Debatte über AfD-Verbot: Ein gefährliches Spiel
Thüringens Innenminister hat eine Debatte über ein AfD-Verbot losgetreten. Das war unüberlegt und dumm. Die radikal rechte Partei wird’s freuen.
S elbstverständlich kann das, was die AfD vergangene Woche in- und außerhalb des Bundestags veranstaltet hat, jede Demokratin und jeden Verteidiger des hiesigen Parlamentarismus in Rage und Sorge versetzen. Die radikal Rechten versuchten, auf den Demos draußen und mit Reden und Protesten drinnen das Parlament in die Zange zu nehmen – mit abscheulichen Vergleichen zwischen dem Infektionsschutzgesetz, was am Mittwoch verabschiedet wurde, und dem Ermächtigungsgesetz der Nazis von 1933. Mit Letzterem entmachtete sich das Parlament bekannterweise selbst und übertrug den Nazis eine Machtfülle, die in Krieg und Holocaust endete. Damit, dass AfD-Politiker am vergangenen Mittwoch zudem Gäste in den Reichstag schleusten, die dann Abgeordnete, die für das Gesetz stimmen wollten, bedrängten, damit haben die Angriffe der AfD auf die parlamentarische Demokratie eine neue Stufe erreicht.
Also ja: Man konnte entsetzt und aufgebracht sein und den Impuls entwickeln, jetzt etwas tun zu müssen. Doch die Debatte über ein AfD-Verbot, die Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier jetzt losgetreten hat, und die von seinem CDU-Kollegen aus NRW flankiert wurde, ist unüberlegt, dumm und geht nach hinten los. Denn die Forderung nach einem AfD-Verbot ist weder juristisch durchsetzbar noch politisch sinnvoll.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2017, als es ein Verbot der NPD ablehnte, zwei Kriterien für ein Parteiverbot festgelegt. Erstens: Die Partei muss eine Machtoption haben. Also in der Lage sein, ihre Ziele durchzusetzen. Und zweitens: Diese Ziele sowie die Ideologie der Partei müssen gegen die vom Grundgesetz geschützte Menschenwürde verstoßen.
Eine Machtoption, das muss man leider sagen, hat die AfD mit ihren hohen Ergebnissen zumindest in den ostdeutschen Bundesländern. In Thüringen hat sie im Februar ja sogar an der Wahl eines Kurzzeit-Ministerpräsidenten mitgewirkt. Und ohnehin ist die AfD heute gefährlicher, als es die NPD zur Zeit des Verbotsverfahrens war.
Der Bund ist nicht Thüringen
Aber die Gesamtpartei als rechtsextrem einzustufen und ihr nachzuweisen, dass ihre Ideologie und ihre Ziele gegen die Menschenwürde verstoßen – das dürfte schwierig werden. Unbestritten hat der Einfluss der Rechtsextremisten in der AfD zugenommen, manche Landesverbände haben sie vollständig im Griff.
Auf Bundesebene aber ist die Lage deutlich vielschichtiger, hier tobt ein Machtkampf, der noch nicht entschieden ist. Zuletzt hat der Bundesvorstand sogar dafür gesorgt, dass zwei Schlüsselfiguren der Rechtsextremisten, Andreas Kalbitz und Frank Pasemann, aus der Partei ausgeschlossen werden.
Nicht ohne Grund verschiebt der Verfassungsschutz eine Entscheidung zum weiteren Umgang mit der Gesamtpartei, die ursprünglich bereits im Sommer vorgelegt werden sollte, immer wieder. Wenn aber die Behörden bislang keine gerichtsfesten Belege für eine Einstufung als rechtsextrem haben, wie kann man als Innenminister da ein Verbotsverfahren ins Gespräch bringen?
Dass die Lage in Thüringen, wo der Landesverband am Wochenende Björn Höcke mit 84 Prozent erneut zu seinem Chef gewählt hat, klarer ist, darf da nicht den Blick auf die Gesamtpartei verstellen. Und selbst was Höcke angeht, ist die Sache kompliziert. Denn der Mann – nach gängigen Kriterien ohne Zweifel ein Rechtsextremist – bewegt sich oft in juristischen Grauzonen.
Bei Angriffen schließen sich die Reihen
Politisch ist die Debatte schon jetzt nach hinten losgegangen. Die AfD, die derzeit nicht besonders gut dasteht und der das Schlüsselthema abhanden gekommen ist, kann sich als Opfer inszenieren und die Innenminister als Antidemokraten darstellen, was sie ohnehin mit Vertretern anderer Parteien gerne macht. Zudem gilt in der AfD eigentlich immer: Angriffe von außen führen dazu, dass sich in der Partei die Reihen schließen. Die Spaltung der AfD zu fördern, wäre vielleicht die bessere Strategie.
Und völlig unabhängig von der AfD: Niemand, der die Demokratie verteidigen will, kann sich wünschen, dass eine Partei leichtfertig verboten werden kann. Selbst wenn man sie für gefährlich hält.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren