Debatte Machtkampf in der AfD: Petrys Balanceakt
Die AfD punktet als Antiflüchtlingspartei. Aber intern brodelt es. Der Erfolg des Rechtsaußen Björn Höcke könnte für Petry zur Gefahr werden.
E s läuft derzeit gut für die Rechtspopulisten der AfD. Täglich 50 Eintritte verzeichnet die Partei nach eigenen Angaben und steuert damit wenige Monate nach ihrer Spaltung auf einen neuen Mitgliederhöchststand zu, in Wählerumfragen liegt sie konstant bei 7 Prozent oder darüber.
Sie wird – nach jetzigem Stand – bei den Wahlen im Frühjahr in drei weitere Landtage einziehen, mit Baden-Württemberg erstmals in einem großen Flächenland im Westteil der Republik. Selbst der Einzug in den Bundestag 2017 scheint möglich. Alfa, die Abspaltung um Parteigründer Bernd Lucke, dagegen geht unter.
Was die Eurokrise nicht vermochte, schafft die große Anzahl der Geflüchteten, die derzeit nach Deutschland kommen. Die AfD hat ihr Thema gefunden. Klar wie keine andere Partei jenseits der Rechtsextremen setzt sie auf Abwehr. Die AfD ist die Antiflüchtlingspartei. Und bietet damit einen Hafen nicht nur für jene, die schon immer Angst vor Fremden hatten, sondern auch für die, die die Handlungsfähigkeit des Staates schwinden sehen und Merkels „Wir schaffen das“ anzweifeln. CSU-Chef Seehofer, aber auch mancher Christ- und Sozialdemokrat schürt diese Ängste und betreibt damit das Geschäft der AfD.
Viel muss die AfD für ihren Erfolg derzeit nicht tun. Nur Fehler machen darf sie nicht. Die beiden gefährlichsten: eine allzu große Nähe zum Rechtsextremismus und interne Zerwürfnisse. Auf beide aber steuert die Partei wieder zu. Und damit auf einen neuen Machtkampf ähnlich dem, von dem sich die Partei gerade erst erholt. Parteichefin Frauke Petry wäre dabei in einer neuen Rolle zu sehen: der des ehemaligen Parteichefs Lucke. Aus der, die Lucke vor sich hertreibt, könnte die Getriebene werden. Und die AfD wieder weiter nach rechts rücken.
Hier zeichnet sich ein Muster ab, das dem Gründungsmythos der AfD innewohnt. In der Partei kommen Menschen zusammen, die denken, ihre Meinung werde unterdrückt. Das Versprechen: Hier dürft ihr sagen, was ihr denkt, auch über Schwule und Frauen, Flüchtlinge, die USA und den Islam. Die AfD widersetzt sich dem Gesinnungskonsens, sie bricht Tabus.
Das Muster geht, vereinfacht gesagt, so: Die Parteispitze will die Stimmen von rechtsaußen, ohne das bürgerliche Lager zu verschrecken. Deshalb greift sie ein, wenn die Partei oder einzelne Mitglieder zu weit nach rechts driften. Das aber kommt bei den „Das wird man doch wohl mal sagen dürfen“-Bürgern der AfD gar nicht gut an. Es folgen Empörung, Protest, Druck. In der AfD dürfe alles diskutiert werden, so hat es Parteivize Alexander Gauland einmal zusammengefasst. Die Grenze sei allein das Grundgesetz. Lucke sah das anders. Auch deshalb wurde er gestürzt.
Ein neuer Star
Petry, auf dem Spaltungsparteitag im Juni noch als Hoffnungsträgerin gefeiert, taucht in der Öffentlichkeit derzeit wenig auf. Die AfD hat einen neuen Star: den thüringischen Landeschef Björn Höcke. Der Mann, der bei Jauch die Deutschlandfahne auf seinem Sessel platzierte und der gern von „blond“ und „deutsch“ und „tausendjährig“ spricht.
Am Samstag hatte die AfD-Bundesspitze zur Großdemonstration nach Berlin geladen. 5.000 Anhänger kamen. Petry hielt eine hölzerne Rede, der Applaus war freundlich, euphorisch war er nicht. Höcke brachte in Erfurt jüngst nicht nur 8.000 Menschen auf die Straßen, er rockte die Menge auch. Und schafft es so in die Medien. Bis in die Talkshow zur besten Sendezeit am Sonntagabend.
Höcke gehört zur neuen Rechten, er markiert den Rand der Partei. Er bezeichnet sich selbst als Patriot, argumentiert völkisch und deutschnational, in seinen Reden scheint die Weimarer Republik in ihrer Spätphase auf. Höcke ist anschlussfähig bis weit ins rechtsextreme Lager.
Zu viel Höcke könnte ein Problem werden
Nach seinem bizarren Auftritt bei Jauch sah Petry, dass zu viel Höcke ein Problem werden könnte – für die AfD und auch für sie selbst. Gemeinsam mit ihrem Kovorsitzenden schrieb sie in einer Mail an die Mitglieder, Höcke sei nicht legitimiert, für die Bundespartei zu sprechen, mahnte Augenmaß und sachliche Befassung mit anstehenden Problemen an. Solche Mails hatte früher Bernd Lucke verschickt.
Höcke konterte mit einer knappen Presserklärung: „Wir haben einen Bundesvorstand, der in der Lage ist, ein großes Meinungsspektrum innerhalb der AfD zu erhalten“, hieß es darin. Am Abend trat er in München auf, rief, die AfD müsse provozieren, und sagte zu seinem Auftritt bei Jauch unter großen Applaus: „Ich würde es wieder so machen.“ Unterordnen wird Höcke sich nicht.
Die Unterstützung des rechten Flügels ist ihm dabei sicher. Die Patriotische Plattform griff Petry umgehend frontal an. Petry sei nicht „echte Opposition“, Höcke repräsentiere die Partei besser als sie. Solche Mails hatte bislang Lucke gekriegt. Auch Gauland sprang Höcke bei. Der rechte Flügel, der durch die Spaltung deutlich größer und einflussreicher geworden ist, hatte im Juni noch Petrys Sieg über Lucke und den rechten Durchmarsch im Bundesvorstand möglich gemacht. Höcke selbst hatte damals auf eine Kandidatur verzichtet. Aber er hat seinen Mann in der Führungscrew: André Poggenburg, Landeschef in Sachsen-Anhalt.
Macht gegen Überzeugung
Frauke Petry steht vor einem Balanceakt. Sie kann Björn Höcke nicht zu viel Raum lassen, zu sehr kritisieren aber kann sie ihn auch nicht – beides führt zum Konflikt und möglicherweise zum Kampf um die Macht. Vielleicht wird sie versuchen, mit ihren Leuten die rechte Flanke selbst zu besetzen. Das könnte die Einlassung ihres Lebensgefährten erklären, des NRW-Landeschefs Marcus Pretzell, die Polizei müsse die Grenze sichern und als Ultima Ratio auch auf Flüchtlinge schießen.
Vieles hängt also von Höcke ab. Die Landtagswahlen im März wird er nicht gefährden wollen. Anders als die Machtpolitikerin Petry, die inhaltlich anpassungsfähig ist, gilt Höcke aber als Überzeugungstäter. Er hat das Zeug dazu, die Stimmung weiter aufzuheizen. In Thüringen, in der AfD und damit auch in der gesamten Gesellschaft. Das ist gefährlich. Es birgt aber auch die Möglichkeit, dass sich die AfD am Ende doch noch selbst zerlegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen