piwik no script img

Debatte um NachtragshaushaltLindner verteidigt Schulden-Trick

Die neue Bundesregierung will Geld, das für den Kampf gegen Corona geliehen wurde, für Klimaschutz ausgeben. Die Opposition gibt sich entrüstet.

Christian Lindner am Donnerstag im Bundestag Foto: Annegret Hilse/reuters

Berlin dpa/afp | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat den geplanten Nachtragshaushalt als notwendige Unterstützung für die Konjunktur verteidigt. „Nicht nur die Menschen benötigen einen Booster, auch die wirtschaftliche Entwicklung“, sagte er am Donnerstag in der ersten Bundestagsdebatte über den Nachtragsetat. Union und AfD warfen der Ampel-Koalition vor, sich mit Tricksereien an den grundgesetzlichen Vorgaben der Schuldenbremse vorbei zusätzliches Geld zu beschaffen.

Die Ampel-Fraktionen beschuldigten vor allem die Union am Donnerstag daraufhin der Heuchelei und des Opportunismus. Anfang des neuen Jahres soll darüber im Parlament abgestimmt werden.

Der Finanzminister will für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung 60 Milliarden Euro umschichten, die wegen der Corona-Krise 2021 als Kredite genehmigt waren, aber nicht aufgenommen wurden. Sie sollen in einem Klima- und Transformationsfonds sozusagen auf die hohe Kante gelegt werden, damit sie nicht verfallen, sondern auch in den kommenden Jahren noch nutzbar sind.

Die Opposition hält den Schachzug für verfassungswidrig, weil Geld, das zur Bekämpfung der Corona-Krise genehmigt war, für Klimaschutz und andere Vorhaben genutzt werden soll. „In einer wundersamen Wandlung werden Corona-Kredite zu Klima-Krediten“, kritisierte Unions-Haushälter Christian Haase am Donnerstag. „Es ist doch offensichtlich, dass Sie die Schuldenbremse mit diesem waghalsigen Manöver aushöhlen“, warf er Lindner vor und fügte hinzu: „Ich halte diesen Nachtragshaushalt für verfassungswidrig. Ich halte diesen Nachtragshaushalt für den Anfang vom Ende der Schuldenbremse. Und das wird mit Ihrem Namen verbunden sein.“

SPDler wirft Union „Heuchelei“ vor

Die Unionsfraktion will den Haushalt vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. Auch AfD und Linke halten ihn für verfassungswidrig. Die Linken-Haushälterin Gesine Lötzsch fragte, warum das Geld im laufenden Jahr nicht genutzt wurde – etwa für Impfstoffe, Luftfilter oder Pflegekräfte. „Die alte Regierung war unfähig und unwillig, dieses Geld sinnvoll auszugeben“, sagte sie.

Lindner verteidigte die Milliarden-Umschichtungen. „Mitnichten geht es darum, allgemeine Projekte der Ampel-Koalition zu finanzieren“, betonte er. Er gebe die klare Zusage, dass das Geld nur verwendet werde, um Folgeschäden der Corona-Pandemie abzufedern. Durch die Krise seien zuletzt viele Investitionen nicht möglich gewesen, die jetzt dringend nachgeholt werden müssten. „Wir dürfen durch die Pandemie nicht auch noch Zeit bei der Transformation verlieren“, betonte Lindner.

Politiker von Grünen und SPD lenkten den Blick auf den Haushalt des vergangenen Jahres. Damals habe die schwarz-rote Bundesregierung auch Mittel in den Fonds umgeschichtet – und die Union habe dies sogar noch als Vitaminspritze bezeichnet. Wenn sie jetzt dagegen klage, sei das „keine redliche Haushaltspolitik, das ist Heuchelei“, sagte der Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. Er betonte, die Kredite seien unter anderem zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und zur Stabilisierung der Volkswirtschaft genehmigt worden – und genau dafür sollten sie jetzt eingesetzt werden.

Der SPD-Haushaltspolitiker Dennis Rohde warf der Union vor, sich „aus Opportunismus zum Kämpfer gegen den Wohlstand in diesem Land“ zu machen. Jetzt nicht zu handeln, würde den Aufschwung massiv gefährden.

Unmittelbar vor der Debatte hatte bereits der neue Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der CDU-Politiker Helge Braun, den Nachtragshaushalt scharf kritisiert. Die Union mache sich große Sorgen. „Denn das ist schon ein sehr grundsätzlicher Bruch mit der Haushaltssolidität in Deutschland, den wir da gerade erleben“, sagte er im Deutschlandfunk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Selbst in der Opposition bremst diese "Union" mit allen Kräften, überall wo es nur geht. Wenn dieses Land je zukunftstauglich wird, dann nur trotz der Union, niemals wegen ihr.

    • @Annette Thomas:

      Woran wollen Sie den Ihre Aussage festmachen? Die Regierung will ja erst im kommenden Jahr mitteilen, wofür das Geld überhaupt verwendet werden soll. Wer kann heute also schon sagen, dass das Geld "zukunftstauglich" verwendet werden wird.

      Wieso macht präsentiert die Regierung nicht zuerst einen Ausgabenetat, begründet den Coronazusammenhang und macht dann erst einen Haushalt / Nachtragshaushalt?

  • Weshalb muss das Geld in irgendeinen Schattenhaushalt ohne jegliche parlamentarische Kontrolle geschoben werden?

    Wenn man die angeblichen Bedarfe jetzt sieht kann man doch die entsprechenden Hilfsprogramme auflegen und gut ists.

    Wenn man der Meinung ist, dass die Zeit bis zum Jahresende nicht ausreicht, dann beschließt man halt im kommenden Jahr erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremse, alles kein Problem.

    Jetzt entsteht halt der Eindruck, dass die zukünftigen und dezeit vollkommen unbestimmten Ausgaben nix mit Corona zu tun haben.

    Damit läge in doppelter Hinsicht ein Bruch der Verfassung vor.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Was hat der Christian die Wähler an der Nase durch die FDP-Manege geführt.

  • Den Widerspruch der Union verstehe ich, sie ist jetzt in der Opposition, da ist ja klar dass man Sachen die man letztes Jahr selbst gemacht hat, doof finden muss.



    Der Widerspruch der AfD ist vorprogrammiert, die findet ja alles Scheiße was die Regierung macht.



    Den Einwand der Linken, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.



    Warum wurde das Geld nicht verwendet für Luftfilter, Pflegekräfte oder Impfstoffe? Die Frage ist berechtigt.



    Was mich aber noch mehr intressieren würde, was hätte Chrischi Lindner gesagt, hätte eine Finanzminister Merz einer rotgeführten GroKo diesen Trick versucht?

    • @derSchreiber:

      die Linken haben doch Recht,



      bevor man Schattenhaushalte macht, macht man Schulden. Heute im Radio: Bundesschatzbriefe mit neg. Zinzen, d.h. Anleger ZAHLEN gerade freiwillig dafür dem Staat Geld leihen zu dürfen!!!



      Und wenn man keine Schulden macht, könnte man auch die Reichen besteuern - warum nicht? Gute Idee!

      • @danny schneider:

        Der Meinung bin ich ja auch. Entschuldigung wenn es falsch rüber kam. Die AfD ist in Fundamentalopposition, die CDU muss jetzt "beweisen" dass sie auch ohne Merkel Kanzler kann.



        Einzig die Linke hat sinnvolle Kritik geäußert. Und das von einer Partei die fast an der 5%-Hürde gescheitert wäre.

  • "warum das Geld im laufenden Jahr nicht genutzt wurde – etwa für Impfstoffe, Luftfilter oder Pflegekräfte"

    Man hat halt einfach die Testzentren geschlossen, weil "zu teuer für den Steuerzahler". Und man hat die Impfzentren geschlossen, weil "die Impfzentren notwendig waren, als sehr viele Menschen auf einmal geimpft werden mussten, und zwar so schnell wie möglich. Das ist jetzt anders." Und man hat (wiederholt) zuwenig Impfstoff bestellt. Und das obwohl bewilligte Gelder dafür vorhanden waren.

    Mal abgesehen davon, wie die neue Regierung jetzt mit diesen Geldern umgeht, isses schon mehr als dreist, sich über deren Verwendung zu echauffieren, während gerade die dickste Welle Pandemie durchs and rollt.