Debatte um Berliner Freibäder: Einwurf vom Beckenrand
Im linken Kleinreden der Sicherheitssituation in einigen Berliner Freibädern schlummert Respektlosigkeit. So blickt eine Rettungsschwimmerin darauf.
M an ist als Rettungsschwimmerin im Berliner Freibadebetrieb hart im Respektlosigkeitsnehmen. Doch musste man in den letzten Wochen lesen, wie insbesondere linkerseits die aktuellsten Krawalle an ausgewählten Beckenrändern zurechterklärt wurden, wankte man dann doch bedenklich in den Badeschlappen.
Besonders früh und heftig brandeten in dieser Sommersaison die Gewaltexzesse insbesondere im Neuköllner Columbiabad, dem Culle, auf. Man hätte als interessierter Journalist da schon hellhöriger werden können, doch schienen die Vorgänge jenseits des pflichtschuldigen Vermeldens der gefühlt zigsten Badräumung keines tieferschürfenden Blickes würdig.
Linkerseits war man sich sicher, dass es sich bei den Krawallen und der Gewalt um nichts Neues und lediglich um Einzelfälle unter der knallenden Berliner Sonne handelt, dass wir es wie ewig gleich und historisch konstant mit den üblichen Randalen von Halbstarken zu tun haben, die, wie es sich für männliche, klimawandelgeplagte Pubertierende offenbar gehört, ganz normal ein bisschen freidrehen, wenn es ihnen zu warm und voll wird in ihrem Stamm-Freibad.
Auch der bloße, aus bademeisterlicher Erfahrung gespeiste Hinweis, dass es sich bei den an den Vorfällen Beteiligten zu einem nicht unbedeutenden Teil um Jugendliche aus arabischstämmigen Familien handelt, wurde, wie es sich für mit allen divers-kritischen Wassern gewaschene Linke gehört, entweder als Ausdruck deren Unterprivilegiertheit sozialromantisch verklärt. Oder denen als Rassismuskeule über die ohnehin lädierten Schädel gezogen, die da alle Jahre wieder ihre mäßig bezahlte, rot-blau-uniformierte Haut zu Berliner Freibad-Markte tragen. (Lädierte Schädel diverser, und ja, auch arabischer Herkünfte übrigens.)
Allet jut an der Freibad-Front
Es sind die vermeintlichen Underdogs aus schwierigen Migrationsverhältnissen, die da rumtoben. Und die damit wohl lediglich legitime Zeichen des Protests an unsere strukturell rassistische Mehrheitsgesellschaft senden. Laut Statistik sowieso alles nur Eskalationsausreißer in einem Trend, der seit Jahren in Richtung Love, Peace und Harmony weist. So weit allet jut an der Berliner Freibad-Front.
kommt vom Niederrhein, ist Historikerin und Kulturanthropologin und hat ihren Freischwimmer ca. 1976 gemacht. 13 Jahre später ging sie nach Berlin. Seit mehreren Jahren arbeitet sie dort als Rettungsschwimmerin.
Bedarf es eigentlich der erhöhten Empfindlichkeit des Mittendrinsteckens, um den Zynismus zu spüren, der sich mit dieser aus Ignoranz geborenen Arroganz gegenüber den konkret Betroffenen verbindet?
Die naheliegende Idee, sich als Badegast getarnt dem Geschehen am Neuköllner Wasserrand auszusetzen, um am eigenen Leib zu erfahren, was es heißt, wenn die fragile Un/Ordnung im Freibad kippt und die Macker das Ruder übernehmen – diese Idee kam nicht auf. Genauso wenig das Bedürfnis, das intensivere Gespräch mit den Berliner Baywatchern selbst zu suchen, mit denen also, die in der ersten Reihe stehen.
Solidarität der Linken wäre angebracht
Es waren die Bademeister selbst, die ihrer Absenz in der Berichterstattung ein Ende machten. Denn irgendwann ist es doch die eine Gewaltattacke, die eine Badräumaktion zu viel für das Becken-Bodenpersonal.
Und so kippen die Kollegen des Culle zur Abwechslung einfach mal um. Melden sich nach all den Jahren des Weitermachens endlich, endlich geschlossen krank. Erzwingen so eine einwöchige Bade-Schließzeit. Sie machen die Lage in einem Brandbrief öffentlich (siehe Tagesspiegel vom 12. 7. ). Eine Geste des „I prefer not to“, die die ungeteilte Solidarität von Linken verdient hätte.
In der taz jedoch fand man es angemessener, die Geste als kollektives „Blaumachen auf Krankenschein“ zu denunzieren und die Bademeister als das eigentliche Problem zu geißeln. Wäre es angesichts des Briefes nicht besser gewesen, kurz darüber nachzudenken, ob man es mal mit genauerem Hinhören und schärferem Hinsehen versuchen könnte? Stattdessen fixiert man lieber die Folgen des bademeisterlichen Briefes, brilliert im Problemhorizont-Verschieben und im Aufspüren der wahren Schuldigen an der eskalierten Situation.
Ich bin nur die Rettungsschwimmerin
Die nichtlinken Medien sind schuld, weil sie die Krawalle zum Popanz aufbauschen. Die ekligen Populisten von AfD bis CDU sind schuld, weil ihnen die migrantisch „gelesenen“ Krawalle das nötige Futter geben, ihrem Rassismus freien Lauf zu lassen.
Die Berliner Politik ist schuld, weil sie sich als harte Hand inszeniert und autoritärere Maßnahmen erzwingt – Ausweiskontrolle, mehr Security, mehr Polizeistreifen, schnellere Schließungsmöglichkeiten, konsequentere Hausverbotspolitik. Was davon sinnvoll, was sinnlos ist, kann man zwar noch nicht recht wissen. Aber viele Linke werfen sich lieber in sozialkritische Pose. Damit ist man auf jeden Fall immer auf der korrekten, der friedlich-guten Seite.
Zunehmende Respektlosigkeit ist nicht nur ein Problem, das an vollen, überhitzen Beckenrändern lauert. Wenn man es weiter vorzieht, Probleme zu zerreden, Gewalt herunterzuspielen, Mackertum zu ignorieren, wird nicht nur das Baywatch-Personal wegbleiben. Nein, leider bleiben längst die höflicheren, leiseren, wehrloseren Badegäste (mit diversen und durchaus auch prekären Hintergründen) an heißeren Tagen aus Angst weg.
Wenn man also weiterhin all das edel beschweigt, was das eigene Weltbild erschüttern könnte, dann haben wir vielleicht bald schon ein ganz anderes Problem. Dann führt uns diese im Ignorieren schlummernde Respektlosigkeit, die Verweigerung einer offenen, (selbst)kritisch-aufgeklärten Diskussion darüber, wie wir uns gemeinsam um eine bessere Un/Ordnung im Freibad bemühen könnten, eventuell ganz schnell und mit jeder Wahl voranschreitend dahin, dass wir wirklich dort aufwachen, wo sich die Rechten, Populisten und Rassisten guten Morgen sagen.
Aber was wüte ich. Ich bin nur die Rettungsschwimmerin. Und schau jetzt wieder, ob zur Abwechslung einfach mal nur jemand absäuft.
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