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Debatte der Grünen um MigrationZwischen Humanität und Ordnung

Die grüne Spitze bringt einen Dringlichkeitsantrag zur Migration für den Parteitag ein. Die Debatte birgt Sprengkraft, ist aber unvermeidbar.

Wollen Migrationsthema offenbar schnell abräumen: Grüne Bundesvorstände Nouripour und Lang Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Der Bundesvorstand der Grünen geht in die Offensive. Das sechsköpfige Gremium um die Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour hat einen Dringlichkeitsantrag zum Thema Migration eingebracht. Auf dem Parteitag in zwei Wochen soll dieser verabschiedet werden. So schafft die Parteipitze Raum für eine Debatte, die sie ohnehin nicht verhindern kann – und die für die Grünen eine enorme Sprengkraft birgt.

In einem Teil der Partei ist der Unmut darüber, welche Verschärfungen in der Geflüchtetenpolitik die Grünen in der Bundesregierung mittragen, groß. Dort hat gerade erst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für Aufregung gesorgt, weil er bei der Ministerpräsidentenkonferenz gemeinsam mit der Union das Thema Asylverfahren in Drittstaaten auf die Tagesordnung gesetzt hat. Am Ende landete dies als Prüfauftrag im Abschlusspapier, so ähnlich steht es bereits im Koalitionsvertrag.

Das sei weder realistisch noch mit dem Grundrecht auf Asyl vereinbar, kritisierte Katharina Stolla, Sprecherin der Grünen Jugend, in der taz. Und der Europaabgeordnete Erik Marquardt sagte Kretschmann im Tagesspiegel „eine gefährliche Desorientierung“ nach. Ein anderer Teil der Grünen, darunter der Ministerpräsident, ist der Ansicht, dass eine solche Politik eben nötig sei, will man Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen und vermeiden, zurück in die parteipolitische Nische abzurutschen.

Bewährtes und Neues mit Sprengkraft

Der Antrag mit dem Titel „Humanität und Ordnung: für eine anpackende, pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik“ enthält für beide Seiten etwas. Der Bundesvorstand hat ihn am Donnerstag beschlossen und eingereicht, am Abend wurde er dann auf der Website der Grünen veröffentlicht. Für vieles, wovon in dem Antrag die Rede ist, setzen sich die Grünen seit Langem ein: eine bessere Unterstützung der Kommunen, mehr Integrationsmaßnahmen, eine schnellstmögliche Arbeitsaufnahme von Geflüchteten und beschleunigte Asylverfahren.

Auch macht sich der Antrag für Seenotrettung, einen besseren Verteilmechanismus innerhalb der Europäischen Union und die Bekämpfung von Fluchtursachen stark. Aber er enthält auch Sätze wie: „Auch wenn wir Punkte, wie etwa die geplante Verlängerung des Grundleistungsbezugs des Asylbewerberleistungsgesetzes oder die Prüfung von Asylverfahren in Transit- und Drittländern kritisieren: Unsere Demokratie ist stark und muss dies durch ihre Lösungs- und Handlungsfähigkeit zeigen.“

Das kann man so lesen, als müsste man dafür das Kritisierte leider hinnehmen. Später im Text wird das „in Großbritannien gescheiterte Ruanda-Modell“ abgelehnt. Viele der Grünen halten dies wie auch die Verlängerung des reduzierten Sozialleistungsbezugs für Asylsuchende wegen rechtlicher Bedenken ohnehin für nicht umsetzbar.

Weiter heißt es in dem Antrag: „Wir wollen Kapazitäten ausbauen, die soziale Infrastruktur stärken und tragfähige Strukturen schaffen. Daneben müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken.“ Wie das genau gelingen soll, bleibt allerdings – wie so oft in der Debatte – offen. Genannt werden Rückführungen, die rechtsstaatlich durchgeführt werden müssten, auch dazu brauche es Migrationsabkommen, die es noch zu verhandeln gilt.

Nur eine Politik, die Werte und Wirklichkeit verbinde, werde auf Dauer tragen, heißt es weiter in dem Papier. Darüber, was das konkret bedeutet, dürften die Meinungen bei den Grünen auseinandergehen.

Der viertägige Parteitag kommt vom 23. bis 26. November in Karlsruhe zusammen. Neben der Debatte dieses Antrags und eines weiteren Dringlichkeitsantrags zur Solidarität mit Israel steht die Neuwahl von Bundesvorstand und Parteirat, die Verabschiedung des Programms und die Aufstellung der Kan­di­da­t*in­nen für die Europawahl auf dem Programm. Die Tagesordnung ist sehr eng gesteckt, da dürfte ein Ziel der Parteispitze sein, das schwierige Thema Migration gleich zu Beginn abzuräumen.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Liebe Grünen, bitte verwechselt nicht Ordnung und Steuerung mit menschenverachtender, inhumaner Politik!



