Debatte Schäubles Geheimdienstpläne: Die große Lauschbehörde
An den neuen Abhörplänen Schäubles ist problematisch, dass mit ihnen die Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit verwischt wird. Dabei gibt es die Grenze aus gutem Grund.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat sich Großes vorgenommen: Er will die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten endgültig aufheben. Auf nichts anderes laufen die Pläne aus seinem Ministerium hinaus, wonach die angeblich so zersplitterte Landschaft der Telekommunikationsüberwachung "harmonisiert" werden soll.
Geht es nach dem Willen des Ministers, wird künftig in Einklang gebracht, was aus guten Gründen bisher getrennt ist: die Schnüffelei der Geheimdienste auf der einen Seite, auf der anderen die Ermittlungstätigkeit der Justizbehörden, die den strengen Regeln der Strafprozessordnung unterworfen ist. Noch gilt für die Arbeit der Kriminalisten und der Justizbeamten das Legalitätsprinzip. Das heißt unter anderem: Behörden müssen unabhängig von Anlass oder Person tätig werden, wenn ihnen eine Straftat bekannt wird. Anders die Geheimdienste, die sich auf das Opportunitätsprinzip berufen. Sie entscheiden selbst, ob und gegebenenfalls was sie zur Aufklärung ihnen bekannt gewordener Sachverhalte weitergeben.
Problematisch an Schäubles neuen Abhörplänen ist auch, dass mit ihnen die Grenze zwischen äußerer und innere Sicherheit verwischt wird. Formal ist der Bundesnachrichtendienst allein auf die Auslandsaufklärung festgelegt. Dazu darf er heute schon in den weltweiten Kommunikationsnetzwerken mit einer Art elektronischem Schleppnetz auf Fahndung gehen. Wohin das führen kann, hat der jüngste BND-Skandal gezeigt, beim dem die Spiegel-Reporterin Susanne Kölbl ins Netz geriet.
Schäuble mag weiterhin versichern, auch in einer zentralen Lauschbehörde werde weiter die Trennung zwischen Geheimdienst und Polizei gelten. Die Praxis lehrt das Gegenteil. Das zeigt nicht zuletzt das Beispiel der US-Lauschbehörde NSA, Schäubles Vorbild: 2003 wurde durch puren Zufall enthüllt, dass die NSA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gegen geltendes Gesetz, dafür aber auf Weisung des US-Präsidenten die Kommunikation von Millionen von US-Bürgern überwacht und deren E-Mails mitgelesen hat. Gelegenheit macht eben Diebe. WOLFGANG GAST
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!