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Demokratische Partei in den USAEx-Arbeitsminister wird Parteichef

Die US-Demokraten liegen am Boden, guter Rat ist teuer. Nun soll Obamas früherer Arbeitsminister Tom Perez der Partei wieder auf die Beine helfen.

Will „den schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der Vereinten Staaten“ bekämpfen: Demokraten-Chef Tom Perez Foto: dpa

Atlanta ap | Die US-Demokraten wollen mit Ex-Arbeitsminister Tom Perez an der Parteispitze den Weg aus der Krise finden. Am Samstag setzte sich der 55-Jährige bei der Wahl des Bundesvorsitzenden erst in einer zweiten Abstimmungsrunde gegen den Kongressabgeordneten Keith Ellison durch. Gewinner und Verlierer bemühten sich danach um ein Bild der Geschlossenheit. Nun gelte es für die Demokraten, gemeinsam „den schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der Vereinten Staaten“ zu bekämpfen, erklärte Perez mit Blick auf Donald Trump.

Der neue Vorsitzende des Demokratischen Nationalkomitees (DNC) muss sich nun um eine Partei kümmern, die seit der herben Schlappe von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton um eine Neuausrichtung ringt. Die Republikaner kontrollieren neben dem Weißen Haus beide Kammern im Kongress, stellen 33 von 50 Gouverneure und greifen nach einer Mehrheit von konservativen Richtern am Obersten Gerichtshof. Trotz der persönlichen Wahlerfolge von Ex-Präsident Barack Obama hatte seine Partei schon vor der Wahl im vergangenen November krachende Niederlagen einstecken müssen: 2010 verlor sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Republikaner, 2014 die Kontrolle im Senat.

In einer Rede vor der Abstimmung über den Vorsitz hatte Perez seiner Partei eine „Vertrauenskrise“ und eine „Krise der Relevanz“ bescheinigt. Die Demokraten bräuchten einen Vorsitzenden, der nicht nur Trump den Kampf ansage, sondern auch dafür sorge, dass sie mit positiven Botschaften weiter in der Debatte blieben, sagte er beim Parteitreffen in Atlanta.

Perez, ein Sohn dominikanischer Einwanderer, arbeitete früher als Bürgerrechtsanwalt. Er gilt als gewerkschaftsnah, doch nicht zuletzt wegen seiner langen Jahr im Washingtoner Politbetrieb auch als Vertreter der alten Garde der Demokraten. Um den Parteivorsitz bewarb er sich überhaupt erst auf Drängen Obamas, unter dem er zeitweise Arbeitsminister gewesen war. Auch Ex-Vizepräsident Joe Biden hatte sich für Perez eingesetzt, Obamas enge Vertraute Valerie Jarrett rief noch am Freitagabend zu dessen Gunsten bei Mitgliedern des Nationalkomitees an.

Perez' Rivale Ellison hatte die Rückendeckung vieler Liberaler in der Partei, darunter vom 2016 im Vorwahlkampf gegen Clinton unterlegenen Senator Bernie Sanders. Auch Chuck Schumer, der Minderheitsanführer im Senat, hatte sich hinter Ellison gestellt.

Lob von Obama

Nach der ersten Wahlrunde führte Perez zwar das Feld der insgesamt sechs Kandidaten an, verfehlte jedoch knapp die nötige Mehrheit. Vor dem zweiten Durchgang sprangen die anderen Bewerber ab, um ihm und Ellison den Vorzug zu geben. Perez gewann schließlich mit einem Vorsprung von 35 bei insgesamt 435 abgegebenen Stimmen. Als Geste der Eintracht machte er Ellison zu seinem Stellvertreter.

Obama lobte Perez für diese Entscheidung. Dieser werde die Partei einen und „die Vorarbeit für eine neue Generation einer Führung der Demokraten für dieses große, mutige, inklusive, dynamische Amerika leisten, das wir so lieben“, teilte der Ex-Präsident mit. Auch der liberale Sanders richtete Perez seine Glückwünsche aus, reagierte jedoch verhaltener auf dessen Sieg. Es sei nun wichtig, dass „Tom versteht, dass das Althergebrachte nicht funktioniert“, mahnte er.

Trump reagierte ebenfalls auf die Personalie der Demokraten. „Glückwünsche an Thomas Perez, der eben zum Vorsitzenden des DNC berufen worden ist. Ich könnte nicht glücklicher für ihn sein, oder für die Republikanische Partei!“, twitterte er.

Perez folgt auf die bisherige Vorsitzende Donna Brazile, die die Demokraten kommissarisch seit einer Affäre um im Wahlkampf gehackte interne E-Mails des Führungsapparats geführt hatte. Geheimdienstler sehen russische Agenten hinter den Cyberangriffen und vermuten, dass Moskau damit Trump zum Wahlsieg habe verhelfen wollen.

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5 Kommentare

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  • Postfaktische Pfeifen diese amerikanischen Demokraten.

    Bernie Sanders wurde weggemobbt von Killary. Und der - ausgerechnet der - soll's richten ?! Ironie aus.

  • Einfluß auf die Wahlkampfdynamik?

     

    Zitat: „Geheimdienstler sehen russische Agenten hinter den Cyberangriffen und vermuten, dass Moskau damit Trump zum Wahlsieg habe verhelfen wollen.“

     

    Man hätte gern gewußt, worin genau der Einfluß dieser Affäre auf den Wahlkampf bestanden haben soll. Daß Clintons Wahlkampfmanager Podesta für 200 Ts. $/Mon. im Kongreß als Lobbyist für Saudi-Arabien tätig ist, pfeifen in Washington ohnehin die Spatzen von allen Dächern. Über die 20%ige Finanzierung von Hillarys Wahlkampfbugets durch diese Monarcho-Diktatur, mit der sich Kronprinz Ben Salmane brüstete (jordanischen Nachrichtenagentur „Petra“ v. 12.6.2016), ist über die gehackten EMails offensichtlich nichts nach außen gedrungen, hätte also, ob Fake oder nicht, den Wahlkampf ebenso wenig beeinflussen können wie das Ondit, der Milliardär Trump seinerseits hätte von Rußland gigantische Summen erhalten. Insgesamt dürften sich die "Enthüllungen" in dieser Schlammschlacht per saldo in ihrer Wirkung wohl gegenseitig neutralisiert haben. Aber, wieso, zur Hölle, soll es ausgerechnet Trump die wahlentscheidenden Stimmen gebracht haben, daß die Clinton-Intrige gegen den „Sozialisten“ Sanders an die große Glocke gehängt wurde? Wie lange will man der Öffentlichkeit denn noch weismachen, die linken Sanders-Fan hätten daraufhin aus Empörung ausgerechnet ihrem Erzgegner und rechten Kotzbrocken Trump ihre Stimme gegeben? Für wie einfältig muß man das Publikum halten, um ihm einen solchen Unsinn zuzumuten?

    • @Reinhardt Gutsche:

      Gabs irgendwo Nebelkerzen im Sonderangebot oder hat sie Ihnen jemand zur Verfügung gestellt?

      Die Sache ist doch leicht zu kapieren: Clinton = Präsidentin für die 1% und kriegslüstern

      Die wollte von sich aus fast keiner. Bei jedem anderen Gegner als Trump wären max. eine Hand voll demokratische Staaten übrig geblieben.

      Sanders steht gegen die 1% und für die Bürger. Unschwer, sich auszumalen, dass er sehr gute Chancen gegen Trump gehabt hätte.

  • Ein Trump-Sieg über Sanders wäre mit Erleichterung aufgenommen
worden

     

    Die widersprüchlichen Meldungen über das politische Profil von Tom Perez auf der Klaviatur der Demokratischen Partei, v. a. in Bezug auf Sanders, ruft eine „What, if“-Spekulation in Erinnerung. Man stelle sich die Reaktion der EU-europäischen Classe politique vor, wenn das Match nicht Clinton sondern Sanders gegen Trump gelautet hätte. Vermutlich hätte auch Sanders letztlich nicht die erforderliche Zahl der Wahlmänner zusammenbekommen. Aber unterm Strich hätten dann immerhin noch mehrere Dutzend Millionen Amerikaner ihre Stimme diesem „Sozialisten“ (von der FAZ bizarrerweise mit dem Adjektiv „selbsternannt“ versehen) in voller Kenntnis seines Programms gegeben, das bekanntlich in großen Teilen tatsächlich dem ultra-liberalen Washington Consens der WASP-Eliten widerspricht und nicht nur rhetorische Show-Demagogie wie bei Trump war. Ein Trump-Sieg in dieser Konstellation wäre hiezulande mit weniger hysterischer Empörung, wenn nicht gar mit Erleichterung aufgenommen worden.

     

    By the way: Hat eigentlich Hillary Clinton dem neuen Vorsitzenden ihrer Partei zu seiner Wahl gratuliert?

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    taz schreibt "gewerkschaftsnah", the Guardian "progressive" - nichts von alldem stimmt.

    Perez ist ein Vertreter der alten korporatistischen Garde (wie Pelosi), der nicht abwarten kann, die Hand bei den donors hinzuhalten und den weiteren Ausverkauf der politischen Prinzipien zu betreiben.

     

    Die Kommentare unter dem Guardian-Artikel sprechen Bände: https://www.theguardian.com/us-news/2017/feb/25/tom-perez-democratic-chair-keith-ellison-atlanta-ballot