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Debatte über Randale und PolizeieinsätzeWer eskalierte am 1. Mai?

Die Politik diskutiert über die Demonstrationen und Polizeieinsätze. Die einen sehen sinnlose Krawalle, die anderen Polizeigewalt.

Auch in Frankfurt/Main gab es am 1. Mai Auseinandersetzungen – inklusive Wasserwerfereinsatz Foto: Boris Roessler, dpa

BERLIN taz |/dpa | Nach den Demonstrationen vom 1. Mai in Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main diskutiert die Politik über die Ausschreitungen und Polizeieinsätze. „Barrikaden anzuzünden und gewaltsam auf Polizistinnen und Polizisten loszugehen, ist kriminell und in keinster Weise akzeptabel“, sagte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock der Bild.

Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisierte die Ausschreitungen: Linksextreme hätten am 1. Mai „ihren Hass auf unser Land“ gezeigt. „Gut, dass die Polizei schnell und hart eingeschritten ist.“ Dirk Wiese, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, forderte in der Welt die „volle Härte des Gesetzes“ gegen Randalierende, egal ob „Querdenker“ oder 1. Mai-Protestierer.

In Berlin wurde die Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration mit rund 20.000 TeilnehmerInnen von der Polizei mit der Begründung gestoppt, dass nicht ausreichend Abstände eingehalten worden seien. Darauf kam es zu Flaschen- und Steinwürfen. 93 PolizistInnen wurden verletzt, 354 Personen festgenommen. Die Protestorganisatoren beklagten ebenso „dutzende“ Verletzte.

Hamburg und Frankfurt

Auch in Frankfurt am Main schritt die Polizei gegen eine „Tag der Wut“-Demonstration mit 3.500 TeilnehmerInnen ein, weil Einsatzkräfte angegriffen worden seien. Mehrere Protestierende sollen Platzwunden erlitten haben.

In Hamburg wiederum setzte die Polizei strikt Demonstrationsverbote durch, die aus Infektionsschutzgründen verhängt worden waren. Rund 40 Personen saßen dabei über mehrere Stunden in einem Polizeikessel fest.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses den Polizeieinsatz in der Hauptstadt. Die Autonomen hätten „von Anfang an den Willen gegeben, gewalttätig zu sein“. Einige von ihnen hätten Feuerwerkskörper, Nebeltöpfe und Steine dabei gehabt. Laut Polizeivertretern hätten Autonome mit gegenseitigem Unterhaken das Abstandhalten ignoriert und so womöglich bewusst eine Eskalation gesucht. Der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader kritisierte dagegen, die Einkesselung der Demonstrierenden durch die Polizei habe die Lage eskaliert. „Das Vorgehen der Polizei war kontraproduktiv und alles andere als eine Deeskalationsstrategie.“

Auch in Frankfurt kritisierte ein Vertreter des Bündnis „Wer hat, der gibt“ die Polizei: Das Eingreifen sei erfolgt, als es dafür keinen Grund gab. „Die Polizisten wollten solche Bilder, darum haben sie dafür gesorgt, dass sie diese Bilder auch bekommen“, sagte er der FAZ. Die Polizei sprach dagegen von Flaschenwürfen und Angriffen mit Fahnenstangen. 13 Beamte seien verletzt und 15 Personen vorübergehend festgenommen worden.

Verbote als rechtswidrig kritisiert

Auch in Hamburg kritisierte die Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg die Polizei: „Es beschämt mich, dass Hamburg erneut Bilder von Auseinandersetzungen zwischen De­mons­tran­t*in­nen und Polizei sendet, die Fragen zur Verhältnismäßigkeit aufwerfen.“ Die CDU warf Jasberg vor, den Polizeibeamten in den Rücken zu fallen. Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen kritisierte bereits die Demonstrationsverbote in der Stadt scharf. Diese seien „offensichtlich rechtswidrig“ und eine „Missachtung der Versammlungsfreiheit“. Der Hamburger Weg sei „eine ultrarestriktive Ausnahme vom im sonstigen Bundesgebiet geltenden Recht“.

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19 Kommentare

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  • Dieses ewig wiederholte Manta, dass die böse Polizei angefangen hat mit der Eskalation und die armen, friedlichen Demonstranten dann gar nicht anders konnten als mit Steinen und Flaschen zu werfen, Polizisten zu verletzen, Barrikaden anzuzünden usw. ist ermüdend.

    Wer friedlich bleiben will schafft das auch, egal, welche Taktik die Polizei fährt. 99% der Demos in Deutschland verlaufen friedlich.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    „von Anfang an den Willen gegeben, gewalttätig zu sein“.

    Das glaube ich auch.

  • Kommentare wie in der FAZ hier.

    • @Andreas J:

      Das heißt? Ok mit der Meinungsfreihiet oder haben Sie ein Problem damit?

      • @Daniel Drogan:

        Meinungsfreiheit bedeutet Meinungen zuzulassen und nicht Kritiklosigkeit. Scheinbar liegt das Problem auf ihrer Seite.

        • @Andreas J:

          Sie haben doch mit ihrem Posting etwas suggerieren wollen. Scheinbar das auch bei der FAZ es wohl eher MEinung gab die ein Einschreiten der Polizei und Co. vermittelt haben. Denn das genau ist ja im Überwiegenden auch zulesen.

          Was ist also an jenen Kommentaren, Meinungen denn nun falsch? Ist sie nicht so schön pro-polizei wie bei welt und Co.?

    • @Andreas J:

      Und deswegen sind sie per se falsch? Geile Logik....

