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Debatte um Cannabis-LegalisierungBekenntnisse zur Tüte

Unter dem Hashtag #WirSindNichtKriminell teilen zahlreiche Menschen auf Twitter ihre Erfahrungen mit Cannabis. Sie fordern die Legalisierung.

Wächst und gedeiht, so wie wie die Debatte um die Legalisierung in Deutschland Foto: Herwig Czizek/imago

Eine Diskussion, die seit einigen Wochen immer neue Schleifen dreht: Kommt mit einer Ampel-Koalition die Legalisierung von Cannabis in Deutschland? In ihrem Bundestagswahlprogramm haben die Grünen angekündigt, „einen regulierten Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften“ ermöglichen zu wollen. Die FDP forderte in ihrem Programm die kontrollierte Freigabe von Cannabis, und auch die SPD befürwortet eine „regulierte Abgabe“ an Erwachsene, erst einmal in Modellprojekten.

Welche Gründe dafür oder dagegen sprechen, das wird gerade wieder stark in den sozialen Netzwerken diskutiert. Unter dem Hashtag #WirSindNichtKriminell bekennen sich Nut­ze­r*in­nen zu ihrem Cannabis-Konsum und berichten von Kriminalisierungserfahrungen. Manche erzählen von ihren Krankheitsgeschichten, andere beschreiben ihren Alltag. Manche teilen auch stolz Fotos ihrer eigenen Cannabis-Pflanzen. Der Tenor: Cannabis-Konsum mache jemanden nicht zu einem verantwortungslosen oder gar kriminellen Menschen.

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„Seit 4 Jahren therapiere ich Schmerz und Spastik der MS ausschließlich mit Cannabisblüten. Seither kein Schub, keine Kopfschmerzen mehr, die Fatigue bessert sich, keine neuen Narben im Gehirn. Meine Ärzte verschreiben es nicht“, schreibt eine Nutzerin. Ein anderer Nutzer schreibt eher rechtfertigend: „Ich bin hochqualifiziert, meine Arbeit wird im In- und Ausland gelobt und gepriesen, ich war keine Sekunde meines Lebens arbeitslos und zahle horrende Steuern. Und zwar gerne. Am Wochenende rauche ich gerne mein Cannabispfeifchen. #WirSindNichtKriminell“

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Unter den Bekenntnissen finden sich zum Teil kontroverse Diskussionen. Etwas, was die Be­für­wor­te­r*in­nen auch wollen: Die Diskussion über eine mögliche Legalisierung nicht wieder abebben zu lassen. Zuspruch für die Debatte gibt es auch vom NRW-Landesverband der Linken.

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Richter für Legalisierung

Eine der lautesten Stimmen für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Menschen ab 18 Jahren war in den vergangenen Wochen der Bernauer Jugendrichter Andreas Müller. Durch seine klare Positionierung trendete der Hashtag #RichterMüller gemeinsam mit #WirwollenCannabis. Andreas Müller hofft, dass durch einen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eine kontrollierte Abgabe erlaubt wird.

Am Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen habe der Jurist nach eigenen Angaben mitgearbeitet. Seiner Ansicht nach müsse Präventionsarbeit in Schulen geleistet werden und die Abgabe an unter 18-Jährige weiter unter Strafe stehen. Doch die gesamte Problematik um Cannabis und Hanf sei keine Sache des Strafrechts, sondern der Gesundheitspolitiker*innen, so der Jurist.

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Müller fordert seit vielen Jahren eine Entkriminalisierung von Cannabis-Konsum und sieht in einer Legalisierung auch eine Entlastung für die Polizei: Etwa sechs Prozent aller Fälle seien Drogendelikte, außerdem würde sich das „Klima zwischen Polizei und Jugendlichen enorm ändern, wenn die Polizei die Konsumenten in Ruhe lässt“, so Müller. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, hatte derweil kürzlich vor einer Legalisierung gewarnt und Cannabis mit dem altbekannten Argument der „Einstiegsdroge“ als Gefahr für Jugendliche dargestellt.

Vergangene Woche hatte sich auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach für eine Legalisierung von Cannabis durch eine mögliche Koalition von SPD, Grünen und FDP ausgesprochen. Er habe seine frühere ablehnende Haltung dazu geändert, da Kon­su­men­t*in­nen durch eine geordnete Abgabe vor gefährlichen verunreinigten Substanzen, die illegal vertrieben werden, geschützt werden könnten.

