Debatte um Gewalt an Schulen: Jammern reicht nicht

Gewalt an Schulen ist unbestreitbar ein Problem. Für eine Lösung braucht es aber weniger alarmistisches Gelärme als vielmehr präzise Analysen.

Schüler sind noch viel häufiger Opfer von Gewalt als Lehrer Foto: Frank Hammerschmidt/dpa

Es ist natürlich immer hübsch einfach, eine allgemeine Verrohung zu beklagen, den Verfall der Sitten und Werte. Das kostet nichts und verlagert die Verantwortung auf einen diffusen Anderen: die Gesellschaft, die Elternhäuser, irgendwen.

Diese Klage ist seit 5.000 Jahren verbürgt, damals bei den Sumerern. Als Platon und Sokrates sich vor 2.500 Jahren über die verdorbene Jugend von heute, also damals, echauffierten, war sie also schon ein ziemlich alter Hut. Nur vorangebracht hat sie noch nie jemanden.

Vor allem die Schulen sollten es sich nicht so leicht machen. Es ist ihr Job, sich auf veränderte gesellschaftliche Bedingungen einzustellen und damit umzugehen. Es ist unwürdig, wenn sie sich damit begnügen, es sich in der jammernden Opferhaltung bequem zu machen.

Eine sinnvolle Prävention und Reaktion erfordert erst einmal eine präzise Analyse: Welche Situationen eskalieren hier und warum? Welchen Anteil hat das System Schule daran? Und was kann man tun, um das zu ändern?

Umfragen liefern mehr Fragen als Antworten

Es ist bemerkenswert, wie viele Fragezeichen allein der Befund hinterlässt. Da werden zum Beispiel übergriffige Eltern beklagt. Die einen verweisen da gleich auf migrantische Familien, die in Mannschaftsstärke das Schulgelände stürmen, weil die Tochter nicht pünktlich nach Hause gekommen ist. Andererseits beklagen in der Umfrage Lehrer verbale Gewalt im Zusammenhang mit der Notengebung. Sind hier die gleichen sozialen Gruppen am Werk?

Da werden munter digitale, verbale und physische Gewalt in einen Topf geworfen. Dabei scheinen sich die Opfergruppen deutlich voneinander zu unterscheiden: Physische Gewalt trifft häufiger Männer, digitale Gewalt häufiger Frauen, vor allem Berufsanfängerinnen. Überhaupt die Opfer: Trifft es niemanden, dass Schüler sehr viel häufiger Opfer werden als Lehrer?

Und was ist mit der viel beklagten Respektlosigkeit? Werden Eltern und Schüler in diesem System denn respektvoll behandelt? Wurden sie das während der Corona-Pandemie? Haben vielleicht die psychischen Spätfolgen und der damals entstandene Vertrauensverlust etwas mit dieser aktuellen Krise zu tun?

All das wäre eine präzisere Analyse wert. An die kommt man aber nicht, wenn man sich in wechselseitigen Vorwürfen und Vorurteilen verschanzt. Gleichzeitig ist auch klar, dass ein System, das strukturell überlastet ist, genau dafür keine Kapazitäten hat.

Unter Stress kommen Geduld, Einfühlungsvermögen und Empathie unter die Räder, dann eskalieren Dinge, die nicht eskalieren müssten. Darüber sollte man reden. Nicht über Erlasse, Sicherheitsdienste und den gefühlt 600. Untergang des Abendlandes.

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