Debatte um Schiedsrichter*innen: Für gleiche Rechte an der Pfeife
Es gibt Forderungen, Männer bei Spielen der Frauenbundesliga als Schiedsrichter einzusetzen. Gute Idee, wenn man sie zu Ende denkt.
D ie Männer können es besser. Nein, so wird es der Sportdirektor des Frauenteams vom 1. FC Nürnberg schon nicht gemeint haben. Jener Osman Cankaya hatte nach einer Fehlentscheidung von Schiedsricherin Nadine Westerhoff beim Bundesligaspiel von Werder Bremen gegen Nürnberg gefordert, dass künftig auch Männer Frauenspiele pfeifen sollen. Westerhoff hatte ein Handspiel gesehen, wo keine Hand im Spiel war, auf den Elfmeterpunkt gezeigt und so die 0:4-Niederlage Nürnbergs eingeleitet. Cankayas Botschaft nach dem Spiel war dennoch eindeutig: Die Frauen können es nicht.
Zu Recht verwahrte man sich beim DFB vor derartigen Pauschalurteilen. Und zur Geschichte des sogenannten Witzelfmeters von Bremen gehört schließlich auch, dass es in der Frauenliga keinen Videobeweis gibt. Weil ja gerade alle vom Superspitzenspiel in der Männerbundesliga zwischen Bayer Leverkusen und Bayern München sprechen, sei hier noch einmal an deren Aufeinandertreffen im März des vergangenen Jahres erinnert.
Da wollte Schiedsrichter Tobias Stieler gleich zweimal einen Leverkusener bei einer Schwalbe im Bayernstrafraum erwischt haben. Der Videoschiri hat es beide Male anders gesehen und es gab Elfmeter für Leverkusen. Männer können es einfach nicht. Nein, so einen Unsinn hat damals niemand gesagt. Natürlich nicht.
Gefeierte Ausnahmen
Natürlich können Frauen ebenso gut Spiele leiten wie Männer. Das haben die wenigen Vorzeigeschiedsrichterinnen, die es auch im Männerfußball ganz nach oben geschafft haben, unter Beweis gestellt. Bibiana Steinhaus-Webb hat bis 2013 regelmäßig Spiele der ersten Männerbundesliga gepfiffen, und die Französin Stéphanie Frappart hat vor gut einem Jahr in Katar als erste Frau ein Spiel bei einer Männer-WM geleitet.
Beide gelten als Musterbeispiele dafür, wie es Frauen in die Welt des Männerspiels geschafft haben. Gefeiert worden sind sie, weil das, was sie geschafft haben, alles andere als der Norm entsprochen hat. Die besagt: Frauen pfeifen Frauenspiele, Männer die der Männer.
Eine Geschichte der Gleichberechtigung sind die Erfolge dieser beiden Vorzeigeschiedsrichterinnen gewiss nicht. Die gäbe es erst, wenn die besten Männer auch Frauenspiele pfeifen würden. Und genau dahin muss der Weg gehen, an dessen Ende die Verbände für Spiele ihrer Männer- und Frauenligen auf einen quotierten Schiripool zurückgreifen können, zu dem ebensoviele Männer wie Frauen gehören.
Meist nur Männer, die aufsteigen
Wäre ein solches Ziel einmal formuliert, dann gäbe es auch für Frauen an der Pfeife eine echte Karriereoption. So wie es jetzt läuft, sind es eben doch meist nur Männer, die aufsteigen können in jene Gruppe der deutschen Edelschiedsrichter, die Spiele der ersten und zweiten Bundesliga leiten.
Es sei so schwer, heißt es immer wieder von Seiten des DFB, Mädchen an die Pfeife heranzuführen. Aber vielleicht würde sich ja mehr weiblicher Nachwuchs für das Schiriwesen interessieren, wenn es dereinst einmal die reale Möglichkeit gäbe, in den Kreis der 40 Bundesliga-Unparteiischen aufzusteigen, die zu einem Grundgehalt von bis zu 70.000 Euro für jedes geleitete Erstligaspiel 5.000 Euro erhalten. Damit das funktioniert, muss für eine Spielleitung bei den Frauen natürlich genau so viel gezahlt werden.
Bis es einmal so weit ist, sollte ruhig der eine oder andere Mann aus dem Kreis der erlauchten Männerbundesligarefs mal ein Spiel der Frauenliga pfeifen – so ganz ohne Unterstützung aus dem Videoüberwachungsraum. Leute wie Nürnbergs Sportdirektor Osman Cankaya würden schnell merken: Auch Männer pfeifen Witzelfmeter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren