Demo für die Meuterei: Polizeiliche Übermacht
Eine Demo von der Meuterei bis zur Rigaer Straße wird polizeilich fast erdrückt. Am Ende kommt es noch zu Übergriffen.
Ohne Auftaktkundgebung, Lautsprecher oder Reden setzte sich der Demozug nach einer halben Stunde Wartezeit vor der Kneipe, die am Donnerstag geräumt werden soll, in Bewegung. „Wir sind unregierbar“, so die Ansage auf dem Fronttransparent, dem ein geschlossen schwarz gekleideter Block folgte, der sich nach hinten hin immer weiter aufgraute. Auch im weiteren Verlauf waren Reden oder Musik Fehlanzeige; gefragt waren die Stimmen der Teilnehmenden. Abgespult wurde das gesamte Repertoire polizeifeindlicher Slogans.
Zu Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht oder sonstigen Straftaten kam es während der zügig abgelaufenen Strecke nicht. Optisch untermalt wurde die linksradikale Szenerie durch Bengalos und Feuerwerk von mehreren Häusern in der Rigaer Straße, darunter dem ebenfalls bedrohten Hausprojekt hinter der Nummer 94. Am Frankfurter Tor, kurz vor dem eigentlichen Ende an der Warschauer Brücke, wurde der Frontblock dann plötzlich von Beamt*innen attackiert und zum Stehen gebracht.
Die allgemeine Verwirrung über den Anlass des rabiaten Aufstoppens erklärte eine heitere Stimme aus dem Lautsprecherwagen der Polizei. Demnach hatte der Anmelder die Demonstration an diesem Punkt überraschend aufgelöst, wovon ein Großteil der Teilnehmenden allerdings nichts wusste. Eingekesselt von einer Übermacht in Helmen folgten auf der Kreuzung einige Scharmützel und Ingewahrsamnahmen. Mehrmals wendeten Polizist*innen dabei unnötige Gewalt an, schlugen oder stießen Teilnehmende zu Boden.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in der Gewerkschaft Verdi kritisierte am Mittwochmorgen in einem Brief an Polizeisprecher Thilo Cablitz Angriffe auf Journalist*innen durch einen Polizeibeamten. Dieser habe etwa einen eindeutig erkennbaren Fotografen geschubst, wobei ein Teil von dessen Ausrüstung zu Bruch ging. Kurz darauf habe der Polizeibeamte dem Journalisten ins Gesicht gegriffen, die Mund-Nasen-Maske heruntergerissen und ihn in Gewahrsam genommen.
Empfohlener externer Inhalt
Die Kneipe Meuterei, seit elf Jahren ein Treffpunkt der Szene für Bier, Vorträge und Plena, soll am Donnerstag ab 8 Uhr geräumt werden. Der Hauseigentümer hatte keine Verlängerung des Mietvertrages angeboten, der vor mittlerweile fast zwei Jahren ausgelaufen ist, und die Räumung vor Gericht erstritten. Die Polizei will mit einer Versammlungsverbotszone direkte Proteste gegen die Räumung verhindern. Ab 6 Uhr rufen Linke zum Widerstand auf, vor Ort, aber auch bei dezentralen Aktionen im Stadtgebiet. Für den Donnerstagabend plant das Interkiezionale-Bündnis eine weitere Demonstration.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen