Debatte Syrien: Bitte keinen Zwei-Tage-Krieg!
Greift der Westen jetzt militärisch ein, dann nur, weil er seine Interessen schützen will. Die syrische Bevölkerung spielt keine Rolle.
D as vorweg: Falls die westlichen Länder (inklusive Türkei) sich nun zu einer militärischen Intervention in Syrien entschließen, dann tun sie das, um ihre Interessen zu schützen, nicht die der Syrer.
Das bedeutet: Sie werden tun und lassen, was immer sie möchten und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Folgen das für die syrische Bevölkerung haben wird. Unsere Sicht und unsere Bedürfnisse zählen nicht, deswegen wurde bislang ja auch nicht interveniert, trotz aller Verbrechen, die das Regime in den letzten zweieinhalb Jahren begangen hat.
Doch nun scheint der Westen ernsthaft einige schmerzhafte Angriffe gegen die Regierungstruppen zu erwägen, und das dürften die Gründe dafür sein:
ist Agrarwissenschafter und tritt demnächst eine Assistentenstelle an der Universität Florenz an. Zuvor arbeitete er an der NAPC, am Nationalen Agrarwissenschaftlichen Zentrum, in Damaskus. Zwischen 2000 und 2006 war er in der „traditionellen Opposition“ tätig, verließ dann aber das Land, um in Italien seine Studien fortzusetzen. 2010 kehrte er nach Syrien zurück. Als die Aufstände begannen, wurde er zum Militärdienst eingezogen (den er bislang aufgrund seines Studiums hinausschieben konnte). Saddidin desertierte und flüchtete in die Türkei und blieb dort einige Monate, bis er das Visum für Italien erhielt.
Über Facebook hat die „taz“ syrische Oppositionelle um ihre Einschätzung der Situation gebeten.
1. Die Zerstörung in Syrien ist massiv, das Land fällt auseinander (gut für Israel) und das bedeutet, dass egal welche Regierung auf Assad folgen wird, sie wird schwach genug sein, um die geopolitischen Forderungen des Westens zu akzeptieren (wiederum gut für Israel).
2. Dass das Projekt der Islamisten in Ägypten (dem Dirigenten der arabischen Welt) „besiegt“ wurde, hat Folgen auch für die syrischen Muslimbrüder. Sie werden die Fehler ihrer Nachbarn nicht wiederholen (zu schnell nach der Macht zu greifen). Das Begehren der Islamisten, zumindest einige der arabischen Länder zu vereinigen, ist weg.
3. Das wichtigste aber ist: Es wird immer wahrscheinlicher, dass sich die Krise in Syrien auf die Nachbarländer ausbreitet. Je länger man wartet, desto schwieriger wird es, diese Entwicklung zu stoppen. Deshalb ist es vielleicht Zeit einzugreifen, um weitere negativen Folgen für die Region abzuwenden.
Ja, ich denke all die genannten Faktoren sind Indikatoren dafür, dass aus westlicher Sicht die Zeit für eine militärische Intervention gekommen ist. Wie massiv man gedenkt einzugreifen, ist noch offen.
Die Mehrheit der Syrer (mich eingeschlossen) wollen eine Intervention, die endgültig Schluss macht mit dem Assad-Regime (dass dieser Wunsch erfüllt wird, ist sehr unwahrscheinlich). Oder zumindest eine Intervention, die das Regime zum Rücktritt zwingt und dazu, eine Übergangsphase gemäß der Genfer Konferenz zu akzeptieren (das ist schon wahrscheinlicher).
Allerdings könnte es gut sein, dass die Intervention nur als „Bestrafung“ gedacht ist, um eine „starke Botschaft“ an das Regime zu senden, dass es keine Chemiewaffen mehr einsetzen dürfe. Das wäre die schlimmste aller Optionen. Denn sie bedeutet, dass der Krieg noch lange weiter gehen wird...
Aus dem Englischen übersetzt von Ines Kappert.
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