Dauerkrise bei Galeria: Der langsame Niedergang
Nach Jahren des Verzichts soll die Belegschaft auf einen Tarifvertrag verzichten. Nun könnte auch das „Flaggschiff“ am Alexanderplatz schließen.
„Ich arbeite seit 40 Jahren bei Galeria, aber was wir bekommen, wird immer weniger“, sagt Sybille, die eigentlich anders heißt, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. Doch das jüngste Verhalten der Arbeitgeberseite nennt sie „das Letzte vom Letzten“.
Mitte Oktober hat die Geschäftsführung die Verhandlungen mit Verdi über einen neuen Tarifvertrag abgebrochen. Stattdessen unterbreitete sie den Mitarbeitenden ein jeweils individuelles Angebot: rund elf Prozent mehr Lohn in den kommenden drei Jahren, 800 Euro Inflationsausgleich, dafür aber keinen Tarifvertrag. Die Lohnerhöhung bekommt nur, wer unterschreibt, und auch nur, wenn 90 Prozent der Beschäftigten einer Filiale mit an Bord sind. „Betriebliches Bündnis“ nennt Galeria das Angebot. Bis Freitag haben die Beschäftigten Zeit zu entscheiden.
Das Angebot stelle für die Beschäftigten eine Zwickmühle dar, erklärt Manuela Vigils, Betriebsrätin in der Steglitzer Galeria-Filiale. „Die Stimmung ist schwierig, viele sind angewiesen auf das Geld.“ Nach Jahren des Lohnverzichts zahlt Galeria mittlerweile 30 Prozent weniger als im Flächentarifvertrag vorgesehen. Doch ohne Tarifvertrag gebe es auch keine Rechtssicherheit, dass sich die Arbeitgeberseite auch an die Vereinbarungen hält. „Nach so vielen Insolvenzen wächst das Vertrauen quasi monatlich“, sagt sie ironisch.
Neue Eigentümer, alte Probleme
Erst im Juli beendete das Unternehmen das dritte Insolvenzverfahren in vier Jahren. Die neuen Eigentümer, die das Galeria nach der Signa-Pleite übernahmen, wecken wenig Zuversicht. Hinter dem Unternehmenskonsortium stehen die Milliardäre Bernd Beetz und Richard Baker. Beetz kündigte an, lediglich 100 Millionen investieren zu wollen, der Rest solle aus laufenden Einnahmen gestemmt werden. Das heißt, gespart werden solle vor allem an den Beschäftigten.
Da die Geschäftsführung das Angebot an die Bedingung knüpft, dass 90 Prozent der Belegschaft einer Filiale zusagen, sieht Verid als Versuch, die Belegschaft zu spalten. Lehnen zu viele Beschäftige in Hoffnung auf einen Tarifvertrag das Angebot ab, könnten am Ende alle leer ausgehen. Die Gewerkschaft spricht daher auch von „Nötigung“ seitens der Geschäftsführung.
Für Verdi ist das Angebot ohnehin ein Affront, zielt es doch darauf ab, die Gewerkschaft als Verhandlungspartner zu umgehen. Als letzten Versuch, die Arbeitnehmerseite an den Verhandlungstisch zurückzubringen, hat die Gewerkschaft in Berlin und Brandenburg spontan zum Warnstreik aufgerufen. Die Beteiligung ist niedrig, auf taz-Anfrage gibt Galeria an, dass keine Filiale ihr Angebot einschränken musste. Nach Jahrzehnten der Krise haben viele Beschäftigte gekündigt, die verbliebenen haben kaum noch Hoffnung, dass sich der Niedergang des Unternehmens noch aufhalten lässt.
„Ehrlich gesagt, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Laden endgültig dichtmacht“, sagt auch Sybille. In ihrer Filiale am Hermannplatz werde kaum noch investiert, Aufzüge seien defekt, Abflüsse verstopft und werden tagelang nicht repariert. Es werde kaum noch genug Personal eingesetzt, um die Beratung zu leisten, für die viele Kund:innen heutzutage in ein Warenhaus kämen. „Es funktioniert vieles einfach nicht“, fasst Sybille zusammen.
Noch mehr Filialen könnten schließen
Dazu kommt, dass das Damoklesschwert der Filialschließung weiterhin über den noch rund 1.000 Galeria-Beschäftigten in Berlin schwebt. Die Gefahr, dass die Immobilieneigentümer:innen ihre Premiumlagen an zahlungskräftigere Mieter:innen als einen dauerklammen Warenhauskonzern vermieten wollen, ist groß. Jedes Insolvenzverfahren war bisher begleitet von harten Verhandlungen, um die Filialmieten zu drücken.
Dass Galeria nicht die beliebteste Mieterin ist, bewies die Ankündigung der Commerzbank-Tochter Commerz Real am Wochenende, den umsatzstarken Standort am Alexanderplatz für zwei Jahre schließen zu wollen.
Nach dem Umbau solle Galeria wieder einziehen, allerdings nur in stark verkleinerter Form. Stattdessen soll es mehr Büros, Einzelhandel und – wenn es nach der Commerz Real geht – sogar die Zentral- und Landesbibliothek einziehen. Die Senatsverwaltung für Kultur dementierte. Es habe zwar Gespräche mit der Commerz Real gegeben, derzeit werde die Möglichkeit aber noch geprüft.
Wie es für die 350 Beschäftigten am Alexanderplatz weitergeht, ist unklar. „Die Gespräche dazu laufen noch“, sagte ein Sprecher des Unternehmens auf taz-Anfrage.
Signa-Strategie fortgeführt
Im Falle der Anfang des Jahres geschlossenen Filiale am Leopoldplatz in Moabit bedeutete „Umbau“ die betriebsbedingte Kündigung der gesamten Belegschaft. Auch damals war davon die Rede, die Filiale nach Abschluss der Arbeiten wiederzueröffnen.
Die Politik gibt sich überrascht von der drohenden Schließung der Filiale am Alexanderplatz. „Damit kann ich mich nicht zufriedengeben“, sagte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Montag. Und: „Es ist oberstes Ziel, dieses Flaggschiff zu erhalten.“ Eigentlich seien Modernisierungen im laufenden Betrieb „internationaler Standard“, so Giffey. Für Freitag sei ein Gespräch mit der Eigentümerin anberaumt.
Dabei führt die Commerz Real nur die Strategie ihres Vorgängers Signa fort, Kaufhausimmobilien durch aufwändige Modernisierung in eine profitablere Mischnutzung umzuwandeln. Am Hermannplatz und am Kurfürstendamm plante das Unternehmen sogar einen kompletten Abriss und Neubau.
Obwohl Signa pleite ist, hält die Senatsverwaltung an den Planungen fest und will sie mit neuen Investor:innen verwirklichen. Kein gutes Zeichen für die Beschäftigten an diesen Standorten. Ob den neuen Eigentümer:innen dann am Erhalt der Galeria-Filialen gelegen ist, ist mehr als fraglich.
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