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Das war das taz lab 2024Alles Osten, oder was?

Das taz lab 2024 im Berliner taz Haus und in den Livestreams. Über alles, was derzeit im Osten passiert – und wieso Osten immer eine Frage der Perspektive ist.

Foto: Wolfgang Borrs

19:50 Uhr: Das taz-lab-Ticker-Team verabschiedet sich für heute, machen Sie’s gut – vielleicht sehen wir uns gleich im Park! Ansonsten: bis zum nächsten Jahr, voraussichtlich am 26. April. Wenn wir ein Thema raten dürfen: Irgendwas mit Demokratie?! (ras/as)

19:05 Uhr: Während hier und dort noch die Veranstaltungen summen und Menschen sich in Grüppchen auf Wiesen und Bierbänken strecken, verabschiedet sich das taz-lab-Programmteam in der taz-Kantine.

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Das taz lab 2024 im Livestream

Livestream vom taz lab 2024

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Dort heißt es auf der Bühne, wer hätte es gedacht: „Cäsar ist nicht allein über die Alpen gegangen!“: Jan Feddersen, Kurator des taz lab und die Programmchefs Luisa Faust und Vincent Bruckmann werfen gezielt und bestimmt mit Dank um sich: Danke an die Techniker:innen! Danke an die tazzler:innen! Danke an alle, die dieses taz lab möglich gemacht haben – allen voran das Publikum, aber auch die Zu­schaue­r:in­nen und alle Mitdiskutierenden, die heute die Stuhlreihen befüllt und kluge Gedanken versprüht haben. „An solchen Tagen merkt man, dass es wichtig ist, dass es die taz gibt“, so das Trio mit hel­d:in­nen­haf­ter Entourage. (ras)

Antisemitismus kann man nicht wegbassen

Das taz lab 2024 auf X

Auch auf X (ehem. Twitter) begleiten wir das diesjährige taz lab! Hier geht es zum Account.

18:49 Uhr: Die Technoszene gilt häufig als safe space – doch auch in vermeintlich emanzipierten Subkulturen gibt es Probleme: Diskriminierung und Antisemitismus lassen sich nicht einfach mit Techno-Bässen wegwummern. Gleich beim 19-Uhr-Podium „Bässe und Judenhass“ fragen sich Nicholas Potter, Anastasia Tikhomirova und Paola Kaszubowski: Schaut die Szene weg? (ras)

Bald ist Sense hier im Ticker

18:47 Uhr: Nach einem aufregenden Tag unter kühlen Betonpfeilern und blühenden Kastanien verabschieden wir uns demnächst. Wie, jetzt schon? „Muss ja!“, sagt man hier in Berlin. Das taz-WLAN streikt nämlich. Hunderte Gäste streamen immer noch die verschiedenen Veranstaltungen und halten uns davon ab, Bilder auf die Website zu laden. Macht ja nichts, die Sonne steht immerhin schon tief. Außerdem: „Die Zungen sind ausgefranst“, schrieb auch schon letztes Jahr eine Kollegin. Höchste Zeit also, die Klappe zu halten. Ein letztes Mal werden wir uns gleich noch melden – direkt vom großen Abschied. (ras)

Was kann man im Osten lernen?

18:34 Uhr: Die Grünen werden oft als westdeutsche Aka­de­mi­ke­r*in­nen­par­tei abgestempelt, steigt taz-lab-Moderierende Ruth Lang Fuentes in das Gespräch „Im Osten lernen“ mit Ricarda Lang ein. Die Bundesvorsitzende bestätigt, dass ihre Partei nicht immer alles richtig gemacht habe, aber dazugelernt habe: „Wir müssen die Leute im Osten nicht über Klimaschutz belehren, sondern ihnen erst einmal zuhören und Fragen stellen. Zum Beispiel, wie sie sich den Strukturwandel vorstellen.“ Es gebe oft ein gewisses Misstrauen gegenüber großen Versprechen, dem man mit Offenheit begenen müsse. „Wenn Unsicherheit auf Kontrollverlust trifft, dann entsteht das, was wir gerade sehen: Mehr Menschen sind bereit die AfD zu wählen.“

18:07 Uhr: Wissen Sie eigentlich schon, ob Sie den Abend sanft ausklingen lassen oder mit einem Dreifach-Wumms beenden wollen? Kleiner Tipp: Wir empfehlen letzteres. Ab 20 Uhr startet die Abschlussfeierei mit der einzigartigen Klangwelt des Berliner Künstlers DanjaZzy. Danach kommt DJ Gutmairs Tanzmusik von ABBA bis Britney und zum Schluss der krönende, aufpeitschende Rave-Punk-Rock-Knall von chica_ruthless und DJ blubberteich. Wo wird gefeiert? Rote Bühne (Kantine), taz Erdgeschoss. Wann wird gefeiert? Bis man uns rausschmeißt! (ras)

Russische Jour­na­lis­t:in­nen im Exil

17:40 Uhr: Katerina Abramova und Sergey Lukashevsky berichten beim Podium „Die Macht der Opposition“ über ihre oppositionelle Arbeit aus dem Exil. Ihre Zielgruppe sind in Russland lebende Russen. Wegen ihrer Regime-Kritik sind sie in ihrer Heimat nicht mehr sicher. Doch auch hier fühlt sich Abramova, die führ das Exilmedium Meduza arbeitet, nicht sicher. Sie spricht von „Der Illusion der kompletten Sicherheit. Der lange Arm des russischen Geheimdienstes ist zu lang um als Jour­na­lis­t*in vor ihm sicher zu sein.“ Auch Lukashevsky, der einen Internet-Radiosender betreibt, erklärt wie schwer es ist, unter dem Radar des russischen Regimes zu bleiben. (tk)

17:20 Uhr: So langsam ist im Besselpark neben dem taz-Haus die eine oder andere rote Wange zu sehen. Ist es wegen der Getränke, die hier und da immer häufiger aufploppen? Oder wegen der eifrigen Diskussionen? Hier wie da und hüben wie drüben stehen die „Spritz“ schon auf dem Tisch. Es ist immer noch voll, die Kinder spielen immer noch auf die Straße und die Sonne scheint immer noch auf die heißgelaufenen Köpfe. (ras)

17:12 Uhr: „Haben die Autos in Syrien das Bremspedal auf der rechten Seite oder warum gilt dieser Führerschein in Deutschland nicht?“ Marco Scheel kommt von Rügen zum taz lab und produziert in Teblitz Kleidung aus der Wolle heimischer Schafe. Er will in seinem Unternehmen Asylbewerber einstellen, aber stößt dabei an seine Grenzen. Neben den Problemen mit dem Bauamt ist das einfach nur ein „Brainfuck“. Aaron Gebler interviewt den Unternehmer auf der pinken Bühne: „Engen die politischen Kräfte in Mecklenburg ihn als Unternehmer ein?“. Wenn’s nach ihm geht: aber sicher. (reb)

Antifaschistisch sein, hieß nicht aufzuarbeiten

17:10 Uhr: „Wenn man über die DDR nicht spricht, kann man die Gegenwart nicht verstehen. Und wenn man die Gegenwart nicht versteht, kann man die Zukunft nicht gestalten“, plädiert Anetta Kahane, die Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung, zu Beginn des Panels „Zukunft der Erinnerung“, das Vincent Bruckmann moderiert. Kahane betont: Auch die DDR sei eine Nachfolgegesellschaft des Nationalsozialismus – trotz staatlichem Bekenntnis zum Antifaschismus.

Diese Erzählung habe dazu geführt, dass die DDR das Erbe des Nationalsozialismus nie aufgearbeitet habe. Nur damit lasse sich auch ein Teil des rechtsextremen Wählerpotenzials in den neuen Bundesländern verstehen. Ähnlich sehen es ihre zwei Mitreferenten. Historiker und Politikwissenschaftler Martin Jander stimmt ihr zu und nennt ein Beispiel: Etwa habe die DDR den Opfern des NS eine umfassende Entschädigung verweigert. Doch nicht nur strukturell, auch interfamiliär sind faschistische Überzeugungen weitergegeben worden, erklärt Erziehungswissenschaftlerin Heike Radvan. Das Ergebnis: In spezifischen Regionen, zum Beispiel in Vorpommern, ist die Zustimmung zur AfD heute ähnlich hoch wie zur NSDAP.

Wie viel Rabe ist im Buch?

17:05 Uhr: Die Autorin Anne Rabe gibt sich bedeckt, als ihr Simone Schmollack, Ressortleiterin des taz-Meinungsressorts, die Frage stellt, die den meisten Au­to­r*in­nen gerne gestellt wird: Wie viel von Rabe steckt in ihrem Roman „Die Möglichkeit von Glück“. Viel verrät sie nicht, nur, dass sich die junge Anne Rabe, die, wie die Protagonistin ihres Romans 1986 geboren ist, ähnliche Fragen stellte. (mar)

„Die Möglichkeit von Glück“: Wie viel Rabe steckt in ihrem Roman? Foto: Wolfgang Borrs

Osten nicht verstanden

16:35 Uhr: Die Politik des Westens habe die DDR nicht verstanden, sagt der Historiker und Politologe Martin Jander beim Podium „Zur Zukunft der Erinnerung“. „Die DDR hat eine umfassende Entschädigung der Opfer des NS verweigert, Überlebende des Holocausts vertrieben, Nazis in die Gesellschaft integriert und den Gegnern Israels geholfen“, so Jander, der schon bald in ein flammendes Plädoyer für einen Holocaust-Gedenktag nach dem Vorbild Israels übergeht. Die Erziehungswissenschaftlerin Heike Radvan fordert eine lokalhistorische Analyse in besonders erinnerungsresistente deutsche Kommunen. (cl)

Ringen um den Nahost-Konflikt

16:30 Uhr: In einer spannenden Debatte unter dem Titel „Was heißt denn nun 'Nie wieder’?“ sollen Peter Lintl, Israelexperte, und Amro Ali, Soziologe, über die Frage diskutieren, welche Rolle Deutschland im Nahen Osten einnimmt. Dabei werden im Panel mit Moderatorin Lisa Schneider zunächst Argumente dafür und dagegen ausgesprochen, das aktuelle Geschehen im Gazastreifen als Genozid zu bezeichnen. Anschließend liefern sich Lintl und Ali einen Schlagabtausch zu deutschen Waffenlieferungen und inwieweit sie diese für gerechtfertigt halten.

Ali weist dabei immer wieder auf die zivile Bevölkerung im Gazastreifen hin: „Bei all den Waffen frage ich mich jedoch: Wie viele davon sind durch die Körper von Frauen und Kindern gegangen?“ Während Moderatorin Schneider immer wieder auf die eigentliche Frage des Panels hinweist, bleibt diese – Was heißt denn nun „Nie wieder“? – schlussendlich unbeantwortet. Dafür nähern sich die beiden Teilnehmer zumindest in einigen Punkten einander an. Etwa darin, dass ein Waffenstillstand nicht verkehrt wäre. (kma)

Eine Enkelin wählt die Linke

16:25 Uhr: Carola Rackete tritt im Juni als Spitzenkandidatin für die Linkspartei bei der Europawahl an und hofft, den Imagewandel der Partei voranbringen zu können. Im Gespräch „Zwischen Protestcamps und Europaparlament“ ist sie zuversichtlich, dass ihre „frische“ Perspektive helfen kann. „Ich spreche nicht nur klassische Links-Wähler*innen an, sondern auch junge Menschen, für die die Klimakatastrophe und soziale Fragen nicht mehr trennbar sind.“. Und das Publikum stimmt zu „Junge Menschen wählen die Linken wegen Carola Rackete“, verrät eine Zuschauerin über ihre Enkeltochter. (tk)

Grundkonsens: Rassisten sind Arschlöcher

16:07 Uhr: Im letzten Moment ist taz-Redakteurin Tanja Tricarico beim Panel „Was nun, Zivilgesellschaft?“ für David Begrich noch eingesprungen. „Es kann jede einzelne Person treffen“ bringt sie es im Gespräch mit ihrer Kollegin Anne Fromm auf den Punkt. Diese Erkenntnis habe nach den hohen Wahlerfolgen der AfD hunderttausende Menschen auf die Straße getrieben. „Doch irgendwann gehen die Kräfte aus“. Damit der aktivistische Geist der Zivilgesellschaft nicht eingehe, brauche es Organisationen, die das Engagement vorantreiben.

Migrationsforscherin Naika Foroutan blickt optimistischer auf die vergangenen Monate. Die schweigende Mehrheit habe sich bemerkbar gemacht und gezeigt, dass sie in den entscheidenden Momenten einschreiten könne. Frankfurts (O.) Bürgermeister René Wilke schließt sich dem an: „Der Grundkonsens in der Zivilgesellschaft, dass Rassisten Arschlöcher sind, ist nicht in Gefahr“. Wie umgehen, mit dem Zuspruch zur AfD? Tanja Tricario ruft zum Wählen auf. Naika Foroutans Rat an die Politik: „Investiert in Social-Media-Strategien“. Immerhin sei die AfD auf TikTok deutlich präsenter als andere Parteien. (trf)

Verfolgte Opposition in Russland

16:05 Uhr: Das Thema ist bedrückender, als es das harmlose Setting der pinken Bühne vermuten lässt: Die Historiker Wolfgang Eichwede und Enrico Heitzer blicken nicht nur auf die Gulags, Lager und Dissidenten in der Sowjetunion zurück, sondern sprechen auch von der Verfolgung der Opposition im heutigen Russland. Beide haben Verbindungen zu „Memorial“, einer mittlerweile verbotenen russischen Menschenrechtsorganisation. Während Eichwede die verbliebene „kleine leise Opposition, die sich enorm versucht am Leben zu halten“ bewundert, lächelt Heitzer bitter: „Bei meinen Kollegen von Memorial ist die Stimmung eher schlecht.“ Moderierende und taz.eins Ressortleiterin Anna Klöpper hätte sich am Ende wohl einen hoffnungsvolleren Ausblick gewünscht. (nc)

Hoffnung für einen vergessenen Konflikt

16:00 Uhr: Im Herbst letzten Jahres hat Aserbaidschan die Enklave Bergkarabach militärisch eingenommen. Seitdem mussten mehr als 100.000 ethnische Armenier aus der Region fliehen. In der Panel-Diskussion „Der vergessene Konflikt“ treffen die armenische Journalistin Sona Martirosyan, die Podcasterin Tatevik Khachatryan, aus der Region Bergkarabach, die unabhängige Journalistin und Autorin Nika Musavi und die Projektleiterin des Center for Independent Social Research, Sevil Huseynova, aufeinander. Im Gespräch geht es um ihre Ängste, Hoffnungen und Perspektiven für die Zukunft.

Im Moment haben wir nur einen Weg vor uns. Und das ist der ins Nirgendwo.

Sona Martirosyan, armenische Journalistin

„Im Moment haben wir nur einen Weg vor uns. Und das ist der ins Nirgendwo. Der Krieg (um Bergkarabach, Anmerkung der Redaktion), der 2020 ausgebrochen ist hat ganz deutlich gezeigt, dass Europa und die Welt ihre politischen und wirtschaftlichen Prioritäten hat und Armenien steht nicht auf dieser Liste,“ bedauert Sona Martirosyan. Es geht heute darum, sich zu begegnen und anzunähern, nicht aber um die Lösung des Konflikts, betont auch der Moderator und Leiter der Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung, Tigran Petrosyan. (oe)

Mit Landkarten die Weltsicht ändern

15:43 Uhr: Bei dem Workshop „Landkarten sind Macht“ wird es endlich interaktiv. Das Hamburger Kollektiv kartattack will zeigen, wie Karten unsere Sicht auf die Welt prägen. Kritische Kartografie nennt sich das Ganze. Nach einer Vorstellungsrunde der Teilnehmer:innen, eine Mischung aus Jung und Alt, Geografieprofis und Landkarten-Neulingen, stellen die drei Studentinnen Rieke Lenz, Malina Niemann und Jorid Loisa Lange alternative Kartenmodelle vor.

„Karten können nicht neutral oder objektiv sein. Da steht immer eine Person oder eine Macht hinter, die bestimmt, wasauf der Karte zu sehen ist und was nicht“, sagt Rieke Lenz. Im interaktiven Teil des Workshops werden die Teilnehmer_innen ermutigt, ihre eigene kritische Karte des Ostens anzufertigen. (oe)

Bodo live aus Blankenburg

15:30 Uhr: Bis ins Erdgeschoss des frizz Forums schlängeln sich die wartenden Menschen. Denn Bodo Ramelow ist im zweiten Stock live aus Bad Blankenburg zugeschaltet. Heute wurde er dort mit 91,1% zum Spitzenkandidaten der Thüringer Linken gewählt. Kurz danach heißt es im taz-Gespräch mit Pascal Beucker: „Wie weiter, Bodo Ramelow?“

Mit Blick auf die Umfragewerte der AfD, die momentan bei ungefähr 29 Prozent in Thüringen liegen, ist das keine einfache Frage. Um eine Regierungsbeteiligung der AfD in Thüringen zu verhindern, sei Ramelow bereit, mit allen demokratischen Parteien zu kooperieren. „Ich kämpfe nicht gegen andere demokratische Parteien, ich kämpfe gegen die Normalisierung des Faschismus“. (kr)

Antisemitismus? Hatten wir ja nicht!

