Thüringer Ex-Ministerpräsident: FDP geht auf Distanz zu Kemmerich
Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) sieht kein Problem für seine AfD-gestützte Wahl. Der Parteivorstand zieht die Reißleine.
In einer Pressemitteilung erklärte FDP-Generalsekretär Volker Wissing, das Präsidium distanziere sich geschlossen von den aktuellen Äußerungen Kemmerichs. In der Folge werde Kemmerich – sollte er sich erneut als Spitzenkandidat zur Wahl stellen – jegliche „finanzielle, logistische oder organisatorische Unterstützung“ entzogen.
Besonders deutlich wurde auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Bundestagsabgeordnete und Mitglied im FDP-Vorstand. Kemmerich sei „irgendwann falsch abgebogen und nicht mehr umgedreht“, twitterte sie am Freitagvormittag. „Es wird Zeit, dass du jetzt die Ausfahrt nimmst. Tschüss.“
Die Entscheidung verdeutlicht, wie groß die Kluft bei den Liberalen ist. „Es gibt immer wieder diese Schüsse aus Berlin“, sagte der Thüringer FDP-Fraktionsgeschäftsführer Tim Wagner am Freitagmorgen der taz. Auch der Landesverband habe die Nachricht von der Distanzierung erst am Morgen über die Medien erfahren.
„Schüsse aus Berlin“
Dennoch gebe es in der Landtagsfraktion keine Probleme, Kemmerich zu unterstützen. „Wir lassen uns da nicht reinreden“, so Wagner. Sollte Kemmerich auf dem Landesparteitag am 14./15. November als neuer Spitzenkandidat gewählt werden, könne er mit der Unterstützung des Landesverbandes rechnen – ungeachtet dessen, was die Bundespartei sagt. „Auf die Mittel des Bundesverbandes sind wir nicht angewiesen.“
Wagner verteidigte den Tweet Kemmerichs, dass „nicht die Annahme der Wahl“ der Fehler gewesen sei, „sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation“. Demnach habe die AfD „falsch gespielt“, so Wagner, als sie Kemmerich mit ihren Stimmen unterstützen, nicht etwa der FDP-Kandidat falsch gehandelt. Dennoch sei auch für den Landesverband klar, „dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gibt“.
Die Landespartei rund um Thomas Kemmerich weist damit erneut die Verantwortung für das Regierungsfindungsdebakel in Thüringen von sich. Anders der Bundesverband: In der Mitteilung heißt es deutlich, die Verantwortung für die Wahl zum Ministerpräsidenten trage Kemmerich selbst. Bereits einen Tag danach war Kemmerich auf Druck der Partei wieder vom Amt des Ministerpräsidenten zurückgetreten.
Im Mai war Kemmerich dann ohne Mund-Nasen-Schutz als Redner auf einer von einem Reichsbürgern organisierten Anti-Corona-Demonstration in Gera aufgetreten, bei der auch die AfD anwesend war. Auch diesen Auftritt kritisierte die Bundesspitze scharf.
Die AfD ist schuld, heißt es aus der Thüringer FDP
Wagner verteidigt im Gespräch mit der taz, Kemmerich sei über die Teilnahme der AfD und die politische Ausrichtung der Veranstaltung nicht im Bilde gewesen. Man habe zu dieser Zeit „inhaltlich-strukturelle Probleme“ innerhalb des Landesverbandes gehabt, weshalb man die Veranstaltung „nicht entsprechend prüfen“ konnte. „All das hat ihn in ein Licht gerückt, in dem er nicht steht.“ Die Landtagsfraktion habe daraus gelernt, die Unterstützung im Landesverband für Kemmerich bleibe jedoch groß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt