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Debatte Digitalisierung der StädteDer Hype um die Smart City

Kommentar von Julia Manske

Städte werden zunehmend digitalisiert, um sie lebenswerter zu machen. Deutschland verfolgt den Trend kritisch – aus guten Gründen.

In Dubai plant man, das Wohlergehen der Bürger anhand ihrer Gesichtszüge über Gesichtserkennung zu ermitteln (Symbolbild) Foto: Imago/Reporters

Z unehmend wird unter dem Schlagwort „Smart City“ vom enormen Potenzial für unsere Städte geschwärmt. Immer häufiger wird auch davor gewarnt, dass die Deutschen aufgrund ihrer Datenschutzangst die Chancen dieser Entwicklung verschlafen. Die pauschale Forderung nach mehr Datensammlung und weniger Datenschutz im öffentlichen Raum hilft aber nicht weiter, unsere Städte mithilfe von Technologie lebenswerter zu machen. Denn oft profitieren von vernetzten Städten eher große Unternehmen als die Bürger.

Grundsätzlich gibt es eine Menge Möglichkeiten, mit Daten das Leben von Menschen in der Stadt zu vereinfachen. Dies geschieht bereits. Insbesondere im urbanen Raum können Daten für eine bessere Verkehrsführung sorgen und so die Verbreitung des öffentlichen Nahverkehrs fördern. Sie können die Energieversorgung optimieren.

Daten können genutzt werden, um Städte besser zu planen. Wo gute Daten vorliegen, lässt sich leichter sagen, wo man den nächsten Biosupermarkt oder eine Kita braucht. Und gewiss, mit Daten kann das ganz alltägliche Chaos pulsierender Städte bekämpft werden. Wie in Barcelona, wo intelligente Mülleimer sich melden, wenn sie voll sind.

Von IT-Unternehmen propagiert

Julia Manske

arbeitet für den Berliner Thinktank Stiftung Neue Verantwortung. Dort entwickelt sie Politikvorschläge zu den gesellschaftlichen Fragen massenhafter Datennutzung. Sie studierte Kultur-, Kommunikations- und Sozialwissenschaften in München und an der UNAM in Mexiko-Stadt.

Das Problem mit der Datennutzung ist aber, dass oft nicht die Bürger, sondern die großen IT-Konzerne selbst vorgeben, was eine Stadt an Technologie benötigt. Der Autor Anthony M. Townsend hat in seinem Buch „Smart Cities: Big Data, Civic Hackers, and the Quest for a New Utopia“ anschaulich dargelegt, wann der Trend der Smart City losgetreten wurde.

In 2008 brachen im Zuge der Wirtschaftskrise den großen Software-Herstellern die Kunden weg. Denn die Privatwirtschaft hatte andere Nöte als die Einführung neuer Prozessoptimierungssysteme. So wandten sich Oracle, IBM und Co. an die Bürgermeister dieser Welt. In Public Private Partnerships eroberten sie die Stadtverwaltungen – mit Vorliebe in den Megacities in Lateinamerika, Asien und Afrika – um dort ihre Systeme für die Optimierung von Städten einzusetzen.

Es geht nicht um Pro­tektionismus, sondern um die Mitgestaltung unserer digitalen Welt

Barcelona ist eine dieser Städte. Doch erst kürzlich ruderte die Stadtregierung bei der flächendeckenden Vernetzung zurück. Zu lange, so die Aussage der Zuständigen, hätten sie sich von den großen Konzernen die Richtung ihrer Stadtentwicklung diktieren lassen. Die Bürger hätten von den technologischen Neuerungen nur bedingt profitiert, die erhoffte Nähe zwischen Bürger und Regierung hätte man nicht erreicht. Das ist also die erste wichtige Erkenntnis aus dem Ausland: Städte können nicht wie Unternehmen optimiert werden. Sie sind zu komplex. Und all die Daten helfen wenig, wenn sie nur von einigen wenigen genutzt werden und der Mehrwert für den Bürger nicht erkennbar ist. Oft ist es eben gar nicht die große allumfassende technische Neuerung, die den Bürger beglückt, sondern die App der Stadt, über die er oder sie Feedback direkt an die Zuständigen geben kann und sich so Gehör verschafft.

Das Problem bei Smart Cities ist aber nicht nur, dass den Städten etwas verkauft wird, was die Bürger nicht brauchen. Es werden auch Unmengen persönlicher Daten und Bewegungsprofile der Bevölkerung gesammelt. Der Widerstand der Datenschützer ist hier durchaus nachzuvollziehen. Er richtet sich nicht gegen die Veröffentlichung von Busplänen, Wetterdaten, Straßendaten, Daten über öffentliche Gebäude oder Haushaltspläne. Diese sollten unbedingt von Städten genutzt und frei zur Verfügung gestellt werden. Kritisiert wird die Sammlung und Nutzung der Bürgerdaten.

Die Forderung nach mehr Privatsphäre in der vernetzten Stadt ist keine Angstreaktion, sondern eine Entscheidung gegen mögliche Entwicklungen, die in anderen Ländern bereits heute Realität sind. In Singapur ist man im Begriff, ein umfangreiches System einzuführen, das erlaubt, anhand der Bewegungsprofile und Social Media zu beobachten, wie Bürger auf Veränderungen in der Stadt reagieren. In Dubai plant man, das Wohlergehen der Bürger anhand ihrer Gesichtszüge über Facial Recognition zu ermitteln.

Selbstbestimmung verteidigen

Für Deutschland mag dies vielleicht wie weit hergeholte Schreckensszenarien klingen. Doch so weit muss man gar nicht schauen. In London werden Daten, die im Rahmen von Smart-City-Projekten gesammelt werden, an Werbetreibende verkauft, sodass diese dem Bürger etwa individualisierte Werbung auf dem Weg zur Arbeit schalten können. Es sind die zahlreichen Zwischenhändler, Data Broker, die mit Freude auf Daten aus öffentlichen WLANs oder anderen Quellen warten, um diese zu verknüpfen und an Werbetreibende und andere Akteure zu verkaufen.

Dafür zu plädieren, dass die Bürger breitflächig ihre Daten in der vernetzten Stadt teilen sollen, nur weil dies in anderen Ländern geschieht, ist ein Fehler. Vieles ist heute mit Daten möglich, ebenso wie vieles im Bio-Engineering-Bereich möglich ist. Dennoch haben wir uns darauf geeinigt, nicht alles zuzulassen. Wir sollten Ideen entwickeln, wie der Schutz der Privatsphäre Teil der zukünftig vernetzten Stadt werden kann. Denn das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind über Jahrzehnte ausgehandelte Grundwerte, die in Deutschland nach wie vor wichtig sind.

Deutschland tut gut daran, den globalen Smart-City-Trend kritisch zu hinterfragen. Denn die Idee der vernetzten Stadt entstammt zu einem großen Teil dem, was große Tech-Unternehmen in Lateinamerika oder Asien entwickelt haben. In diesen Regionen mit enormer Urbanisierung und wenig Regulierung entwarfen sie Produkte, die sie nun bei uns vermarkten. Wenn wir nicht bald im Sinne europäischer regulativer Leitplanken eigene technische Standards setzen, bleibt uns fast nichts anderes übrig, als die dort entwickelten Technologien zu nutzen. Dabei geht es nicht um Protektionismus, sondern um den Versuch der Mitgestaltung unserer digitalen Welt auf Basis der Werte, die wir in Europa in den letzten 60 Jahren als Gesellschaft ausgehandelt haben.

Diese Werte gilt es zu verteidigen, um den Bürger zurück in den Mittelpunkt unserer Städte zu rücken.

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2 Kommentare

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  • Genau so ein positives Beispiel ist die CAS-App aus Castrop-Rauxel: ein leichtes Instrument für den Bürger, um die Verwaltung bei Problemen zu kontaktieren. Ohne Datensammlung, ohne Werbung, einfach öffentlich finanziert.

  • Ein erster Schritt wäre es, dass der Bürger die elektronische Bespitzelung durch "smart meter" also statt des herkömmlichen Ferraris-Zählers durch den mit dem Netzwerk verbundenen elektronischen Zählers verhindern könnte. In den Niederlanden ist es geglückt, dass jeder Bürger frei entscheiden kann, ob er einen digitalen oder analogen Stromzähler wünscht. Ein erster Schritt.

     

    Angesichts der letzten Angriffe auf digitale Netzstrukturen, die zu ernsten Situationen bei öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäusern, führte, muss auch sehr deutlich werden, wie verwundbar diese Systeme sind. Es gilt nämlich Datensicherheit vor Profit, was der neoliberale Marktstaat gerade auf den Kopf stellt.

     

    Dies sollte jedem Bürger in sein Gehirn implantiert werden.