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Debatte Pränataltests und ihre FolgenEltern als Selektierer

Kommentar von Matthias Thieme

90 Prozent der Downsyndrom-Föten werden abgetrieben. Pränataldiagnosen und Effizienzerwartung machen Eltern oft zu Privateugenikern.

Oft werden Eltern von Medizinern blind gemacht für die Chancen des Lebens Foto: imago/epd

A ls meine Frau und ich kürzlich den Film „24 Wochen“ im Kino anschauen, beginnt hinter uns eine Zuschauerin herzzerreißend zu weinen. Sie verlässt aber nicht das Kino, sondern schluchzt weiter, bis das halbe Publikum stumm mit den Tränen kämpft. Vorne auf der Leinwand geht es um eine beruflich erfolgreiche Frau mit liebevollem Mann, die ein Kind mit Downsyndrom spät in der Schwangerschaft abtreibt. Während wir im Kino sitzen, vor uns das Abtreibungsdrama, hinter uns die reale Verzweiflung einer Frau, schläft zu Hause unsere dritte Tochter – unser erstes Baby mit Downsyndrom.

Bei allem Verständnis für die schwere Gewissensentscheidung der Protagonistin bleibt beim Betrachten des Films dennoch Unbehagen: Wir schützen die Sumpfschildkröte und den Feldhamster, die Hornotter und die Rotbauchunke per Gesetz – aber bei unserer eigenen Spezies sind wir längst nicht mehr so sicher, wer noch dazugehören soll, wer gesund und effizient genug ist: Mehr als 90 Prozent aller Kinder mit Downsyndrom werden abgetrieben.

Wenn es nach dem „einflussreichsten Biologen seiner Zeit“ (Spiegel), Richard Dawkins, ginge, sollte diese ganze Menschengruppe vom Erdboden verschwinden. Er propagiert eine Abtreibungsrate von 100 Prozent. Rechtlich ist es in Deutschland bis zum Ende einer Schwangerschaft erlaubt, ein Kind mit Downsyndrom abzutreiben, bis zum Einsetzen der Wehen. Hebammen können Geschichten davon erzählen, die man nie mehr vergisst. Denn die Kinder, die dann im Mutterleib durch den Stich einer Kaliumspritze ins Herz getötet werden, sind meistens voll lebensfähig.

Ich bin für das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper, für das Recht auf Abtreibung. Ich respektiere dieses Recht als zivilisatorische Errungenschaft. Aber ich frage mich dennoch, welchem Wertesystem wir folgen, wohin unsere Gesellschaft driftet, in der fast alle Kinder mit Downsyndrom abgetrieben werden. Wenn Behinderte in einer Wohlstandsgesellschaft keinen Platz mehr haben sollen, verliert diese Gesellschaft aus meiner Sicht ihren zivilisatorischen Kern.

Das Motiv war brutal und profan

Die Eugenik hat in Deutschland seit der staatlich gelenkten Ausrottung von Behinderten in der NS-Zeit einen furchtbaren Ruf. Die „Krüppel“ und „Geisteskranken“ sollten die Volksgemeinschaft ökonomisch nicht belasten, so das damalige Denken. Erst ging es um die Verhinderung der Fortpflanzung von „Erbkranken“, „Krüppeln“ und „Geisteskranken“, dann um die Ausrottung der vermeintlich Minderwertigen, die sogenannte Euthanasie: die Vernichtung von als „lebensunwert“ definiertem Leben. Das Motiv war brutal und profan: Es ging um weniger Betreuungskosten, um die Vernichtung von ökonomisch als unnütz definierten Menschen.

Das ist zum Glück Vergangenheit. Doch anstelle der staatlich gelenkten Selektion ist eine Art Privateugenik getreten. Pränataltests und das gesellschaftliche Klima von Leistung und Effizienzerwartung machen die Eltern zwar jeweils individuell, aber in der Summe auch massenhaft zu Privateugenikern. Ein Kind mit Downsyndrom? Möglich und auch erlaubt, sicher. Aber das Risiko, finanziell und unter Prestigegesichtspunkten – wer will das noch eingehen?

Die Pränataldiagnostik ist dabei längst zum Motor einer privat-eugenischen Entwicklung geworden. Oft merken es die Betroffenen kaum, wie schnell die Untersuchungsangebote auf diese Fragen hinauslaufen. Doch was nützt eine Mitteilung, der Bluttest habe eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit auf Downsyndrom ergeben? Was nützt alles theoretische Wissen über mögliche Herzfehler und Entwicklungsdefizite?

Über das Leben mit einem solchen Kind, über das Potenzial an Glück und Erfüllung erfahren die Mütter und Väter nichts. Sie geraten in einen Tunnel aus vermeintlicher Risikovermeidung. Und werden dabei von Medizinern oft blind gemacht für die Chancen des Lebens, zum Beispiel: für ihr mögliches und glückliches Leben mit einem behinderten Kind. Vor dem Lebensrisiko, ein solches Kind nicht zu bekommen, wird selten gewarnt.

Wer darf noch geboren werden?

Viel zu selten wird Eltern auch das Wissen von Experten aus der Behindertenhilfe angeboten oder der Kontakt zu einer Familie mit behindertem Kind.

So ist in der Summe eine Abtreibungspraxis eingetreten, die einem Ausrottungsversuch dieser ganzen Menschengruppe gleichkommt – ohne es als Gesellschaft ausdrücklich zu wollen oder gar geplant zu organisieren. Sondern durch die vielen Entscheidungen einzelner Eltern, durch ihre Angst vor Abhängigkeit, Statusverlust und finanzieller Belastung. Aber auch durch die medizinische Machbarkeit. Den schicksalhaften Werkzeugkoffer der Pränatalmedizin und ihren Möglichkeiten der Selektion.

Wo ist dabei die Grenze? Welche Artgenossen lassen wir künftig noch zur Welt kommen? Die Pränataldiagnostik kennt als Technik keine Beschränkung. Das Ziel der Biomedizin ist das „genetic enhancement engineering“ geworden, die genetische Verbesserungen des Menschen. Das bedeutet aber auch: Gesellschaften, in denen die Geburt eines behinderten Kindes als vermeidbar gilt, werden künftig immer weniger bereit sein, behinderte Menschen zu integrieren. Die Kernfrage bleibt, ob es erlaubt sein soll, menschliches Leben zu töten, nur weil es von der Norm abweicht.

Ich wusste bis vor Kurzem auch nicht, wie schön das Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 ist

Ich wusste bis vor Kurzem auch nicht, wie schön das Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 ist. Heute weiß ich es: Es ist unendlich schön. Und selbstverständlich ist es genauso anstrengend wie das Leben mit anderen Kindern auch, deren Entwicklung man in Wahrheit auch nicht vorherbestimmen kann. Unsere Tochter gibt es nur mit Trisomie 21. Ohne gäbe es sie nicht. Sie wächst und gedeiht. Hört, sieht, schmeckt, riecht alles wie wir. Greift, guckt, krabbelt, brabbelt, steht, sitzt, isst und trinkt. Und lacht oft, mit unbändiger Freude am Leben. Sie ist ein bezauberndes Menschenkind, sie gehört zu uns. Ohne sie wäre die Welt nicht so schön.

Ich hätte die weinende Frau im Kino gern getröstet. Aber ich konnte es nicht.

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48 Kommentare

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  • Ein sehr lesenswerter Artikel.

    Danke

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Sehr geehrter Matthias Thieme,

     

    Vielen Dank für Ihren aufrichtigen Bericht, und Ihrem Mut, Ihre Frage einer Öffentlichkeit preiszugeben. Es hat mich sehr gefreut, meine Erkenntnis aus meinem langjährigem Zusammenleben mit zwei Menschen, die nicht jenem entsprachen, was landläufig als "geistig und körperlich normal" bezeichnet wird, in Ihren Sätzen wiederzufinden: " Über das Leben mit einem solchen Kind, über das Potenzial an Glück und Erfüllung erfahren die Mütter und Väter nichts ... Es ist unendlich schön ... Sie wächst und gedeiht. Hört, sieht, schmeckt, riecht alles wie wir. Greift, guckt, krabbelt, brabbelt, steht, sitzt, isst und trinkt. Und lacht oft, mit unbändiger Freude am Leben. Ohne sie wäre die Welt nicht so schön." Und diese Erfahrung hatte nichts damit zu tun, dass die beiden Kinder Familienmitglieder waren.

     

    Und sollte dies einer als eine Kritik auffassen an solchen, die sich für ein anderes Leben entschieden hatten, so liegt dies daran, dass solche irrtümlich eine Beschreibung, verbunden mit einer Frage, mit einer Kritik verwechseln.

     

    Ihre Frage, welchem Wertesystem die Gesellschaft in ihrem Land folgt, wohin diese Gesellschaft driftet, in der fast alle Kinder mit Downsyndrom abgetrieben werden, sehe ich in deren Kommentierungen beantwortet.

  • Zitat1: "Ich bin für das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper, für das Recht auf Abtreibung."

     

    Zitat 2: "Die Kernfrage bleibt, ob es erlaubt sein soll, menschliches Leben zu töten, nur weil es von der Norm abweicht."

     

    Synthese: Abtreibung wegen keine Lust, keine Zeit, kein Geld etc. ist in Ordnung. Abtreibung wegen Diagnose Trisomie 21 ist nicht in Ordnung.

    • 8G
      80336 (Profil gelöscht)
      @Trango:

      Synthese ist die Vereinigung mehrerer Elemente. Aus Zitat 1 und 2 ergibt sich nicht jenes, was Sie hier irrtümlich als "Synthese" behaupten .

    • @Trango:

      Stimmt, deshalb ist der ganze obige Text von Matthias Thieme vollkommen verunglückt.

       

      Sich erst scheinheilig zum Selbstbestimmungsrecht der Frauen bekennen und dann verzweifelten Eltern (Müttern) ein schlechtes Gewissen machen und mit Nazis gleichsetzen wenn sie nach Beratung und hartem Ringen mit sich ein behindertes Kind innerhalb der Fristen abtreiben.

       

      In Bayern gibt es dafür einen treffenden Ausdruck: "hinterf..."!

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Waage69:

        "hinterf..." ein schönes Wort : )

      • 8G
        80336 (Profil gelöscht)
        @Waage69:

        Stimmt nicht. Den Autor als "scheinheilig", "hinterhältig“ oder „hinterlistig“ zu verunglimpfen, wenn auch "bayrisch" verklausuliert, ist mehr als "verunglückt", er ist zurückzuweisen.

         

        Wie der Autor bereits ausdrücklich darauf hinwies, geht es in seinem Bericht und seiner Frage nicht um Abtreibung "ja" oder "nein". Die "Synthese" ergäbe sich zudem erst dann, wenn der Zeitraum, in welchem Abtreibungen aus den von "Trango" genannten Motiven heraus legal zugelassen werden, bei all den aufgezählten Beweggründen der gleiche wäre, also auch bei "Normabweichung". Was definitiv nicht der Fall ist.

         

        Da nach meinem Kenntnisstand in Deutschland die Kassen die Kosten von ca. 600 € für pränatale Tests übernehmen, muss die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom allem Anschein nach entweder als Krankheit oder Beginn einer Krankheit bei einer versicherten Person aufgefasst werden, oder die Kostenübernahme als willkommene Abwehrmaßnahme zur Vermeidung von Ausgaben für eine weitere zu versichernde Person.

    • @Trango:

      Das "wegen" erzeugt das wichtigste Unterscheidungsmerkmal.

      Zitat3 zur vollständigen Synthese:

      "Wenn Behinderte in einer Wohlstandsgesellschaft keinen Platz mehr haben sollen, verliert diese Gesellschaft aus meiner Sicht ihren zivilisatorischen Kern."

      • @lions:

        "Wenn Behinderte in einer Wohlstandsgesellschaft keinen Platz mehr haben sollen, verliert diese Gesellschaft aus meiner Sicht ihren zivilisatorischen Kern."

        Und das gilt für "normale" Kinder, die wegen mangelndem geld, oder Lust auf elternschaft abgetrieben werden nicht?

        Ich meine ich würde Frauen dieses Entscheidungsrecht ebensowenig aus Finaziellen oder anderen lebensplanungsgründen strittig machen wollen, wie aus der Frage heraus, ob sie ein behindertes Kind in ihre Lebensplanung passt.

        Es ist schön wenn herr Thieme für sich festgestellt hat, dass auch ein Kind mit Down-Syndrom das leben bereichert, aber das gleiche gilt auch für Kinder bei denen aus anderen Gründen überlegt wird, ob man sich gegen ihr Austragen entscheidet. Auch ein Kind, bei dem man wegen anderer Lebensplanung über einen Abort nachdenkt kann einem das Leben bereichern, falls man sich gegen den Eingriff entscheidet. und dass man sich bei einem Behinderten Kind noch etwas eher für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, kann man glaube ich auch ohne Nazivergleich und moralische Herabwürdigung der entscheidenden Eltern akzeptieren.

        Das einzige was ich moralisch noch an dem Text nachvollziehen kann, ist dass es ein Unding ist, dass man bei einem trisomie-21 Kind noch bis vor der Geburt entscheiden kann, ob man das Kind "abtreiben" möchte, denn man muß kein Radikaler ProLife-Vertreter sein um festzustellen, dass es zu diesem Zeitpunkt die Totung eines lebensfähigen Menschen ist.

        • @Lutz Bierend:

          Ich freue mich über Ihren Beitrag, weil er die Debatte fruchtbar verdichtet.

          "Und das gilt für "normale" Kinder, die wegen mangelndem geld, oder Lust auf elternschaft abgetrieben werden nicht?"

          Werden "normale" Kinder verhindert, wird es keine nennenswerten Veränderungen an der Zusammensetzung der Bevölkerung geben. Wird das aber an Behinderten vorgenommen, und ich glaube, wenn das Eis einmal durchbrochen ist, betrifft das viel mehr mal Behinderungsarten, wird es zum einen spürbare Verhältnisänderungen darin geben und zum anderen ein Ungeist der pränatalen "Gen-Hygiene" Einzug halten. Das ist der Unterschied, der erst zu Bewusstsein gerät, wenn man weg von der individuellen zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung kommt. Begriffe wie wertes und unwertes Leben darf es im Kontext Genetik einfach nicht geben. Es ist die Büchse der Pandora.

      • @lions:

        Die Entscheidung der Mutter ist von der Gesellschaft so und so zu akzeptieren, egal ob die Schwangerschaft abgebrochen oder das Kind mit einer Behinderung ausgetragen wird.

        • @Waage69:

          Das Problem besteht darin, der Mutter zu suggerieren, es wäre lebensunwert, solch ein Kind auszutragen. Es ist leicht, die Mutter in alleinige Verantwortung dafür zu stellen; Eben so leicht, wie sie in ihrer Meinung zu beeinflussen. Soll heißen: Was uns bewegt entspringt zwar unserem eigenen Kopf, wird aber vom gesellschaftlichen Konsens stark beeinflusst. Die Mutter wird also ihre Entscheidung auch danach treffen, wie ihr Lebensumfeld sich dazu positioniert. Wollten Sie das leugnen?

          • 8G
            81331 (Profil gelöscht)
            @lions:

            Käse, eine Frau die schwanger ist, ist keine 'Mutter'! Eine Frau wird erst zur Mutter, wenn das Kind geboren wurde. Oder wollen Sie das leugnen? Ausserdem, jede Frau hat das Recht auf Abtreibung.

          • @lions:

            Das Problem besteht darin, der Mutter zu suggerieren sie sei eine Eugenikerin wenn sie ihr Kind nicht austrägt.

             

            Deshalb sind Texte wie der von Herrn Thieme was für die Tonne.

            • @Waage69:

              Wenn Sie die Entscheidung und Verantwortung für die Abtreibung bei allein der Mutter sehen, projizieren Sie ganz folgerichtig die Eugenikproblematik allein auf Sie. Wenn Sie meine Beiträge wie auch den Artikel gelesen haben, werden Sie davon nichts finden. Die Mutter, die die Abtreibung vornimmt, reagiert auf eine Bejahung und Normalisierung dieser Form der Eugenik. Die Schuldfrage richtet sich also nicht an diese Mutter, sondern an ein beeinflussendes Umfeld. Sie machen es sich da zu einfach.

  • @Thomas Friedrich: Woher nehmen Sie die Annahme, dass ein Kind mit Trisomie 21 eine Lebensqualität hat, aus der Sie schlussfolgern, eine Abtreibung wäre hier für das Wohl des Kindes besser gewesen? Es gibt sicherlich Behinderungsarten, die mit derartigen körperlichen Qualen uns einen (kurzem) Leben im Krankenhausbett verbunden sind, wo eine frühe Abtreibung Leid ersparen kann. Aber bei einer Trisomie 21 sehe ich dies absolut nicht gegeben, selbst wenn verfrüht körperliche Gebrechen eintreten. Und ja, es gibt gute Gründe, Abtreibungen von "Zellhaufen" zu gestatten bzw. nicht zu sanktionieren. Aber ein lebensfähiges Kind, vollausgebildetes Kind zu töten ist meines Erachtens etwas völlig anderes. Hier sollte sich die Gesellschaft durchaus die "ethische Frage" stellen!

    Wenn dann noch "ökonomische Gesichtspunkte" (@Benevolens) in die Debatte einfließen, sind wir tatsächlich wieder auf dem Weg weg von der privaten hin zur gesellschaftlichen Auslese.

     

    Von daher vielen Dank für diesen Artikel!

    • @Florian Fritsch:

      "Aber ein lebensfähiges Kind, vollausgebildetes Kind zu töten ist meines Erachtens etwas völlig anderes."

       

      Sofern Sie auf Spätabtreibung anspielen: Kritik daran kann ich nachvollziehen. Dank heutiger Bluttests kann das Down-Syndrom aber schon in der 10. Woche festgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt gibt es nur eine empfindungslose Zellformation. Abtreibung in diesem Frühstadium finde ich grundsätzlich in Ordnung, selbst aus trivialen Gründen, z.B. weil eine junge Frau noch kein Kind möchte. Also warum sollte ich anders darüber denken, wenn der Embryo Trisomie 21 hat? Warum sollten behinderte Embryonen mehr Rechte haben als nichtbehinderte? Anders gefragt: Warum wird die Abtreibung aus ethischen Gründen - nämlich um einem zukünftigen Menschen ein Leben ohne Behinderung zu ermöglichen - stärker kritisiert als die Abtreibung aus rein egoistischen Gründen?

    • @Florian Fritsch:

      Ja, wie bei all unseren Entscheidungen spielen soziale Einflüsse eine wesentliche Rolle.

      Das halte ich nicht für problematisch, solange niemand per Gesetz zu etwas gezwungen wird. Solange bleibt es auch eine "private Auslese".

  • Ich würde es niemals hinnehmenm, wenn jemand die Autorin für ihre Entscheidung für ein Kind mit Trisomie 21 kritisieren würde. Umgekehrt möchte ich aber die gleiche Entscheidungsfreiheit haben und würde mir diese ebenso herausnehmen. Jeder soll für sich selbst entscheiden können, wie man sein Leben gestaltet und was man sich zutraut oder zumuten möchte. Der Artikel regt zum Nachdenken an, aber die Autorin muss anerkennen, wenn man dabei zu einem anderen Schluss kommt. Ich freue mich jedenfalls, dass die Autorin die für sie richtige Entscheidung getroffen hat.

  • ich finde den Artikel auch gut, allein die Frage der Abtreibung Behinderter auf die Ökonomie zurückzuführen, finde ich unzureichend. Es geht eben auch um die Belastbarkeit von Eltern, ob sie sich zutrauen, ein behindertes Kind groß zu ziehen und wie lange sie sich das zutrauen, weil sie auch selbst älter werden.

     

    Neben dem Geld ist im übrigen noch ein "schlechter" Grund denkbar, dass Kinder teilweise auch als eine Art "Perfektionierung des eigenen Lebens" wahrgenommen werden und dafür müssen es natürlich gesunde starke Kinder sein und nicht welche, die schon gleich mit einem "Makel" starten. Ich meine das durchaus kritisch, nicht dass der Kommentar falsch verstanden wird. Ein Kind sollte keinen "Anspruch" erfüllen müssen, um gewollt zu sein. Der einzige legitime Grund für eine Abtreibung ist in diesem Sinne, dass die Eltern sich die Aufgabe nicht zutrauen.

    • @Dr. McSchreck:

      Ja, und das ist der springende Punkt nicht nur in Sachen möglicher vorhersehbarer, überdurchschnittlicher Belastung durch einen zukünftigen Menschen. Es fehlt die gesellschaftliche Anerkennung von solchen Betreuungs- und Pflegeleistungen und damit auch Unterstützung. Es betrifft genauso später erkrankte/behinderte und alternde Menschen. Wieso "dürfen/sollen" die dann nicht getötet werden? Ist doch alles nur Belastung und kostet Geld - ach, aber mit der Omi, dem Vater geht das doch nicht, den haben wir ja schon als Mensch kennen gelernt.

       

      Auf der anderen Seite tut die Menschheit alles dafür, dass kaum noch einer sich gesund nennen kann und tatsächlich (ökonomisch und gefühlt) auch ist. Das betrifft die Themen Umwelt, Arbeitsbelastung und Soziales - also Lebensqualität. Wie viele bekommen im Laufe ihres Lebens allein Allergien, Autoimmunerkrankungen, Krebs, Parkinson/Alzheimer? Von Rücken und Migräne ganz zu schweigen. Eigentlich könnten wir uns doch alle die Kugel oder die Spritze geben...

       

      P.S.: Und es ist mitnichten mehr so, dass Eltern, die ein Kind NICHT abtreiben, dafür respektiert werden! "Selbst schuld" lautet dann meist die Devise. "Hätten sie ja nicht haben müssen, den Stress..."

      • @Hanne:

        ...ach, aber mit der Omi, dem Vater geht das doch nicht, den haben wir ja schon als Mensch kennen gelernt."

        Was soll dieser Zynismus? Genau das ist der springende Punkt. Vor der Geburt gibt es eine Entscheidungsmöglichkeit - bei Erkrankungen/Unfällen von Lebenden eben nicht.

         

        "Selbst schuld" lautet dann meist die Devise. "Hätten sie ja nicht haben müssen, den Stress..."

        Dies gilt aus meiner Sicht für solche Eltern, die sich über den Stress beklagen, tatsächlich. Dies gilt NICHT wenn Eltern behinderter Menschen mehr Unterstützung und weniger Ablehung einfordern.

        • @benevolens:

          "das ist der springende Punkt."

           

          Da setzen Sie vielleicht Ihren Punkt, andere vielleicht auch viel weiter hinten?

           

          Warum also nicht auch bereits lebende Menschen, die sich nicht "rentieren" töten? Das ist keine zynische Frage, sondern eine um die Definition der Punktverschiebung.

           

          Was heute nicht üblich ist, kann es demnächst sein...

  • Ja leisten muss Mensch heute, von Geburt an; alles dran, einwandfrei. Ab auf die Penne, dann vll Ingenieurstudium, (Eltern stolz wie Sau), zu nem großen Autohersteller und an der Software rumgedreht, bis tausende t Stickoxide mehr rumfliegen.

    Könnt aber auch nen Richter werden, der Kinder vorschnell ins Heim steckt; Ein Politiker, der Waffenexporte freigibt etc. - Wertvorstellungen von einem Menschen.

    Aber ein behindertes Kind, das geht gar nicht und damit meine ich nicht nur die Eltern, die es ablehnen, sondern vielmehr die Gesellschaft, die diese mit dem aufwendigeren Kind im Gro alleine lassen und die Mitmenschen, die dazu die Nase rümpfen, wenn´s Sonntag zum Spaziergang geht. Nein, ein behindertes Kind leistet eben nicht. Und daran erinnert werden, dass wir alle mit dem Risiko leben, behindert zu werden, wollen wir auch nicht.

    Ich würde sogar dazu übergehen, dass wir genetisch belastete Erbguträger, weil keine Leistungsträger) die Sterilisierung nahelegen. Vll könnten wir so dem lästigen Thema Abtreibung vorbeugen.

    Das Thema macht mich so traurig; Ich verdränge es am besten.

    • @lions:

      Es geht nicht um Leistung, sondern um Lebensqualität. Ich habe unten die rein körperlichen Probleme genannt, die zu der geistigen Behinderung noch hinzukommen. Wobei man auch die geistige Behinderung nicht verharmlosen sollte, da sie eine extreme Einschränkung der Lebensmöglichkeiten bedeutet.

       

      Also wenn man seinem Kind dieses Übel ersparen kann, warum sollte man das nicht tun? Dem zukünftigen Kind kann es egal sein, ob es aus der 1. oder aus der 2. Schwangerschaft entstanden ist.

       

      Kritik ergibt nur Sinn, wenn man empfindungslose Zellhaufen für menschliche Personen hält und Abtreibungen grundsätzlich ablehnt. Das tun aber die wenigsten linken PND-Kritiker.

      • @Thomas Friedrich:

        Was wissen Sie denn von der Lebensqualität eines Paares mit behindertem Kind, was mit Leibeskräften unterstützt wurde?

        Wenn die "untere" Grenze nach oben korrigiert wird, wer ist dann wohl als nächstes dran?

        Selbst gesunde Kinder in spe stehen bezgl Lebensqualität jetzt schon zur Disposition. Sie wollen die Büchse der Pandora mit dem Anspruch auf "Lebensqualität" geöffnet sehen. No way!

        • @lions:

          Ich rede nicht von der Lebensqualität der Eltern, sondern von der des zukünftigen Kindes. Ich finde, man lehnt sich nicht weit aus dem Fenster, wenn man sagt, dass Herzfehler, Darmverschlüsse, Immunschwäche, hohes Leukämierisiko und die Aussicht, ab 40 dement zu werden, die Lebensqualität einschränken.

           

          Und dann sind da noch die Einschränkungen, die sich aus der geistigen Behinderung ergeben. Mit einem IQ von 50 kann man kein selbstständiges Leben führen, keinem normalen Beruf nachgehen, keine Familie gründen. Es ist doch nicht behindertenfeindlich, wenn man feststellt, dass es sich dabei um Nachteile handelt. Sonst könnte man auch in der Schwangerschaft Alkohol trinken, wenn ein Leben mit geistiger Behinderung genauso gut wäre.

          • @Thomas Friedrich:

            Das macht es doch nicht besser. Fragen Sie einen Menschen mit Trisomie, ob er gern lebt! Ich habe sogar den Eindruck, dass diese Menschen sehr freudig und freundlich sind. Sie sollten Ihre Vorstellung von Lebensqualität nicht auf andere Menschen übertragen. Des weiteren leiden Menschen mit dieser Behinderung am meisten unter den mitleidigen Blicken und Abschottung derer, die so eine verkorkste Ansicht vertreten. Das Problem eines Defizits an Lebensqualität generiert also nicht der Behinderte durch seine Beschaffenheit an sich, sondern wie sein Umfeld darauf reagiert. Sie sollten Trisomie 21- Menschen kennenlernen und Sie würden Ihre Gedanken verwerfen.

            Der Wolf ist dem Mensch Mensch, kein Mensch, wenn er ihn nicht kennt.

            • @lions:

              Es gibt auch Menschen mit fetalem Alkoholsyndrom, die gerne leben. Trotzdem ist man ohne diese Behinderung offensichtlich besser dran. Ich behaupte ja nicht, dass Downies andauernd leiden. Ich behaupte, dass ein Leben ohne Down-Syndrom eine bessere Lebensqualität verspricht.

               

              "Das Problem eines Defizits an Lebensqualität generiert also nicht der Behinderte durch seine Beschaffenheit an sich, sondern wie sein Umfeld darauf reagiert."

               

              Die Umwelt generiert nicht Herzfehler, Darmverschlüsse und Blutkrebs. Die Umwelt ist auch nicht der Grund, wieso die Betroffenen kaum über den Aktionsradius eines Kindes hinauskommen und in relativ jungen Jahren dement werden.

               

              Wie gesagt: Letztlich geht es nicht um die Frage, ob ein Leben ohne Down-Syndrom erstrebenswerter ist. Gäbe es eine Pille, deren Einnahme in der Schwangerschaft die Entstehung des Down-Syndroms verhindert, dann würde niemand damit ein moralisches Problem haben. In Wirklichkeit geht es um die moralische Beurteilung von Abtreibung.

            • @lions:

              „Fragen Sie einen Menschen mit Trisomie, ob er gern lebt!“

              Mit dem Argument können sie auch gleich alle Frauen, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken in die Nazi-Ecke schieben, denn Fragen sie mal ein normales Kind, ob es gerne lebt oder lieber abgetrieben worden wäre.

              Die Frage, was das Kind einmal denken würde, ist etwas, was man bei der Entscheidung, ob man dieses Kind aufgrund der persönlichen Umstände und Lebensplanungen bekommen will oder nicht, eher ausblenden sollte.

              Nur weil sie Menschen Trisomie-21 kennen, die gerne Leben, weil sie Eltern haben, die in der Aufgabe aufgegangen sind sie groß zu ziehen, heißt nicht dass alle Eltern in dieser Aufgabe ebenso aufgehen würden.

              Wenn Sie sich einerseits beklagen, dass Menschen durch das Gerede ihres Umfeldes möglicherweise zu Entscheidungen gebracht werden, die sie später bereuen, fragen sie sich mal ob sie nicht gerade genau das Gleiche in die andere Richtung betreiben. Fragen sie sich mal, ob sie hier nicht ebenso agieren, wie jene überzeugten ChristInnen, die vor Abtreibungskliniken Babybilder hochhalten, weil sie den Menschen, die sich einem Schwangerschaftsabbruch durchgerungen haben, unterstellen, dass sie es sich zu einfach mit ihrer Entscheidung gemacht haben.

              SIE brauchen ja nicht die Verantwortung für deren Entscheidung zu tragen.

              Wenn jemand sich eigentlich ein „normales“ Kind gewünscht hat und das Kind später dafür verantwortlich macht, weil sie unglücklich werden, wenn sie diese Vollzeit-Beschäftigung, die ein behindertes Kind potentiell bedeutet, überhaupt nicht zu leisten bereit ist, wird die Frage, ob es Leben will, vielleicht nicht so eindeutig ausfallen.

              Letztendlich ist das eine sehr individuelle Entscheidung, welche die potentiellen Eltern für sich treffen müssen. Da hilft es auch nicht, den Eltern zu unterstellen, dass sie, wenn sie heute ein behindertes Kind abtreiben, dass sie Morgen auch ein Kind mit der falschen Augenfarbe abtreiben würden.

            • @lions:

              Es geht nicht um die Kinder mit Trisomie die auf der Welt sind - willkommen und alle Liebe!

               

              (Ist man gar nicht von Ihnen gewohnt dass Sie so dermaßen am Thema vorberschreiben.)

              • @Waage69:

                Gewiss an Ihrem Thema.

                Es geht mir darum, dass hier eine Grenze des Machbaren überschritten wird. Ich leite die absolute Daseinsberechtigung von Trisomie- Menschen auch davon ab, dass ich ausnahmslos die mir mir bekannten als lebensbejahend erlebe, außer dass diese von ihrer Umwelt überwiegend und latent abgelehnt werden.

                Die ethische Grenze ist für mich auch dahingehend überschritten, dass es evtl weitere genetische Anomalien geben könnte, die einen Abort nach sich ziehen könnten. Der Phantasie sollen da keine Grenzen gesetzt sein.

                Wir wären dabei, den perfekten Menschen zu kreieren- sowieso ein Absurdum.

                Wenn man alle Risiken eines schweren Lebensverlaufes so ausschließen wollte, warum wird nicht gleich in prekären Bevölkerungsschichten oder psychisch vorbelasteten Elternhäusern die Abtreibung empfohlen, da doch das Risiko des Scheiterns gesellschaftsbedingt sehr groß ist. Die Frage nach der Lebensqualität ist hier also völlig fehl am Platz. Die Dimension, die ein Fürspruch zur Abtreibung von Behinderten in spe einnimmt, ist Ihnen überhaupt nicht klar und Ihr Pragmatismus entbehrt hier allen ethischen Horizonts.

                • @lions:

                  Trisomie Menschen haben eine absolute Daseinsberechtigung ab der Geburt wie jeder andere Mensch auch.

  • Ich denke es ist grundsätzlich das Recht der Eltern, insbesondere der Mütter, zu entscheiden ob ein Kind ausgetragen wird oder nicht.

    • @Waage69:

      Es geht nicht um das Recht an sich, sondern um das besondere "Recht" bis zur Geburt zu töten und vor allem auch um die Gesellschaft, die einen dazu nötigt!

       

      Viele Eltern sehen bei den heutigen Diagnosemöglichkeiten und -ergebnissen meist selbst keine Wahl, sondern auch bei anscheinend eigener Entscheidung, ist diese sehr vorbelastet durch die Gesellschaft, die Ärzte, die Familie, die Kollegen etc.

       

      Es ist nun mal nicht die gleiche offene Antwort wie z.B. bei der persönlichen Frage: "Lege ich mir einen Hund oder Ziegen zu oder besser nicht?"

       

      Möglich "Behinderte" sind keine Tiere, mir geht es um die Art der Antwortmöglichkeiten und wie sie von der Gesellschaft beeinflusst werden.

  • Ich finde auch das Argument ökonomischer Gesichtspunkte nicht völlig vernachlässigungswert. Menschen mit Beeinträchtigungen können z.B. im Bildungs- und Gesundheitswesen leicht das Zehnfache gesunder Menschen kosten. Viele erwirtschaften auch nie etwas.

    Zusammen mit

    einer liberalen Auffassung der Lebendigkeit pränataler Organismen,

    und der Überzeugung, dass Menschen nicht gezwungen werden sollten offensichtliche Nachteile ihrer Kinder einfach erdulden zu müssen, denke ich mir: Lass sie doch abtreiben.

     

    Außerdem: Designerbabys sind ohnehin nur noch eine Frage der Zeit. Die Werte unserer Gesellschaft müssen das irgendwie vernünftig in sich aufnehmen ohne zu verrohen.

    • @benevolens:

      Klar - wenn frauman selbst keinen Halt hat.

      Hält frauman selbst - alles aus.

      kurz - Nicht zum Aushalten.

      Nur - Sie leben in einem Rechtsstaat!

      Nicht in einer Räuberhöhle!

      Sie werdens auszuhalten haben!

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    „… aber bei unserer eigenen Spezies sind wir längst nicht mehr so sicher , wer noch dazugehören soll…“

     

    Wir schützen Spezies die vom Aussterben bedroht sind und es braucht den Zwang weil die Menschen, welche sie bedrohen oft keinen guten Grund haben diese Spezies in Frieden zu lassen. Bei ungebohrenen Kindern liegt der Fall aber ganz anders. Eltern und auch werdende Eltern haben eine starke emotionale Bindung zu ihren Kindern und entsprechend ein Eigeninteresse daran deren Leben zu erhalten.

     

    Nun haben wir Müttern die keine Kinder wollen, das Recht eingeräumt ihre ungebohrenen abzutreiben. Das finde ich richtig und wer A sagt der muss auch B sagen. Dann kann man jetzt nicht Artenschutz-Argumenten ankommen und bestimmte Ungebohrene von der Entscheidungsfreiheit der Mutter ausnehmen. Die Entscheidung mag in vielen Fällen egoistisch sein aber in solch einem Fall halte ich eine egoistische Entscheidung für die beste. Das Kind muss schließlich auch von jemandem großgezogen werden. Wenn diese Menschen das Kind aber überhaupt nicht wollen dann erwartet das Kind vermutlich kein schönes Leben und deren Eltern ebenso nicht.

     

    „Gesellschaften, in denen die Geburt eines behinderten Kindes als vermeidbar gilt, werden künftig immer weniger bereit sein, behinderte Menschen zu integrieren.“

     

    Das ist erstmal nur eine Behauptung und ich sehe keinen Grund dafür warum sie zutreffen sollte. Mir fallen sogar einige Gründe ein die dagegen sprechen. Wenn es weniger behinderte gibt dann kann der Staat diese finanziell besser unterstützen. Mit medizinischem und technischem Fortschritt wird es immer besser möglich sein Behinderungen zu kompensieren. Und letztlich glaube ich nicht das es in der Vergangenheit einen Zusammenhang zwischen der Anzahl Behinderter und deren Akzeptanz gab. Ich denke hier spielen menschliche Faktoren eine große Rolle und die wird sich durch schrumpfende Zahlen nicht verändern.

  • Zu einseitig das Ganze, zu zugespitzt (Ausrottung!). Gut möglich, dass das mal notwendig ist, um einen Punkt in einer Debatte zu machen, oder auch, um der überwiegenden Tendenz der Veröffentlichungen etwas entgegenzuhalten, aber ein Zerrbild sollte dann doch nicht entstehen.

    Vorab: volle Zustimmung von mir für diesen zentralen Satz: "Gesellschaften, in denen die Geburt eines behinderten Kindes als vermeidbar gilt, werden künftig immer weniger bereit sein, behinderte Menschen zu integrieren."

    Problematisch wird es, wenn der Autor meiner Meinung nach unrichtige Motive denen unterstellt, die sich, anders als er und seine Partnerin, gegen ein Kind mit Downsyndrom entschieden haben: "...Angst vor Abhängigkeit, Statusverlust und finanzieller Belastung". Nichts davon spielte in den Fällen, die ich kenne, eine entscheidende Rolle. Ein Kind mit Downsyndrom zu haben bedeutet in der Regel, dass sich das Leben komplett ändert und Lebensperspektiven nicht weiter verfolgt werden können.

    Indem der Autor das nicht thematisiert, stellt er implizit die zentrale Rolle des Strebens nach dem guten Leben in Frage, ein Streben, das oft egoistisch, asozial gar, gelebt wird, das aber in ethischen Debatten nur schwer gänzlich ersetzbar ist. Die Argumentationsfigur des guten Lebens oder gar Glücks taucht beim Autor nur im Zusammenhang seines individuellen Familienlebens auf. Wäre es nicht angemessen gewesen, darauf hinzuweisen, dass auch Lebenswege derjenigen, die sich anders als er und seine Frau entschieden haben, zu großem Glück führen können?

    • @My Sharona:

      Doch, es geht genau um das nicht ausgesprochene Ziel von Null-Mitmenschen mit Trisomie 21.

       

      Mein Leben ändert sich auch komplett, wenn mein Partner und/oder Kind pflegebedürftig wird oder stirbt.

       

      Oder wenn Krieg ausbricht oder ein Atomkraftwerk in die Luft geht...

       

      Der Mensch kann sich nunmal nicht vor allem schützen, denkt aber, dass ihm das Recht vor der Geburt eines Kindes zusteht, das Risiko zu minimieren - und das auf Kosten eines Menschen, dem Lebensqualität schon vorab abgesprochen wird und als Kostenverursacher in die zukünftige Bilanz eingeht.

       

      Nein, ich bin auch nicht gegen Abtreibung an sich, aber die Argumente der Debatte um Pränataldiagnostik finde ich sehr, sehr gefährlich und sie scheint "bestens" am Laufen zu sein.

       

      Wissen Sie eigentlich wie viele falsch-negative Diagnosen es gibt?

       

      Nur ein Beispiel: Eine Kollegin sollte vor wenigen (!) Jahren angeblich ein mehrfach behindertes Kind gebären (laut Vorhersage), sie hatte ein anderes Gefühl und ließ sich nicht beeindrucken. Und? Das Kind ist gesund wie ihre drei anderen vorher auch, sie ist über 40 und alleinerziehend. Vor solchen Menschen habe ich Respekt!

  • Sorry, da fehlte der Rest: "...gilt das Gleiche für die Abtreibung von Embryonen mit Trisomie 21."

  • Insofern: Streiten kann man nicht darüber, ob es richtig ist, Behinderungen zu vermeiden, sondern nur darüber, ob Abtreibungen moralisch vertretbar sind. Und hier sollte man konsequent sein: Wenn man der Meinung ist, dass ein Embryo eine menschliche Person ist und Abtreibung grundsätzlich verwerflich, dann ist es konsequent, diese Meinung auch auf Down-Embryonen anzuwenden. Ist man aber der Meinung, dass ein Embryo keine Person ist und findet man es legitim, dass eine Frau sich aus beliebigen Gründen für eine Abtreibung entscheiden darf, dann ist es absurd, für Embryonen mit Trisomie 21 eine Ausnahme zu machen.

     

    "Über das Leben mit einem solchen Kind, über das Potenzial an Glück und Erfüllung erfahren die Mütter und Väter nichts."

     

    Das Gegenteil ist der Fall. Die Medien zeigen ausschließlich Bilder von glücklichen, jungen Menschen mit Down-Syndrom. Die schweren gesundheitlichen Probleme und der rasche geistige Verfall ab 40 werden nicht gezeigt.

     

    "So ist in der Summe eine Abtreibungspraxis eingetreten, die einem Ausrottungsversuch dieser ganzen Menschengruppe gleichkommt"

     

    Das ist natürlich Unsinn. Die Tatsache, dass es in einigen Jahrzehnten keine Menschen mit Conterganschäden mehr geben wird, bedeutet ja auch nicht die "Ausrottung einer Menschengruppe". Es bedeutet, dass keine neuen Menschen mit dieser Behinderung geboren werden. Und wenn man der Meinung ist, dass ein Embryo noch keine menschliche Person ist, dann

    • @Thomas Friedrich:

      Diese Menschen werden aber geboren, nur eben ohne Conterganschäden!

       

      Verstehen Sie den feinen Unterschied nicht?

      • @Hanne:

        Es gibt nur dann einen relevanten Unterschied, wenn man Embryonen für menschliche Personen hält. Ein empfindungsloser Zellhaufen ist aber keine menschliche Person. Darum gibt es "diesen Menschen", der später geboren werden könnte, noch nicht.

  • Die Zwangseugenik der Nazis war ein Verbrechen, weil sie auf Zwang beruhte, nicht weil sie Eugenik war. Insofern ergibt sich daraus kein Argument gegen eine liberale Eugenik, bei der Eltern sich freiwillig darum bemühen, ihrem zukünftigen Kind ein Leben ohne schwere Krankheit oder Behinderung zu ermöglichen. Würde ein Staat AIDS-Kranke kastrieren oder umbringen, dann würde sich daraus auch kein Argument gegen den freiwilligen Gebrauch von Kondomen ergeben. Niemand würde argumentieren, dass wir AIDS als Bereicherung der Menschheit begrüßen müssen, nur weil ein Staat in der Vergangenheit eine unmoralische Form der AIDS-Prävention betrieben hat.

     

    Beim Down-Syndrom sollte man bedenken, dass diese Behinderung nicht nur mit geistigen Einschränkungen verbunden ist, sondern auch mit gesundheitlichen Problemen: Herzfehler, Immunschwäche, Darmverschlüsse, ein 20fach erhöhtes Leukämie- und Epilepsie-Risiko. Ab 40 entwickeln die meisten Betroffenen Symptome der Alzheimer-Krankheit. Allein wegen dieser Beschwerden ist es vernünftig, dem zukünftigen Kind ein Leben ohne Down-Syndrom zu wünschen.

     

    Im Übrigen bemühen wir uns auch in anderen Bereichen um die Vermeidung von Behinderungen, ohne dass jemand darin eine behindertenfeindliche Maßnahme sieht. Impfungen gegen Kinderlähmung, Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft, Einnahme von Folsäure; all das dient der Vermeidung von Behinderungen und ist Ausdruck unserer Überzeugung, dass ein Leben ohne Behinderung wünschenswerter ist. Und stellen wir uns vor, das Down-Syndrom hätte keine genetische Grundlage, sondern wäre durch ein Medikament wie Contergan verursacht. Wäre es dann behindertenfeindlich, wenn dieses Medikament vom Markt genommen wird?

    • @Thomas Friedrich:

      "all das dient der Vermeidung von Behinderungen und ist Ausdruck unserer Überzeugung, dass ein Leben ohne Behinderung wünschenswerter ist. "

       

      So ein schlechter Vergleich: Behinderung/Krankheit vermeiden/vorbeugen ist es etwas anderes als einen ganzen Menschen "vermeiden" und ihm grundsätzlich Lebensqualität absprechen.

       

      Mal abgesehen davon möchten viele Eltern sogar Kranksein/-werden komplett vermeiden, nicht mal mehr Windpocken dürfen Kinder haben. Die Kinder könnten unter dem Jucken leider und die Eltern könnten nicht ökonomisch genug sein...

  • Ein guter Artikel, gut geschrieben und den Finger in offene Wunden legend. Privat dulden wir, im Namen der individuellen Freiheit, mehr, als wir einem Staat erlauben würden. Ja, vielleicht wäre sogar die Frage nach einer ethischen Gesamtbeurteilung der Lebensumstände zu stellen: wir stellen eine tierlose Ernährung als das höchste Ziel hin, vergessen aber was wir mit uns machen. Vielleicht verdrängen wir auch nur, weil die Interessenkonflikte nicht auflösbar sind. Aber auf gesellschaftlicher Ebene ist der Konfikt lösbarer. Daher glaube ich auch nicht dass die Schlussfolgerung:

     

    "Das bedeutet aber auch: Gesellschaften, in denen die Geburt eines behinderten Kindes als vermeidbar gilt, werden künftig immer weniger bereit sein, behinderte Menschen zu integrieren."

     

    notwendig ist. Im Gegenteil, es wird immer mehr getan, von der Barrierefreiheit bis zur medizinischen Versorgung. Auch wenn alles, inklusive der Beratung verbessert werden könnte.

    • @fly:

      Doch, ich denke schon, dass genau diese Schlussfolgerung nötig ist, dass sie deutlich angesprochen und diskutiert wird.

       

      Und sie ist auch jetzt schon aktuell bei betroffenen Familien und Menschen spürbar!