15:26 Uhr: Gab es Antisemitismus in der DDR? „In der Selbstwahrnehmung nicht“, sagt der Künstler Leon Kahane im Gespräch mit Jan Feddersen, dem Kurator des taz lab, beim Panel „Erbschaften und Projektionen“. Diese Frage würde eng mit dem Verständnis und der Definitionsfrage des Worts „Antisemitismus“ zusammenhängen. Kahane sieht den Antisemitismus als eine „regressive Kulturtechnik“. Ob die DDR das aufgedeckt habe, hält er für fraglich.

In einem, unter anderem, persönlich biographischen Gespräch werden bei dem Panel Fragen wie „Wie lässt sich Antisemitismus definieren?“ und „Wie unterscheidet sich Antisemitismus von Antizionismus und Antijudaismus?“ diskutiert. Eine einfache Antwort auf die Anfangsfrage ist wahrscheinlich unmöglich. (trf)

Jüdsiches Leben im Osten

15:15 Uhr: „Mein Jüdisch-Sein in der DDR fand faktisch nicht statt“, sagt die Autorin Marion Brasch, 1961 in Ost-Berlin geboren. Dass ihr Vater Jude war, fand sie erst spät heraus. 1946 kehrte Horst Brasch als überzeugter Kommunist in den Osten zurück und war später stellvertretender Minister für Kultur, immer jedoch nur in der zweiten Reihe.

„Er wurde als Remigrant beargwöhnt, weil er nicht im KZ war, nicht in der Sowjetunion“ und stattdessen aus dem Westen zurückkehrte, erzählt Brasch. Ihr Vater habe sich nie als Jude gesehen. Ihre Familiengeschichte erzählt Brasch in ihrem Roman „Ab jetzt ist Ruhe“: „Ich musste bei der Recherche für meinen Roman erst verstehen, wer dieser Mann war“, sagt sie. Mit der Journalistin Charlotte Misselwitz spricht sie im Gespräch „Diese Geschichte ist wahr…“ über das Leben von Jü­din­nen*­Ju­den in der DDR. (ll)

„Ossis of Colour“ mit taz lab-Gäste Patrice Poutrus, Peggy Kurka und Katharina Warda mit Moderatorin Adefunmi Olanigan Foto: Wolfgang Borrs

Rassismus in der DDR

15:14 Uhr: „Ich bin erstaunt, dass ich noch lebe“ sagt die Autorin Peggy Kurka auf der gelben Bühne. Es geht los mit Scham und Sprachlosigkeit – ganz persönliche Geschichten zu dem Thema „Ossis of Colour“, Geschichten von Rassismus aus den unterschiedlichsten Orten der DDR. Peggy Kurka stöhnt über die erste Frage der Moderatorin Adefunmi Olanigan, wie man sich verhalten hätte, wenn man damals eine andere Person of Colour getroffen hätte: „Dennoch sind unsere Geschichten doch mannigfaltig – uns verbindet nicht unsere Hautfarbe! Allerhöchstens hatten wir alle Schmerzen, als unsere Haare gekämmt wurden.“ (ab/reb)

Lebenswerte Stadt

15:12 Uhr: Passend zur Spielstraße im Hintergrund spricht Lana Wittig mit dem Stadtsoziologen Andrey Holm und der Grünen-Politikerin Canan Bayram über Verkehr und Wohnraum im Taz-Klub „Die Lebenswerte Stadt“. Historisch, sagt Holm, ist die Stadt vor allem ein Ort, der gemeinsam verwalteten und genutzten Infrastruktur. Doch Freiräume entstehen und überleben vor allem dort, wo es das Verwertungsinteresse nicht gibt oder der politische Wille entsprechend waltet. (ma)

Spielstraße: Für das taz lab wurde die Friedrichstraße vorübergehend wieder autofrei Foto: Stefan Boness

Nachdenken über Dinge mit Armin Nassehi

15:02 Uhr: „Alles, was wir tun, ist stark perspektivisch“, meint Soziologe Armin Nassehi, der von Moderator Peter Unfried als „Habermas des 21. Jahrhunderts“ vorgestellt wird zu Beginn des Panels „Ostgoten und Westgoten“. Habermas? Den versteht man doch immer so schlecht. „Sorry, ich bin ein Wissenschaftler, ich muss so reden!“, kommentiert Nassehi den merklich irritierten Blick eines Zuhörers nach einer besonders komplizierten Ausführung.

