Debatte über Verbrenner-Autos: Aus mit Hintertür
Die EU-Umweltminister haben sich auf das Klimapaket „Fit for 55“ geeinigt: Klimaziele werden zwar verschärft, aber weniger stark als gefordert.
Vereinbart wurde in dieser Frage, dass es grundsätzlich dabei bleibt, dass ab dem Jahr 2035 nur noch emissionfreie Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen. Um dem Verbrennungsmotor zumindest formal noch eine Chance zu geben, soll die EU-Kommission prüfen, ob neue Verbrenner weiterhin zugelassen werden können, wenn sie ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betankt werden können.
FDP-Chef Christian Lindner wertete das als Erfolg für seine Forderung nach „Technologieoffenheit“, der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland bezeichnete die Entscheidung als „Hintertür für Verbrenner“. Im Bundesumweltministerium geht man dagegen davon aus, dass dieser Beschluss praktisch gleichbedeutend mit einem Verbot neuer Verbrenner ist. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie kommentiert am Mittwoch, die Entscheidung bedeute „de facto das Aus für den Verbrennungsmotor“.
Aus Sicht von Staatssekretär Sven Giegold (Grüne), der für das Bundeswirtschaftsministerium die Verhandlungen in Luxemburg geführt hatte, ist das Verbrenner-Aus jedoch „ein kleiner – und in Deutschland völlig überschätzter – Teil des Pakets“. Deutlich wichtiger seien die vielen anderen Ergebnisse der 17-stündigen Verhandlungen. „Es ist das größte EU-Klimapaket ever“, erklärte Giegold auf Twitter. Dabei billigten die Mitgliedstaaten zwar sämtliche Teile des Klimapakets „Fit for 55“, schwächten diese im Vergleich zu den Vorschlägen von Kommission und EU-Parlament aber teilweise ab.
Die Staaten sind zögerlicher als das Parlament
Der Emissionshandel, der als Basis der EU-Klimapolitik gilt, soll EU-weit auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet werden. Aus den Erlösen des Emissionshandels soll ein neuer Klimasozialfonds finanziert werden, mit dem unter anderem einkommensschwache Verbraucher*innen unterstützt werden sollen. Nach Schätzungen des Parlaments könnten so bis zu 72 Milliarden Euro bis 2032 zusammenkommen. Die EU-Länder wollen jedoch nur rund 59 Milliarden Euro freigeben und erst später starten.
Beim Klimazoll, der die EU vor klimaschädlichen Dumping-Importen schützen soll, droht Streit mit dem Europaparlament. Die Abgeordneten wollen ihn schnell einführen. Im Gegenzug sollen die kostenlosen Verschmutzungsrechte für die Industrie reduziert und schließlich ganz abgeschafft werden. Die Mitgliedstaaten wollen hier langsamer vorangehen, das „Aus“ ist bei ihnen erst 2035 geplant, das Europaparlament fordert 2032.
Gebilligt haben die Umweltminister auch den Plan für entwaldungsfreie Lieferketten, mit dem verhindert werden soll, dass Holz, Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch und Soja auf den EU-Binnenmarkt kommen, sofern ihre Herstellung Entwaldung verursacht hat. Auch für Landnutzungsänderungen innerhalb der EU gibt es erstmals ein verbindliches Ziel.
Das Gesamtpaket geht nun noch in den sogenannten Trilog mit dem Europarlament und der Kommission. Dort könnte es erneut Änderungen geben. Mit Spannung wird vor allem die Stellungnahme der Kommission zu synthetischen Kraftstoffen erwartet. Denn der Kompromiss ist nicht eindeutig – ob sich die EU-Kommission der deutschen Interpretation anschließt, dass damit auch weiterhin Pkw und Kleinlaster mit Verbrennungsmotor zugelassen werden könnten, ist offen.
Umweltverbände drängen auf Verschärfung
Das Europaparlament lehnt diese Auslegung entschieden ab. „Das Aus für den fossilen Verbrennungsmotor kommt“, sagte Michael Bloss von den Grünen. „Das Verbrennerverbot ist nicht vom Tisch, sondern beschlossen“, sagt auch Peter Liese (CDU), der bei den Verhandlungen im Parlament die Feder geführt hatte. Die von Deutschland durchgesetzte Änderung am Ratsbeschluss habe keine rechtliche Bedeutung.
Umweltverbände drängen darauf, dass im Rahmen der Trilog-Verhandlungen die abgeschwächten Ziele wieder verschärft werden. Der EU-Umweltrat habe die Chance verpasst, „dem europäischen Klimaschutzpaket zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 einen kräftigen Schwung zu geben“, kritisierte etwa der WWF. Und auch Staatssekretär Giegold räumt ein: „Um unseren Planeten zu retten, müssen wir noch entschiedener handeln.“
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