      • @charly_paganini:

        Habe ich was von "per se falsch" geschrieben?

  • Niemand weiß genau, gegen was demonstriert wird. Die Gewalt gegen Bankfilialen, die schon von der Schließung bedroht sind und gegen Polizeibeamte stößt Sympathisanten zunehmend ab. Eigentlich wollen die meisten ein Fest feiern, bei dem man jugendliches Selbstbewusstsein zeigt. Die Behörden sollten also lieber Gulaschkanonen statt Wasserwerfer bereitstellen. Im Übrigen sollte man nachdenken, wer den 1. Mai eingeführt hat.

    • @Wolfdieter Hötzendorfer:

      Was hat denn nun Gregor der Große damit zu tun?

      • @LeSti:

        Ist damit Papst Gregor gemeint?

  • „Tag der Wut“. "Welcome to Hell".

    Bei solchen Mottos und den zugehörigen schwarzvermummten Gestalten mit ausgebeulten Rucksäcken, kann man sich die Schuldfrage getrost sparen. Die treten nicht zur bunten, friedlichen Meinungskundgebung an.

    • @Wonneproppen:

      Anti-Corona-Demo ist somit auch so zu behandeln? Komisch seit Mitte letzten Jahres noch nichts. Warum nur. Und nun dürfen Sie Argumente finden. Denn interessanterweise kommen solche Statement von Ihnen nur gegen links...

    • @Wonneproppen:

      Wie war das nochmal mit einigen „schwarzvermummten Gestalten“ bei „Wellcome to Hell“, welche sich geweigert haben die Vermummung abzulegen. Haben diese sich in den Gerichtsverfahren nicht als Polizisten herausgestellt, welche sich zur „Beobachtung“ innerhalb des Demonstrationszuges aufhielten und damit den Vorwand für die Auflösung der Demonstration lieferten (so die TAZ)?

      • @Peter Goretzki, Dr.:

        Interessant dazu ist sicherlich folgendes: "Das Gutachten führt aus, dass das Vermummungsverbot nach § 17 a Abs. 2 Versammlungsgesetz (VersG) aus zwei Gründen nicht auf Polizisten anwendbar sei. Einerseits fehle es bereits am subjektiven Tatbestand, die vermummten Polizisten handelten nicht in der Absicht, die Feststellung ihrer Identität zu verhindern. Zum anderen seien sie bereits keine tauglichen Adressaten des Verbots in § 17 a Abs. 2 VersG. Die Norm richte sich an Teilnehmer der Versammlung. "Polizisten, die aus dienstlichen Gründen bei einer Versammlung anwesend sind, sind keine Teilnehmer", so das Gutachten. Ihnen fehle in Bezug auf die Versammlung die gemeinsame Zweckverfolgung. Wer gegen das Vermummungsverbot verstößt, dem droht nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr."

  • "Laut Polizeivertretern hätten Autonome mit gegenseitigem Unterhaken das Abstandhalten ignoriert und so womöglich bewusst eine Eskalation gesucht." Das Einhaken macht nur Sinn, wenn die Polizei vorrückt. Also hat die Polizei versucht körperlichen Kontakt zu provozieren und damit durch ihre Drohhaltung erst den Kontakt unter den Demonstrant*innen verursacht. Die Provokation der Polizei hat also dasFehlverhalten provoziert, das dann von der Polizei geahndet wird?. Oder seh ich das falsch?



    Und Baerbock: Also der Bildzeitung hätte ich auch genau das so klar gesagt, da hier Differenzierungen sicher verdreht werden. Also einmal verzeih ich ihr so was. Aber ist das ok, wenn sie mit solchen "Zeitungen" spricht?

    • @StefanMaria:

      "Das Einhaken macht nur Sinn, wenn die Polizei vorrückt."

      Die Polizei rückt nur vor, wenn entsprechende Durchsagen (3x wiederholt) bewusst ignoriert werden.

      Blick ins Versammlungsgesetz: "Den Anweisungen der Polizei ist Folge zu leisten".

      • @Wonneproppen:

        Warum rennt die Polizei dann bei den Anti-Corona-Demos davon und "rückt nicht vor", oder meinen Sie mit vorrücken genau das wa sdie olizei gemacht hat. Das jene FÜR die Anti-Corona-Demo vorrückte und zwar gegen den Gegenprotest!

  • 2G
    23673 (Profil gelöscht)

    „Die Polizisten wollten solche Bilder, darum haben sie dafür gesorgt, dass sie diese Bilder auch bekommen“

    Klar, die Polizei nutzt diese verhältnismäßig leichten Eskalationen natürlich regelmäßig, um ihre Durchsätzungsfähigkeit zu demonstrieren. Aber seien wir doch mal ehrlich, die demonstrierenden Bündnisse haben mindestens genauso viel Interesse an diesen hässlichen Bildern - beispielsweise um damit in der FAZ den Feind, die Polizei, anzuprangern.

    Dieses sich ewig wiederholende Spiel erinnert mich immer wieder an den Kindergarten:



    "Aber du hast angefangen!"



    "Nein, du!"



    "Du bist so blöd!!!"



    Beide schmollen und gehen den anderen verpetzen.

    Aufmerksamkeit kriegen letztendlich beide, und wenn sich keiner wirklich weg getan hat, kriegt auch keiner wirklich Ärger. Danach haben beide außerdem eine neue Begründung, warum der jeweils andere, den sie eh schon immer blöd fanden, tatsächlich blöd ist. Quasi eine kindische Win-Win-Situation.