In Deutschland ist die Verordnung von medizinischem Cannabis, Cannabisblüten oder Cannabisextrakten seit mehr als vier Jahren auf Rezept möglich. Ärztlich verordnet werden die Wirkstoffe etwa bei manchen Formen der Epilepsie, schmerzhafter Spastizität bei Multipler Sklerose sowie bei Übelkeit und Erbrechen nach einer Chemotherapie.

Für die Behandlung von anderen Erkrankungen sowie von Schmerzen mit Cannabis braucht es ein besonderes Antragsverfahren. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten nur, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, für die andere Behandlungsmethoden bereits ausgeschöpft sind. (mit dpa, afp)

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12 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Bedenken der Ärzte ist ja durchaus richtig.



    Allerdings ist der Zugang zu Alkohol für Jugendliche doch ebenso einfach wie zum Gras.



    Der Gewinn der Legalisierung liegt doch darin, dass der Drogenkriminalität jedenfalls zu einem Teil die Grundlage entzogen wird.



    Gut, Kokain etc. wird weiter gehandelt. Das ist aber deutlich teurer und die Schwelle zum Konsoum dürfte höher liegen.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      "Allerdings ist der Zugang zu Alkohol für Jugendliche doch ebenso einfach wie zum Gras."



      Genauso einfach? Alkohol gibt es in kontrollierter Qualität an jeder Straßenecke legal zu kaufen. Gras bekommt man nicht an jeder Straßenecke, auch nicht legal und auch nicht in kontrollierter Qualität.

      Und wieso hört man die Ärzteschaft so selten über Alkohol zu klagen? Weil sie dann selber ihren eigenen Konsum überdenken müssten? Oder weil Alkohol seit Jahrhunderten als legale Droge anerkannt ist?



      Arbeiten Sie mal in einer Notaufnahme und zählen Sie in einem Jahr, wie viele Alkoholvergiftungen eingeliefert werden kontra Cannabis-Überkonsum.

  • Für mich ist diese Diskussion der erste Prüfstein für die Reformfähigkeit dieses Landes.

    Nach Jahrzehnten Schwarzer Dackellähme ist der Reformstau (kennt jemand dieses Wort überhaupt noch?) dermaßen unübersehbar dass mir jede Worte fehlen.

  • Erstmal bleibt abzuwarten ob die Ampel denn überhaupt zustande kommt oder nicht doch noch an Fragen der Finanzierbarkeit oder rot/grünen Inkompatibilitäten mit der FDP scheitert. Gelingt sie wird, werden die Koalitionär*innen recht schnell feststellen, dass die Anzahl derer die ein moralisches Problem mit der Legalisierung haben immer noch recht viele sind, während die Cannabiskonsument*innen eher wenige und weder besonders laut, noch besonders organisiert sind. Also wird es statt einer Legalisierung erstmal ein Modellprojekt geben; mindestens 5 Jahre für ein maximal vierstellige Zahl an Teilnehmer*innen. Danach regiert entweder eh wieder die Union und beerdigt den Versuch für weitere Jahre, oder aber erst einmal intensive evaluiert und vielleicht entschieden ein größeres Phase II-Modellprojekt anzustoßen.



    Als Erwachsener legal, ohne Schikane und bürokratische Stunts ein paar Gramm Cannabis erwerben? Wenn´s gut läuft vielleicht so ab Mitte der 2030er-Jahre.

  • Ein Problem der "Tolerierung" durch die Polizei (wenn es darauf hinauslaufen sollte) ist natürlich immer, dass die Polizei dann nur die laufen läßt, die ihnen passen und die anderen eben nicht.

    Und ein Problem der Entkriminalisierung des Konsums (wenn es das werden sollte) ist natürlich, dass es keinen Konsum ohne Anbau und Handel gibt. Da müsste man schon Nägel mit Köpfen machen und ob die Ampel dazu in der Lage sein wird, halte ich für sehr fraglich. Im Grunde wäre eine völlige Freigabe (plus Werbeverbot, damit aus Legalisierung nicht völlige Kommerzialisierung wird) notwendig, aber das sehe ich einfach noch nicht kommen. Das ist alles viel schwieriger als man auf den ersten Blick meint, sieht man ja auch bei der aktuellen Entwicklung in den Niederlanden.

  • Wir haben ein Alkohol- aber ganz sicher kein Cannabis-Problem. Im "Quängelbereich" der Supermarktkassen gibt es auf Reichweite der Allerkleinsten hochprozentigen Alkohol. Legal - zumindest für die Erwachsenen.



    Angeblich betrug der Umsatz an alkoholischen Getränken im Jahr 2020 stolze 40 Milliarden Euro. Oder anders ausgedrückt: jeder Erwachsene *versäuft* pro Jahr circa 600 Euro an Alkohol. Noch Fragen?



    Ja, eine: wie viele Menschen sterben nachweislich an Alkohol und wie viele am Cannabis-Konsum? Antwort: 100.000 gegen annähernd Null.

  • Marsimoto ist dagegen:

    www.youtube.com/watch?v=92Hvcb8TU0Y

    "Ich bin Marsi, Anti-Legalisierung



    Kiffen nur mit Marsimoto-Logo-Tätowierung



    Oder willst du, dass jeder x-beliebige Spießer



    Am Kiosk eine Weedbox kaufen kann?



    Oder dass deine Mutter dich fragt



    Ob sie später mit dir einen rauchen kann



    Denn sie hat ja nur noch Tausend Gramm



    Nein, ich schlag' ein härteres Gesetz vor



    Sonst rappt dein Schuldirektor: "Puff, puff, pass, yo"



    Der Schaffner in der Deutschen Bahn trägt Rastas



    Und der Bankangestellte nur noch krank gemeldet



    Mir passt das nicht, in so einer Welt will ich nie leben



    Illegalize it, Ill-ill-ill-illegalize it



    Illegalize it, Ill-ill-ill-ill-illegalize it, Marsi"

  • Wir haben schon Hunderttausende zusätzliche Tote durch legale Drogen wie Alkohol und Nikotin. Gute Idee noch eine Droge zu legalisieren. Aber den Steuersäckel würde es freuen…..

    • @Holger Steinebach:

      Wir haben Tote nur durch die legalen Drogen - wir haben keine Toten durch Cannabis. Das ist schlichtweg von Cannabis allein unmöglich.

      Dementsprechend könnte man die Gedanken so weit spinnen, dass es womöglich weniger Alkoholtote gäbe, wenn es eine physisch nicht schädliche (ja sogar medizinisch positiv wirksame) Droge gäbe!

      Genauso wie die Menschen heute zu Fleischersatzprodukten greifen und das Fleischgefresse schon fast verpönt ist, könnte morgen Alkohol vielleicht mal ein bisschen aus der Mode kommen, weniger aktzeptiert sein und ein alkoholfreies Cannabis-Bier die Stimmung ohne Leberschädigung heben.

      Einfach mal darüber nachdenken!

    • @Holger Steinebach:

      Drogen, welcher Art auch immer, gehören zum Leben wie das Atmen. Und das nicht nur bei uns Menschen - im gesamten Tierreich wird von Alkohol bis Psychedelika so einiges konsumiert.

      Nur wir Menschen, einige von uns, maßen uns an, das reglementieren und sanktionieren zu müssen. Gegen die Natur, gegen unsere Natur.

      Also, dieser Faschoquatsch von wegen Prohibition ging und geht komplett nach hinten los und nützt nur der Strafverfolgungslobby sowie der organisierten Kriminalität. Da geht es um Milliarden an jährlichen Ausgaben, die weitere Kosten verursachen, siehe verhinderter Jugendschutz, Prävention, Suchtbehandlung unter dem Damoklesschwert der Strafverfolgung, Stigmatisierung der Nutzer:innen etc.

      Ein reaktionärer Irrsinn, der mit Vernunft nicht zu rechtfertigen ist.

    • @Holger Steinebach:

      Als wenn es diese dritte Droge noch nicht geben würde. Geschätzt 300 bis 400 Tonnen Cannabis werden im Jahr allein in Deutschland konsumiert. Übrigens weniger schädlich im Vergleich zu Alkohol und Tabak – niemand stirbt daran.

      Es geht darum, diesen riesigen Markt nicht illegalen Händlern zu überlassen und endlich besser zu kontrollieren. Mit Jugendschutz, Qualitätskontrolle und … ja, Steuereinnahmen.

    • @Holger Steinebach:

      Weil ja auch so viele an Cannabis sterben. Aua!