Debatte über Schuldenbremse: Erst das Geld, dann die Moral
Plötzlich ist auch Merz offen für neue Schulden. Aber dafür müsste er erst die SPD überzeugen.
Es geht zwar nicht um eine Reform der grundgesetzlichen Schuldenbremse, wie sie SPD, Linke und Grüne fordern. Sondern um die Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr, also eine Umgehung der Schuldenbremse. Die Rede ist von zusätzlichen 200 Milliarden Euro, eine Summe, die Merz am Dienstag weder bestätigen noch dementieren wollte. „Wir sprechen miteinander, aber es ist viel zu früh etwas zu sagen. Eine Reform der Schuldenbremse in naher Zukunft schloss er indes aus. „Das ist, wenn es überhaupt stattfindet, eine umfangreiche und schwierige Arbeit.“
Aber auch für eine Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr wäre eine Änderung der entsprechenden Formulierung im Grundgesetz nötig, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden muss. Ohne Verankerung im Grundgesetz müsste das Geld aus dem Bundeshaushalt kommen.
Größere Kredite wären nur drin, wenn man eine Notlage erklärt, die die Schuldenbremse vorübergehend aussetzt. Der Haken: Das Geld müsste in dem Jahr ausgegeben werden, in dem es aufgenommen wurde. Oder man müsste jedes Jahr erneut eine Notlage erklären.
Klage von Linke oder AfD?
Die Chance, dass insbesondere AfD und Linke erfolgreich klagen, ist hoch. Auch eine Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr könnten beide Parteien im Bundestag blockieren. Die Linkspartei machte bereits klar: „Es wird für dieses erneute Sondervermögen zur Aufrüstung keine Stimmen der Linken geben“, so die Vorsitzende Ines Schwerdtner.
Also bringen CSU-Chef Markus Söder und der Parlamentarische Geschäftsführer der Union Thorsten Frei eine Abstimmung mit der alten Bundestagsmehrheit ins Spiel. Bis sich der neue Bundestag konstituiert, wäre das theoretisch möglich. Dafür würden die Stimmen von Union, SPD und Grünen reichen.
Der scheidende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich zeigte sich offen, kritisierte aber Merz. Das Ganze sei eine „Gratwanderung“. Er wundere sich über die letzten Stunden, sagte Mützenich, „wie schnell man plötzlich das Rad neu erfinden kann.“
Noch-Kanzler Olaf Scholz hatte vorgeschlagen, Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen oder diese zu reformieren, war aber vor der Wahl bei Merz abgeblitzt. Am Dienstag traf sich Merz mit Scholz im Kanzleramt. Bereits am Montagabend hatte Merz den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil kontaktiert.
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