    Ihr seid doch ebenfalls Teil der Regierung, oder? Dann habt ihr die Chance, sich für die Schaffung sicherer, legaler Fluchtrouten, das Ende der Kooperation mit der sogenannten libyschen Küstenwache sowie für die Etablierung eines europäischen Seenotrettungsprogramms im gesamten Mittelmeer mitsamt einem solidarischen, humanitären Verteilmechanismus für aus Seenot Gerettete einzusetzen!



    Aber ihr begrabt eure Werte, die Verantwortung Deutschlands und der EU unter...was eigentlich? Pragmatismus, praktisches Regieren?!



    Es gibt noch Teile der SPD, der Grünen und die (ohne Wagenknechts) Linken, die sich alle im Sinne von Flüchtenden und people on the move einsetzen wollen...warum schließt ihr euch nicht alle zusammen?!

  • Da schon Dublin gescheitert ist, ist die Vorstellung einer verstärkten gemeinsamen europäischen Asylpolitik geradezu absurd.

  • So ein Antrag ohne Kostenschätzung und Finanzierungsvorschlag ist wertlos.

  • Korrektur:



    Werte Basis, rettet den grünen Ursprung.

  • "Daneben müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken."

    Die Zahlen müssen runter, sonst ....

    Halt, das steht da nicht. Das Problem an diesem Papier ist, dass die Zahlen nicht sinken werden.

    In der Türkei werden Syrer offen verprügelt, schlecht behandelt, in Nord-Syrien randaliert die Türkei mal so mal so, der IS hat dort immer noch operative Zellen, die Infrastruktur ist durch Krieg und Erdbeeben am Ende, Untersstützung gibt es nicht wirklich, im Irak versinken viele Landstriche in Korruption, Nepotismus und Mismanagement, im Iran wollen viele junge Menschen und viele Frauen ausreisen, in Afghanistan ist es für Frauen, Schiiten und ehemalige Anhänger der alten Regierung nicht möglich zu bleiben, in Pakistan sollen Afghanen ausreisen.

    Der Punkt ist, alles was da steht, wird nicht die Lösung bringen, von wegen die Zahlen müssen sinken.

    Noch behämerter wird es, wenn es um die EU geht, dann sieht es so aus, dass viele Staaten der EU keine angemessene Umgangsweise mit Asylverfahren und der Aufnahme von Geflüchteten haben, die Folge ist ein Fokus auf Deutschland, auch 2. und 3. Anträge werden hier gestellt, sind teilweise sogar berechtigt.

    Die Grünen laufen Gefahr, dass sie sich pragmatisch, aber wirkungslos positionieren, dafür geben sie dann aber viel ab, und das sind Inhalte, die vielen Grünen eine Herzensangelegenheit sind.

    Dazu kommt dann noch die Tatsache, dass die Grünen regieren. Die sprechen hier nicht als Oppositionspartei mit einem Ministerpräsidenten (MP), sondern als Regierungspartei mit einem MP. Warum handelt die Regierung denn nicht und stellt Lösungen her?

    Sprich im Sinne der neuen Programmatik: Warum senkt die Regierung nicht einfach die Zahlen? Warum funktioniert das (noch) nicht?

  • Werte + Wirklichkeit = Papierwerte.

    Liebe Grüne, reisst Euch bitte zusammen! Der AfD nachzukläffen stärkt nur die.

    • @tomás zerolo:

      Danke! Dein Beirag hat mir meinen erspart.

  • Wert Basis, retten den grünen Ursprung

    "Wir rücken nach rechts, bitte rückt mit." So könnte der Antrag der Parteispitze zum Thema Migration in wahren Sinne aussehen. Wenn es künftig noch eine grüne Partei geben soll, die grüne Politik macht, dann muss die Basis die Parteiführung wieder von rechtslastig nach grün bringen, und von LPG nach ökologisch.



    Es ist erschreckend was aus diesen Grünen, die ich früher mal aus Überzeugung gewählt habe, geworden ist.

  • Wie so oft bei den Grünen setzen sich die Realos durch. Allerdings fragt man sich dann, was diesen noch von einem SPD-Ansatz unterscheidet. Euphemismen machen sich in Papieren immer gut, die Wirklichkeit heißt Mittragen der Moriaisierung an den Außengrenzen, rechtlich fragwürdiger und in ihrer Wirksamkeit kaum spürbarer Drangsalierungen der Flüchtlinge. Die Grünen machen sich hier ein großes Stück überflüssiger.