Demokratie in Polen: Rückenwind für die Opposition
Ein von Präsident Duda unterzeichnetes Gesetz zielt offiziell auf russischen Einfluss. Für die PiS könnte es sich als kontraproduktiv erweisen.

A ls wir jung waren, fiel der Kommunismus in Polen und der öffentliche Raum begann sofort sich zu verändern. Die alten kommunistischen Denkmäler wurden abgerissen. Manchmal nahmen die Einheimischen ein Stück des einen oder anderen Monuments mit, so wie manche es mit der Berliner Mauer taten. Und dann begann man, neue Denkmäler zu errichten von den Helden, die nach dem Kommunismus in der kollektiven Vorstellung der Polen lebten.
So gibt es in Warschau heute Denkmäler für Józef Piłsudski, Roman Dmowski und Wincenty Witos, die Polen nach 1918 aufgebaut haben. Wie schade, dass nur Witos ein echter Demokrat war. Piłsudski war der Urheber des Staatsstreichs von 1926, nach dem Polen zu einer Autokratie wurde, und Dmowski ein überzeugter Nationalist. Für die Polen aber, die sich von der sowjetischen Besatzung lösten, gaben nicht ihre politischen Ansichten, den Ausschlag, sondern die Tatsache, dass sie einen unabhängigen Staat aufbauten.
Paradoxerweise war es Witos, der 1931 unter dem Vorwand verhaftet wurde, er habe einen Staatsstreich vorbereitet, was offensichtlich nicht stimmte. Tatsächlich ist die Bereitschaft, politische Gegner zu verhaften, bis heute ein wichtiger Bestandteil der polnischen politischen Kultur.
Ein beunruhigendes Echo des Unrechts, das an Witos begangen wurde, ist die Kommission zur Untersuchung des russischen Einflusses. Ihre Gründung wurde diese Woche im Eiltempo von Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnet. Es handelt sich um ein verfassungswidriges Gremium, das buchstäblich jede Person vorladen und für unbestimmte Zeit aus dem öffentlichen Leben verbannen kann.
PiS schürt Polarisierung
Kritiker bezeichnen es nicht umsonst als „Lex Tusk“, nach Donald Tusk, ehemals Vorsitzender des Europäischen Rates. Es ist kein Geheimnis, dass PiS-Chef Jarosław Kaczyński vor den anstehenden Parlamentswahlen in Polen einen unbequemen Konkurrenten loswerden möchte. Die PiS suggeriert seit Jahren, dass Tusk als Ministerpräsident von Wladimir Putins Russland abhängig sei, ja sogar, dass er und der russische Präsident die Smolensk-Katastrophe 2010 vorbereitet hätten, bei der der damalige Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam.
Im Jahr 2023 bietet der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine reichlich Anlass, sich im politischen Alltag vor allem auf die Sicherheit zu konzentrieren. Kürzlich wurde entdeckt, dass im Herzen des Landes, in der Nähe der Stadt Bydgoszcz, im Dezember eine russische Rakete niederging. Sechs Monate lang erfuhr niemand etwas davon, und als die Sache doch bekannt wurde, kam die Forderung nach Rücktritten in der Regierung auf. Nichts dergleichen geschah.
Stattdessen wurde die „Lex Tusk“ in Kraft gesetzt. Die geopolitische Gefahr ist unbestreitbar, und die Regierung ist damit beschäftigt, die Polarisierung zu schüren. Zeit-Kolumnist Jörg Lau wies auf das Paradoxon hin, dass PiS zwar die polnische Politik „deputinisieren“ will, gleichzeitig aber die polnische Demokratie putinisiert. Und das ist noch nicht alles. Es ist der lange Schatten der polnischen politischen Kultur der Zwischenkriegszeit, der uns gerade eingeholt hat, und mit ihm unsere eigenen Laster und langjährigen schlechten Gewohnheiten.
An diesem Wochenende findet in Warschau ein großer Marsch der Opposition statt. Er wird von Donald Tusk organisiert, und die Wahl des Datums ist kein Zufall. Die neue Gesetzgebung dürfte der Veranstaltung und der Opposition, die seit Jahren gespalten und nicht sehr ideologisch ist, Rückenwind verschaffen. Vielleicht werden die Menschen wieder den Enthusiasmus entdecken und die Hoffnung, die einst zum Fall des Kommunismus führten.
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