Debatte um AKW-Laufzeiten: Wenig Strom und viel Ärger
Das Wirtschafts- und das Umweltministerium lehnen längere AKW-Laufzeiten wegen hoher Risiken ab. Die Sicherheit wäre nur ein Problem.
Nach Prüfung durch die Ministerien wären für einen Weiterbetrieb umfangreiche rechtliche und behördliche Schritte notwendig. So könne zwar der Betrieb der drei noch bis Ende 2022 laufenden AKWs Isar 2, Emsland und Neckarwestheim II um bis zu 80 Tage „gestreckt“ werden, wenn sie im Sommer entsprechend weniger liefen. Das aber würde nur dazu führen, dass im Frühjahr 2023 mehr Strom zur Verfügung stünde – was in der Gasknappheit kaum helfe, weil Gaskraftwerke so teuren Strom erzeugen, dass sie praktisch nicht ans Netz gehen.
Eine tatsächliche Verlängerung würde sich nur rechnen, wenn sie mindestens 3 bis 5 Jahre dauere – bis dahin sei das Problem aber behoben, heißt es. Außerdem müssten dafür neue Brennelemente hergestellt und TechnikerInnen wieder eingestellt oder neu geschult werden. Und die AKWs müssten praktisch vom Staat betrieben und bezahlt werden, einschließlich der teuren Versicherungsprämien – denn die Konzerne als Betreiber haben sich aus dem Betrieb verabschiedet und wären zu einer neuen Runde nur bereit, wenn sie alle Risiken auf den Staat übertragen könnten.
Vor allem aber, so argumentieren die Fachleute, würde auch ein begrenzter Weiterbetrieb eine Welle an aufwendigen und zeitraubenden Sicherheitsüberprüfungen nach sich ziehen. Denn eigentlich hätten die letzten drei AKWs schon 2019 eine umfangreiche Sicherheitsinspektion durchlaufen müssen – sie wurde ihnen mit Blick auf ihr Ende 2022 erlassen. Ungeklärt wäre auch, was mit dem zusätzlich anfallenden Atommüll zu tun sei.
Praktisch unmöglich sei es, bereits abgestellte Reaktoren wieder zum Leben zu erwecken. Das bräuchte eine neue Betriebsgenehmigung, die aber wegen fehlenden Fortschritts bei der technischen Sicherheit kaum zu bekommen wäre. Und weil die AKWs nur wenig zur Stromversorgung beitragen, „bleiben Zweifel, ob eine Verlängerung in der aktuellen Situation verfassungsrechtlich belastbar begründet werden kann“. Klagen „hätten durchaus aussichtsreiche Erfolgschancen“.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott