piwik no script img

Debatte um den ReformationstagDie soll meine Schaufel nicht haben!

Sachsens Ministerpräsident warnt andere Bundesländer vor der Einführung eines weiteren Feiertags. Das erinnert an Sandkastengerrangel – und lässt Fragen offen.

Solange sie hier ist, die Schaufel, gibt es kein Problem Foto: unsplash/Megan Holmes

Kinder haben einen Instinkt: Sie merken, dass am anderen Ende des Spielplatzes, da hinten, an der Rutsche, dem Klettergerüst und den drei Schaukeln vorbei, in der allerletzten Ecke, ein anderes Kind sich die grüne Schaufel gegriffen hat, die nicht ihm, sondern mir gehört. Ob dieser Ungerechtigkeit bleibt einem natürlich nicht anderes übrig, als vor Verzweiflung zu schreien, hinzurennen und dem diebischen anderen Kind ein, zwei auf die Mütze zu geben.

Zum Glück nimmt mensch aber ein paar Entwicklungsstufen, und irgendwann ist es ihm oder ihr hoffentlich egal, wer gerade mit welcher Schaufel spielt. Der Neid verfliegt einfach.

Michael Kretschmer scheint diese Entwicklungsstufen übersprungen zu haben. Anders ist kaum zu erklären, warum es ihn, den Ministerpräsidenten von Sachsen, stört, dass die BürgerInnen in der anderen Ecke Deutschlands auch am Reformationstag freihaben wollen – genau wie seine Sachsen.

Kretschmer warnte Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen davor, den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag einzuführen, denn „gesetzliche Feiertage verteuern die Arbeit in Deutschland“. Es grenze an „Übermut“, wenn angesichts der wachsenden internationalen Konkurrenz deutschen Unternehmen neue Belastungen aufgeladen würden, sagte Kretschmer der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Zur Einordnung: Die vier Nordländer haben jeweils neun gesetzliche Feiertage, Sachsen hat elf. Unter anderem eben­jenen Reformationstag. Warum aber will Kretschmer diesen Tag nicht mit anderen teilen? Und warum schadet ein freier Tag im Norden der deutschen Wirtschaft, ein freier Tag in Sachsen aber nicht? Zählt Kretschmer Sachsen schon nicht mehr zu Deutschland? Oder muss sich die sächsische Wirtschaft nicht der internationalen Konkurrenz stellen? Und warum hält Sachsen ob der schlimmen Bedrohung durch die internationale Konkurrenz exklusiv am Buß- und Bettag fest?

So viele Fragen, die wir Michael Kretschmer stellen wollen, aber, Moment, da drüben hat doch gerade jemand unsere Schaufel …

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Schade, dass der Artikel als ERklärung für die Äußerung Kretschmers nicht mehr zustandebringt als ein paar süffisante Fragen. Also: Warum sagt Kretschmer das wirklich?

     

    Zwei Möglichkeiten:

     

    1. Er meint's gut, sieht welchen volkswirtschaftlichen Schaden die vielen Feiertage in Sachsen anrichten, und möchte die Nordländer davor warnen. Er würde den Reforamtionstag auch gerne für Sachsen abschaffen, kann aber nicht, weil der Souverän lieber einen Tag mehr bläut. Also rät er denen, die den - demokratisch leichteren - Schritt der Einführung eines zusätzlichen Feiertages noch nicht gegangen sind, davon ab.

     

    2. Er meint's böse und sieht in Wahrheit die zusätzlichen Feiertage in Sachsen als Standortvorteil, weil sie die Work-Life-Balance verbessern. Sachsen könnte seine besondere Attraktivität für fähige Arbeitnehmer auf dem (mit BaWü und Saarland geteilten) Platz 2 der Blaumacher verlieren, wenn andere Länder nachziehen. Also redet er Feiertage schlecht.

     

    Ich will keine der beiden ausschließen, aber Nr. 1 erscheint doch deutlich plausibler.

  • Sachsen zahlen einen höheren Beitrag an die Pflegeversicherung. Vielleicht will er das für alle?

    • @Energiefuchs:

      Dafür arbeiten die Norddeutschen am Buß- und Bettag. Sachsen selbst hat den Reformationstag, da ist eine bodenlose Frechheit den Norddeutschen diesen tag versagen zu wollen. Hält sich dieser Mensch für etwas besseres? Er sollte erst einmal das Problem mit den Rechtsradikalen in seinem Land in den griff bekommen, bevor er sich in Angelegenheiten einmischt die ihn nicht das geringste zu interessieren haben. Die Hand aufhalten im Länderfinanzausgleich und fordern - unverschämter kann man kaum auftreten.

  • Urlaub kann nicht mit Feiertag gleich gesetzt werden.

     

    Urlaub ist eine Abmachung mit einem Betrieb und keine Garantie auf X freie Tage.

     

    Feiertage ermöglichen das sich Treffen von Familien, Freunden, Bekannten außerhalb der betrieblichen Zwängen verbundenen Vergabe von Urlaubstagen. Urlaub statt Feiertage trägt bei zum Zerbrechen sozialer Beziehungen,

     

    Urlaub kann der Ausübung von "Religion" entgegenstehen. Bei Urlaub entscheidet der "Chef" über freie Zeiten.

  • Wenn man die Feiertage abschafft, dann befindet man sich in bester Nachbarschaft von Margaret Thatcher und ihren bank holidays.. Also nicht den Sachsen vorwerfen, dass sie nicht über den Tellerand gucken können, sondern am eigenen Provinzialismus arbeiten, würde ich empfehlen. Die Feiertage besitzen den Vorteil, dass sie verpflichtend sind.

     

    Urlaub darf für fast 40% der Arbeitnehmer nur dann genommen werden, wenn es dem Arbeitgeber passt. Das vergessen natürlich satte Spießer, die nicht in dem für die BRD typischen Niedriglohnsektor tätig sind.

     

    Vegan schützt nicht vor neoliberal und vor Kleingeisterei, es sei denn hier will wieder jemand seinen Frust gegenüber den Kirchen abladen.

     

    Sachsen hat sich wie die anderen neuen Bundesländer die meisten Feiertage unter den Nagel gerissen. Man ist ja so christlich - nach über 40 Jahren Zugehörigkeit zur SED.

  • Auf keinen Fall eine weitere öffentliche Feier von Martin Luther.

    für die sofortige Umbenennung der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale!

     

    Dem Vorschreiber möchte ich mich anschließen:

    Viel gerechter wäre es alle Religiösen Feiertage abzuschaffen und die Anzahl der Tage dem Mindesturlaubsanspruch hinzuzufügen.

    • @nzuli sana:

      Kommen Sie aus Niedersachsen? Ich bin hier geboren. Es passt kein Tag besser als der Reformationstag - im letzten Jahr waren die Kirchen rappelvoll und: es wäre abstruss wenn alle anderen Nordländer den Reformationstag hätten und wird z. B. den 6. Januar. Warum wollen Leute aus anderen Gegenden oder anderer Konfession uns Nordlichtern vorschreiben, was wir zu tun haben. Der "Herr aus Sachsen" setzt dem ja die Krone auf.

  • Viel gerechter wäre es alle Religiösen Feiertage abzuschaffen und die Anzahl der Tage dem Mindesturlaubsanspruch hinzuzufügen.

     

    Auf diese Weise würde jeder profitieren: junge Leute die mit Religion eh nicht viel am Hut haben, Religiöse egal welcher Religion könnten trozdem frei machen und ich könnte meinen Jahresurlaub um eine Woche verlängern...

    • @Klappstuhl:

      Da wären die Arbeitgeber sofort dabei, denn das ist ja kein Tausch 1:1.

       

      Dann muss man Geschäfte nur noch am Sonntag schließen. Für alle die an Feiertagen arbeiten müssen, würden die Zuschläge wegfallen, die auch noch steuerfrei sind, außerdem hat man Anspruch auf einen Ersatzruhetag.

       

      Außerdem ist die Entspannung an Feiertagen eine ganz andere als am Urlaubstagen. An Urlaubstagen arbeiten die Kollegen und Kunden, man bekommt also trotzdem Mails und Anrufe, an Feiertagen ist das eine absolute Ausnahme.

      • @Sven Günther:

        @Dann muss man Geschäfte nur noch am Sonntag schließen.

         

        Und? Es gilt nach wie vor die gesetzliche Wochenarbeitszeit von 40h.

         

        @rest

         

        Es ging mir eigentlich nur um die Religiösen Feiertage.

    • @Klappstuhl:

      Ein beliebter gedanklicher Kurzschluss. Unaghaengig davon, wofuer die Feiertage stehen, sind bundesweite Feiertage wichtig, weil man so gemeinsame Feste mit Familie oder Freunden ohne Koordinationsaufwand organisieren kann, was mit dem Jahresurlaub nicht immer ohne weiteres moeglich ist.

  • alle religiösen Feiertage streichen, dafür als ausgleich 2-3 Tage mehr Urlaub

    • @danny schneider:

      Zwischen 9 und 11 Feiertage streichen und dafür 2-3 Tage mehr Urlaub?

      Haben sie eine Rechenschwäche oder sind sie Arbeitgeber?

      • @Andreas J:

        nö habe ich nicht, da zusätzliche Urlaubstage nie aufs Wochenende fallen... Statistisch sind nie alle gesetzlichen Feiertage eines Jahres Arbeitstage.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...für was gibt es Urlaub?!

  • Wenn dieser Herr seine Argumentation ernst nimmt, sollte er dafür sorgen, dass die Feiertage in Sachsen weniger werden. Oder warum schaut er zu, wie die Arbeit in Deutschland, in seinem eigenen Handlungsbereich verteuert wird?

    • @emanuel goldstein:

      Weil Sachsen nach Berlin und NRW am meisten aus dem LFA kassiert, mit ner Milliarde pro Jahr extra, regiert es sich gleich besser.