Debatte um Risikotechnologie: Dänemarks Opposition will Atomkraft-Verbot kippen
Auch Teile der Regierung zeigen sich dafür offen. Die Energiebehörde sagt aber: Das Land schafft die Energiewende auch ohne AKW.

Seit 1985 – also noch vor der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl – schließt das Gesetz die Berücksichtigung von Atomkraft in der dänischen Energiepolitik aus. Es entstand vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Sorge vor der radioaktiven Gefahr.
Der Widerstand in der dänischen Bevölkerung hat aber inzwischen offenbar nachgelassen. Laut einer Umfrage im Auftrag des schwedisch-dänischen Atomkraft-Lobbyisten „Kärnfull Energi“ würden 55 Prozent der Befragten „Ja“ sagen, wenn es jetzt eine Volksabstimmung für den Bau von Kernkraftwerken in Dänemark gäbe. 27 Prozent wären dagegen, 18 Prozent antworteten mit „Weiß nicht“, wie der Sender TV2 berichtete.
Die Debatte verhandelt – ähnlich wie in Schweden – nicht mehr vorrangig die radioaktive Gefahr, sondern vor allem ökonomische und technische Fragen: Lohnt es sich finanziell, auf Atomkraft zu setzen, wie wäre es praktisch umsetzbar?
Atomkraft laut Energiebehörde nicht nötig
Die treibenden Kräfte der dänischen Opposition – von der marktliberalen Liberalen Allianz über die Konservativen bis zu den rechtspopulistischen Dänemarkdemokraten und der Dänischen Volkspartei – sehen ihre Stunde gekommen, das herauszufinden.„Wir wollen das Eisen schmieden, so lange es heiß ist“, erklärte am Montag Steffen Frølund, Klimasprecher der Liberalen Allianz, warum die bürgerliche Opposition der Verbotsaufhebung nun bald eine Fragestunde mit Debatte im dänischen Parlament widmen will.
Das Eisen ist besonders heiß, nachdem der Venstre-Vorsitzende (und dänische Außenminister) Troels Lund Poulsen am Samstag den Standpunkt seiner Partei klargemacht hat. Der gleicht nun dem anderer Kernenergie-Befürworter: „Atomkraft ist eine grüne Energiequelle, die bereits eine große Rolle im europäischen Energiesystem spielt“, sagte Lund Poulsen laut dem dänischen Rundfunk DR.
Die Welt brauche Atomkraft zum Erreichen der Klimaziele und für eine stabile Energieversorgung, argumentierte er mit Blick auf die alte Abhängigkeit von russischem Gas.
Bei den Moderaten klingt es etwas gemäßigter. Sie seien offen dafür, Atomkraft mit Wind, Sonne und Biomasse konkurrieren zu lassen. Vor einem Beschluss müsste aber mehr Klarheit über die Folgen herrschen, vielleicht untersucht von „klugen Köpfen“ in einer Atomkraft-Kommission, sagte der energiepolitische Sprecher Henrik Frandsen dem Sender TV2.
Die dritte und größte Regierungspartei, die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, bleibt hingegen skeptisch: Aus ihrer Sicht hat das dänische Energiesystem bereits die besten Voraussetzungen mit seinem Fokus auf Sonnen- und Windenergie. Und die reichten mit Biomasse als Reserve aus für die eine sichere Energieversorgung, zu dem Ergebnis kommt laut einem DR-Bericht regelmäßig die dänische Energiebehörde.
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