piwik no script img

Debatte um Sexismus bei „Hart aber fair“Wenn die Quotenfrauen sprechen

Jede Gesellschaft braucht ihre Alibi-Repräsentant*innen, für die Probleme nicht so schlimm sind. Talk-Shows wie „Hart aber fair“ spiegeln das wider.

Sprechen nicht für sich, sondern als Frauen: Die Gäste Lisa Ortgies (l.) und ihre Kontrahentin Monika Frommel Foto: WDR/Oliver Ziebel

Bereits von einigen Wochen, als der französische Filmstar Catherine Deneuve mit etwa 100 Kolleginnen in einem offenen Brief forderte, unbeholfen „flirtende“ Typen nicht als Sexualstraftäter anzuprangern, kristallisierte sich heraus, dass so etwas wie eine einheitliche Frauengemeinschaft gegen sexistische Strukturen nicht existiert. Manche sprechen sich in Solidarität zueinander aus, andere schützen komplizinnenhaft das System, das auch ihnen schadet.

Montagabend zeigte die Kriminologin und Juristin Monika Frommel in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ erneut, dass Identität und politische Haltung nicht immer miteinander einhergehen. Als Paradebeispiel für Tokenism war sie in Frank Plasbergs Runde – bestehend aus der SPD-Politikerin Katarina Barley, der Fernsehmoderatorin Lisa Ortgies, dem Intendanten des Saarländischen Rundfunks Thomas Kleist und dem Chefredakteur des ZEIT-Magazins Christoph Amend – die einzige Gegnerin des medialen Umgangs mit den Gewaltvorwürfen an Dieter Wedel. Ausgerechnet eine Frau in die Kontra-Rolle zu bringen, ist keine neue, wenn auch wirkmächtige Strategie.

Was Tokenism ist und wie es funktioniert, erklärt Azadê Peşmen im Missy Magazine mit einem Beispiel für antimuslimischen Rassismus: „In deutschen Talkshows vertreten oft diejenigen, die über Themen wie ‚den‘ Islam™ sprechen, ‚zufällig‘ dieselben Positionen wie die Mehrheitsgesellschaft.“ Eine adäquate deutsche Übersetzung für den Begriff Token gäbe es nicht, aber „Quoten-“, zum Beispiel „Quoten-Schwarze“ oder „Alibi-Kanake“ kämen dem nahe.

Als einzeln herausgepickte Personen aus marginalisierten Communities oder diskriminierten Gesellschaftsgruppen sprechen sie niemals für sich als Individuen, sondern für eine ganze Gruppe. Dass es innerhalb dieser unterschiedliche Haltungen gibt, spielt plötzlich keine Rolle mehr. Solange diese Person das diskriminierende Verhalten der Dominanzgesellschaft legitimisiert und als „in Ordnung“ abnickt, gelten ihre Aussagen als repräsentativ.

„Manche Tokens entscheiden sich ganz bewusst für ihre Rolle, etwa aus Publicity- und/oder Karrieregründen, andere stecken in ihrer Ich-bin-die-Ausnahme-Rolle fest und merken es nicht“, schreibt Peşmen weiterhin. „Die Verantwortung, die eigene Sprecher*innenrolle und ihre Auswirkungen zu hinterfragen, tragen aber alle.“

Stichwort: Wedel

In genau dieser Rolle befand sich Monika Frommel also in der Talk-Show. Frommel prangerte an, dass der Fall Dieter Wedel nicht vor Gericht, sondern in der Presse verhandelt werde. Dass die Zeit-Redaktion Wedels Gegenstandpunkt so ernst genommen hat wie die Aussagen der Betroffenen und somit journalistisch sauber gearbeitet hat, ändere für sie nichts an dem „Scherbengericht“ des Falles. Die Frauen hätten sich halt schon früher dazu äußern sollen und überhaupt, in den 80ern war alles viel schlimmer, heute gäbe es tolle Hilfsangebote für Betroffene sexualisierter Gewalt. Und Deutschland sei verdammt noch mal nicht Hollywood, bei uns sei das nicht so schlimm mit dem Sexismus.

Mit einer solchen Haltung ist sie nicht allein: Erst einige Tage zuvor erfüllte Svenja Flaßpöhler, die Chefredakteurin des Philosophie Magazins, ebenfalls die Rolle der Kontrahentin von #metoo und dem offenen Dialog über sexualisierte Gewalt. „Jegliche Verführung ist in Gefahr als sexuelle Gewalt wahrgenommen zu werden“, sagte sie schließlich.

Wären diese Worte aus dem Mund eines Typen gekommen, hätte man ihn wohl verächtlich für seine billige Täter-Opfer-Umkehr ausgelacht. Doch wenn es französische Schauspielerinnen, eine Rechtswissenschaftlerin oder eine Philosophin sind, kann eine sexistische Gesellschaft solche Aussagen zur Rechtfertigung instrumentalisieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • "[...]Frommel prangerte an, dass der Fall Dieter Wedel nicht vor Gericht, sondern in der Presse verhandelt werde[...]". Tatsächlich ist das doch auch ziemlich fragwürdig. Jemand wird öffentlich beschuldigt, dies oder das getan zu haben. Und von da an gilt er als schuldig. Ich wäre dankbar, wenn sich mal jemand kompetent zu diesem Punkt äussern könnte, nämlich : Vorverurteilungen in der Öffentlichkeit. Kein juristisches Urteil wird in der Folge den Schaden mildern, den der womöglich falsch beschuldigte erlitten hat. Vielleicht wurde das aber in der Sendung behandelt. Ich hab sie nicht gesehen.

  • Es ist der mediale Kampf, der auch von der taz gerne geführt wird. Es werden einzelne Repräsentant_innen ausgewählt, die die gewünschte Meinung vertreten. Mit "Quotenfrau" hat dies nichts zu tun und ist eher eine Überschrift nach Bildzeitungsniveau bzw. heute nennt sich das Clickbait.

    Bei Licht gesehen ist es eine sexistische Herabwürdigung von anderen Meinungen.

  • Frau Frommel ist ja nun scheinbar Juristin. Schonmal auf die Idee gekommen, dass sie sich möglicherweise als Juristin geäußert haben könnte, und nicht ausschließlich als Frau?

    Es soll ab und zu Frauen geben, deren Geschlechterrolle ihre Persönlichkeit nicht komplett dominiert.

    Und als Juristin konnte sie sich überhaupt nicht anders äußern - wie übrigens einige andere Juristen auch, aber denen wird ja vorzugsweise nicht zugehört. Wie auch die rudelweise vorgetragenen und als solche längst entlarvten falschen Vorwürfe sexueller Gewalt der letzten paar Jahre (Türck, Brüderle, Kachelmann, Lohfink...) natürlich nichts mit der aktuellen Diskussion zu tun haben. Aber dermaßen was von garnix.

    Weil heute sind ja sämtliche von wem auch immer geäußerten Vorwürfe die reine Wahrheit, nichts als die Wahrheit und direkt von der Göttin diktiert. Genau.

  • "Als einzeln herausgepickte Personen [...] sprechen sie niemals für sich als Individuen, sondern für eine ganze Gruppe. "

    Das ist schon tragisch-komisch. Denn was hier (nicht zu Unrecht) als problematisch beschrieben wird, ist genau das, was u.a. die Autorin macht: Menschen immer als Repräsentation einer Gruppe und weniger als Individuen sehen.

  • Ist das eine Selbstbeschreibung? So weiß wie die Redaktion der taz ist, müssen Sie sich doch auch als Quoten-wasauchimmer sehen.

     

    Lassen Sie sich nicht zerfressen.

  • Verführung in Gefahr?

     

    Was hat das mit romantischer Verführung zutun, wenn jemand eine Frau ungefragt anfasst? Wenn jemand eine Frau zu seiner nächsten "Haushälterin für umsonst/Mutti" einziehen möchte? Wenn jemand seine Kollegin auf ihre "Reize" reduziert? Wenn jemand nicht kapiert, dass auch die tausenste Erwähnung über das tolle Lachen, schöne Augen etc. viele Frauen gehörig nervt! Liebe Herren (aber auch manche Dame!) Verführung geht anders:

    1. Es gibt mehr als ein paar Millionen Frauen in Deutschland. Man muss sich nicht unbedingt an "die Eine" heften. Niemand -es sei denn man möchte oder hat verquerte Vorstellungen- stirbt als Jungfrau.

    2. Unter diesen Frauen gibt es mindestens eine, die von ganz alleine auch an deinen Interessen interessiert ist.

    3. Es stimmt der Alte Mythos: Die inneren Werte zählen. Wenn du gerne Games daddelst wie blöd, dann such dir keine Sportfanatikerin nur weil ihr Ars** geil ist.

    4. Passt alles, kann man die Dame auch mit einer Lan-Party, mit einem Fußballspiel oder einer Trekkingtour verführen.

    Es sei denn, beide sind auf eine schnelle Nummer aus: Dafür gibt es aber gewisse Kneipen und Tinder. Bitte nicht der Alltag des anderen.

     

    Ps: Guter Beitrag, Hengameh Yaggoobifarah.

  • Verführung in Gefahr?

     

    Was hat das mit romantischer Verführung zutun, wenn jemand eine Frau ungefragt anfasst? Wenn jemand eine Frau zu seiner nächsten "Haushälterin für umsonst/Mutti" einziehen möchte? Wenn jemand seine Kollegin auf ihre "Reize" reduziert? Wenn jemand nicht kapiert, dass auch die tausenste Erwähnung über das tolle Lachen, schöne Augen etc. viele Frauen gehörig nervt! Liebe Herren (aber auch manche Dame!) Verführung geht anders.

    1. Es gibt mehr als ein paar Millionen Frauen in Deutschland. Man muss sich nicht unbedingt an "die Eine" heften. Niemand -es sei denn man möchte oder hat verquerte Vorstellungen- stirbt als Jungfrau.

    2. Unter diesen Frauen gibt es mindestens eine, die von ganz alleine auch an deinen Interessen interessiert ist.

    3. Es stimmt der Alte Mythos: Die inneren Werte zählen. Wenn du gerne Games daddelst wie blöd, dann such dir keine Sportfanatikerin nur weil ihr Hintern geil ist.

    4. Passt alles, kann man die Dame auch mit einer Lan-Party, mit einem Fußballspiel oder einer Trekkingtour verführen.

    Es sei denn, beide sind auf eine schnelle Nummer aus: Dafür gibt es aber gewisse Kneipen und Tinder. Bitte nicht der Alltag des anderen.

     

    Ps: Guter Beitrag, Hengameh Yaggoobifarah.

  • "... die Rolle der Kontrahentin von #metoo und dem offenen Dialog über sexualisierte Gewalt. ..."

    "... die Rolle der Kontrahentin von #metoo und DES offenen DialogS über sexualisierte Gewalt. ..."

    • @Heinrich Ebbers:

      1. Über Grammatik sollten Sie erst nach mehrmaligem Nachdenken äußern. „von“ regiert den Dativ und ist hier völlig in Ordnung; Ihr Vorschlag wäre einfach eine andere Art der Formulierung.

      2. Einen Beitrag wegen eines vermeintlichen sprachlichen Fehlers statt wegen seines Inhaltes zu kritisieren, ist ja so was von daneben. Den Inhalt zu ignorieren ist in diesem Zusammenhang sexistisch, und die Sprachkritik rassistisch.

      3. Danke, Hengameh, und jetzt zotteln wahrscheinlich gleich wieder alle Trolls los, die nicht verstehen mögen, dass Flirten halt nichts mit Grenzenignorieren zu tun hat.

      • @Gilbert:

        Klugscheißerei mit Sexismus und Rassismus gleichzusetzen - Sie sind auch nicht besser als der von Ihnen Kritisierte.