Aber was hat das alles mit Klimafragen zu tun? „Diese Perspektivendifferenz macht das Nachdenken über Dinge schwieriger, aber auch interessanter.“ Mit anderen Worten: Die Teilbereiche der Gesellschaft, meint er, sei es die Politik, die Wirtschaft oder die Wissenschaft, könnten auf Probleme nur in ihrem eigenen Modus reagieren. Das mache kollektive Maßnahmen so schwer umsetzbar und die Gesellschaft insgesamt so träge. Wer schon einmal in einer Nassehi-Vorlesung saß, dem sollte das bekannt vorkommen. (cl)

Besonders auf Tiktok müssten die demokratischen Parteien ein Gegengewicht zur AfD schaffen.

Konsens in der Diskussionsrunde „Vom Aussterben bedroht?“

Alle rauf auf Tiktok

15:00 Uhr: Ist die Demokratie in Gefahr? „Ja“, sagt Djenabou Diallo Hartmann, „wir haben eine Partei, die salonfähig im Parlament sitzt und viele, die zu den demokratiefeindlichen und menschenrechtsverachtenden Haltungen der AfD stehen“. Auch die anderen Teilnehmenden der taz Klub Diskussionsrunde „Vom Aussterben bedroht?“, Katharina Rein und Tom Waurig, teilen ihre Einschätzung. Was lässt sich also tun?

Zum Beispiel die Menschen aufklären, denn eigentlich wählen viele AfD-Wähler gegen ihre eigenen Interessen. Die Runde kommt zum Konsens: Besonders auf Tiktok müssten die demokratischen Parteien ein Gegengewicht zur AfD schaffen. Genauso müssten zivilgesellschaftliche Gruppen herausfinden, wie der Algorithmus funktioniert, damit sie AfD-Blasen durchbrechen und junge Menschen zu informieren können. Die demokratischen Parteien müssten sich positive, progressive Narrative überlegen, statt Kompromisse einzugehen, um AfD-Wähler zurückzuholen. Aber auch jede/r Einzelne kann Haltung zeigen, im eigenen Umfeld für Demokratie werden, undemokratischen Meinungen widersprechen und sich gegen rassistisches, sexistisches und diskriminierendes Verhalten im Alltag stellen. (kh)

Ist das Grundgesetz bedroht?

15:00 Uhr: Am Küchentisch „Baustelle Grundgesetz: Was müssen wir ändern?“ diskutieren Be­su­che­r:in­nen des Taz Lab mit Moderator Nikolai Vack und dem Politologen Werner Reutter von der Humboldt Universität Berlin. Eine konkrete Gefahr, dass rechtsautoritäre Kräfte Verfassungsgericht unterwandern und Grundgesetz abschaffen, sieht Reutter bislang nicht. Dafür sei die notwendige 2/3 Mehrheit im Bundestag noch zu weit entfernt. Das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts basiere aber auch auf Vertrauen in die Institution, das nicht ohne Weiteres durch Gesetzesänderungen gewährleistet werden könne. (nädi)

Ohne freie Ukraine kein freies Belarus

14:45 Uhr: „Bei vielen wissen wir nicht, ob sie gefoltert wurden oder ob sie noch leben“, sagt die deutsch-belarussische Bloggerin und Aktivistin Katja Rumiantseva über die knapp 1.500 Menschen, die derzeit in Belarus in politische Haft gesteckt wurden, beim Panel „Fürsorglicher Widerstand“. Es sei schwer, überhaupt mit ihnen in Kontakt zu treten – und langsam verschwände Belarus aus den Schlagzeilen. Eine Karikatur, ein Kommentar auf Telegram – das reiche schon für die Gefängnisstrafe.

