Demokratieförderung nach Ende der Ampel: Die Lage ist dramatisch
Das Ampel-Vorhaben sollte Demokratieprojekten finanzielle Sicherheit geben und scheiterte bislang an der FDP. Ein Verband bringt es nun wieder ins Spiel.
„Der Entwurf für das Gesetz liegt seit Monaten herum“, kritisiert Heike Kleffner, Geschäftsführerin des VBRG, im Gespräch mit der taz. „Gerade mit Blick auf die Intensität rechtsextremer Angriffe auf die Demokratie und damit auch auf die demokratische Zivilgesellschaft wäre es Aufgabe von SPD und Grünen, es endlich zur Abstimmung zu stellen – und Aufgabe aller Abgeordneter demokratischer Parteien, es noch vor Ende der Legislatur zu verabschieden.“
Viele zivilgesellschaftliche Projekte werden durch Fördermittel ermöglicht, so auch die Opferberatungsstellen. Viele davon kommen vom Bund. Eines der größten Programme, „Demokratie Leben“, ist beim Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) angesiedelt. Es förderte in diesem Jahr 700 Projekte mit 182 Millionen Euro. Auch das Auswärtige Amt, das Entwicklungs-, Justiz- oder Innenministerium fördern Zivilgesellschaft. Das Problem: Viele der Projekte sind befristet, müssen Gelder immer wieder neu beantragen. Schon in den Vorjahren fürchteten sie jedes Mal um ihre Weiterexistenz.
Mit den überraschend vorgezogenen Neuwahlen ist die Lage nun noch prekärer. Denn die Ampel hatte vor ihrem Ende noch keinen Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Bis die nächste Bundesregierung das nachholt, greift die vorläufige Haushaltsführung. Was das für beantragte und noch nicht bewilligte Projekte heißt: ungewiss.
Unsicherheit trotz Paus-Zusage
Die taz hatte berichtet, dass Paus’ Familienministerium den Initiativen in einem Schreiben zugesichert hat, ein Projektstart zum 1. Januar sei gesichert, für 2025 werde zunächst eine anteilige Zuwendung ausgezahlt. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner, die der taz vorliegt, bestätigt das Ministerium in Bezug auf „Demokratie Leben“: Beabsichtigt sei, „ausgewählten Projekten noch in diesem Jahr zunächst eine anteilige Zuwendung der für das Jahr 2025 beantragten Fördermittel zu bewilligen“.
Für Heike Kleffner ist das kein großer Trost. „Es verlängert nur die Hängepartie“, kritisiert sie. Rechtlich bindend seien solche Versprechen nicht. „Gerade für kleine Initiativen ohne große Träger im Rücken ist die Frage, ob sie ihre langjährigen Berater*innen zum 1. Januar kündigen müssen, keineswegs vom Tisch.“ Kleffner findet es „fatal“, dass die Ampel wegen der Blockadehaltung der FDP das Demokratiefördergesetz verschleppt hat. „Die Botschaft der Bundesregierung an Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt lautet: Wir kommen unserer Verantwortung nicht nach.“
Kleffner verweist auf die EU-Opferschutzrichtlinie, die Deutschland schon 2012 ratifiziert hat und die dazu verpflichtet, Beratung für Gewaltbetroffene zu finanzieren. Auch seien sich alle demokratischen Parteien in den Empfehlungen nach dem NSU-Untersuchungsausschuss einig gewesen, dass Opferberatungen nicht nur ausgebaut, sondern auch ihre Finanzierung verstetigt werden müsse.
Betroffene müssten oft jahrelang warten und kämpfen, damit Täter*innen überhaupt belangt würden. „Im Februar 2020 haben Neonazis in Bremen während eines Konzerts Brandsätze in einen alternativen Jugendtreff geworfen“, nennt sie als Beispiel. Aber erst fünf Jahre später, im Januar 2025, beginne nun der Prozess. „Die Opferberatungsstellen waren dabei kontinuierlich an der Seite der Betroffenen, die ja jederzeit damit rechnen mussten, den Tätern auf der Straße zu begegnen“, sagt Kleffner. „Jetzt fragen sie sich zu Recht: Sind unsere Berater*innen noch an unserer Seite, wenn im Januar der Prozess losgeht? Diese Menschen fühlen sich vom Rechtsstaat im Stich gelassen.“
Ähnlich argumentiert auch die Linken-Politikerin Martina Renner. „Statt mit dem Demokratiefördergesetz eine stabile Grundlage für die langfristige Arbeit zu schaffen, gilt wohl auch künftig, dass diese Arbeit von machtpolitischen Verhältnissen abhängig ist und jederzeit zerstört werden könnte“, sagt sie der taz. Das sei ein „erschütternder Beleg dafür, wie unwichtig den im Parlament vertretenen Parteien das zivilgesellschaftliche Engagement der Menschen für Demokratie und Grundrechte wirklich ist“, so Renner. „Es ist dringend notwendig, dass der kommende Bundestag diese Unsicherheit der vielen engagierten Menschen und Projekte beseitigt.“
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