      • @90564 (Profil gelöscht):

        So sieht es aus! Klar wird herrschaftspolitisch taktiert und versucht Menschen, die sich gegen Verdrängung wehren, die Schuld zuzuschieben und diese von "braven" Bürger*innen zu spalten. Tatsächlich ist es die Politik, die Kapitalinteressen gegen Anwohner*inneninteressen durchsetzen will. Es werden politisch-wirtschaftliche Bedingungen geschaffen, die zu hohen Mieten (Verarmung und Verdrängung) und Mieteinnahmen (Bereicherung) führen. Wie so oft wird durch Ausschreitungen ein Konflikt und Verhältnisse erst als solcher sichtbar ...

        • 9G
          90564 (Profil gelöscht)
          @Uranus:

          was erwarten sie von sozialdemokrat!nnen? in berlin wird ja auch unter einem r2g-senat beispielhaft vorgeführt, "wem die stadt gehört", spdlinkegrüne-wählen ändert daran ja offensichtlich nichts im inhalt, sondern nur in der form. während ein henkel begeistert auch ohne rechtstitel (mittels physischer gewalt) räumen lässt, räumt r2g mit physischer gewalt, räumungstitel und einem bauchschmerz-spektrum (linke viel bauchschmerzen, grüne deutliche bauchschmerzen, spd leichte bauchschmerzen)

          • @90564 (Profil gelöscht):

            Eigentlich erwarte ich von denen nüscht.

            • 9G
              90564 (Profil gelöscht)
              @Uranus:

              dann lege ich auch ihnen, trotz teilweiser inhaltlicher kritik, die interkiezionale demo am 12.9.2020 um 20:00 vom wassertorplatz nah, in solidarität mit potse/drugstore, liebig, meuterei, syndikat nah, für eine starker mieter!nnen- und besetzer!nnen-bewegung, zwangsräumungen erstmal teuerer machen, bis man sie auch wieder verhindern kann ;)

              • @90564 (Profil gelöscht):

                Das klingt nach einem denkwürdigen Vorschlag ;)

                • @Uranus:

                  War wohl nicht so deutlich von mir konmuniziert: "Mir fehlen da Aussagen, wie" war nicht mit einer Erwartung an die SPD verknüpft sondern als Notwendigkeit einer solchen inhaltlichen Aussage im Diskurs gemeint.

  • Die SPD braucht den verfügbaren Wohnraum nicht, um diesen an Demonstranten zu verteilen. Sie benötigt den Wohnraum als Mittel, um ihn als zugewiesenen Wohnraum im Duktus für behördentreue Wohninteressenten zu vergeben.

  • Muss das nicht "Demonstrierthabende" heißen?

  • Connewitz steht mittlerweile für eine menschenverachtende, dekadente Selbstherrlchkeit von gewaltlüsternen AggressorInnen.

    • @Chutriella:

      Ja, die Polizeigewalt ist nicht zu tolerieren.

  • Ach, Herr Jung.

    Ich halte auch nichts davon, mit Flaschen und Steinen auf Menschen zu werfen.

    Sich aber im Jammerton auf diese ach so verwerfliche Gewalt zu konzentrieren ist auch zu billig. Fakt ist, dass auch ihre Partei viel zu lange eher auf der Seite der Miethaie war, und dass sie immer noch dem Ammenmärchen anhängt, dass erschwinglicher Wohnraum dadurch entstehe, dass man den Investoren den Hintern mit Gold pudert.

    Das Gegenteil ist der Fall: das ist lediglich eine riesige Transferleistung von denen, die rackern zu denen, die nix tun.

    "Man schafft keinen Wohnraum, indem man Polizisten angreift und Barrikaden anzündet"

    Aha. Wohnraum schaffen. Nein, wir brauchen keinen Wohnraum, sondern erschwinglichen Wohnraum. Und da hilft die unsichtbare Hand nicht.

    Wie gesagt: Steine und Flaschen auf Menschen finde ich nicht OK. Die Wut, die dazu geführt hat finde ich aber nur allzu verständlich.

    Tun Sie was, statt die Polizei dafür den Kopf hinhalten zu lassen: das ist zu bequem.

  • Demonstranten oder Demonstrierende? Warum dieser Euphemismus? Bei Rechten sagt man doch auch Randalierer oder Schläger. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit könnte der Legendenbildung entgegen treten. Mit der Wahrnehmung des demokratischen Demonstrationsrecht haben diese Ausschreitungen wenig zu tun.