Neben ihr auf der Bühne sitzt Vika Biran, die selbst 15 Tage in Belarus in Haft saß – „also nur ein bisschen“. Seit 2020 arbeitet sie aus dem Exil in Berlin gegen das Lukaschenko-Regime: „Manche sind auf der Flucht, wie ich, manche im Gefängnis, manche auch in Belarus, aber der Kampf geht überall weiter!“, sagt sie. Wann sie wieder nach Belarus reisen würde? „Ich warte auf den Tod von Lukaschenko“, sagt sie. Und: ohne freie Ukraine existiere auch kein freies Belarus. „Darum ist es auch unser Kampf!“ (ab)

Sehnsucht nach einer besseren Welt

14:32 Uhr: Ist der Sozialismus der Schlüssel zu einer besseren Welt? Ines Schwerdtner, Kandidatin der Linken bei der Europawahl, liest in dieser Frage die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk meint dagegen: „Niemand kann wahrhaftig und glaubhaft verkünden, dass er demokratischer Sozialist ist, wenn er sich nicht als Antikommunist bekennt.“

Katrin Gottschalk, Vize-Chefredakteurin der taz, moderiert das Panel „Sozialismus damals und morgen“ und will wissen, was aus der DDR für die Gegenwart attraktiv sein könnten. Schwerdtner plädiert für mehr öffentliche Hand, Kowalczuk findet das kaum sozialistisch: „Warum wollen wir das 21. Jahrhundert mit einer Idee aus dem 19. Jahrhundert gestalten?“, fragt er. Aber mit welcher sonst? (nc)

Warum wollen wir das 21. Jahrhundert mit einer Idee aus dem 19. Jahrhundert gestalten?

Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk

Eine neue Geschichte der DDR

14:32 Uhr: Ihr Buch „Diesseits der Mauer“ schrieb Katja Hoyer mit dem Anspruch, im Diskurs bislang vernachlässigte Facetten des Alltagslebens in der DDR zugänglich zu machen. Dabei sollten nicht nur Einparteiensystem, Mauer und Stasi im Fokus stehen, sagt sie im Gespräch mit Schriftsteller Marko Martin auf dem Panel „Eine neue Geschichte der DDR“. Den Alltag von DDR-Bürger:innen könne man nicht vom Leid durch Repression und der Frage der eigenen Verantwortung für Einparteienstaat und Schießbefehl trennen, stellt Martin klar. (nädi)

Mathe, Deutsch, Nahostkonflikt

14.22 Uhr: Wenn über Digitalisierung im deutschen Bildungssektor gesprochen wird, dann natürlich hybird. Die Moderatorin Nisa Eren spricht mit den beiden online zugeschalteten Referierenden zum Thema „Mathe, Deutsch, Nahostkonflikt: Bildungsarbeit mit Hindernissen“. Die politische Bildnerin Jouanna Hassoun und der Aktivist Shai Hoffmann sprechen an Schulen über ihre persönliche Familiengeschichte.

Hassoun ist im palästinensischen Flüchtlingslager geboren und Hoffmann ist jüdisch. Sie haben sich diese Form für ihre Arbeit mit den jungen Menschen an Schulen überlegt, um „den Nahostkonflikt und auch den Krieg besprechbar zu machen für Schüler*innen“, sagt Hassoun und Hoffmann ergänzt: „Wir sahen, wie der Krieg sich fast direkt übertrug und die Emotionen zum Kochen gebracht hat“, so Shai Hoffmann. Es gehe vor allem um Räume, die sie kreieren, wofür es im Schulsystem keinen Platz gäbe. (nf)

„Der Osten, das sind die anderen“

14:15 Uhr: Was stört den Osten am Westen? Beim gleichnamigen Panel auf der orangen Bühne wagen die Politologin Eszter Kováts und der Schriftsteller Stephan Wackwitz den Perspektivwechsel. Doch eine Antwort ist gar nicht so einfach zu finden. Erst einmal muss geklärt werden, wo dieser „Osten“ eigentlich beginnt. Wackwitz verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des „Othering“ – ein Begriff aus den Kolonialstudien. Er meint damit: „Was wir nicht sein wollen, verorten wir immer ein Stück weiter östlich.“ Kováts stimmt zu: „Der Osten, das sind die anderen.“ (cl)

Robert Habeck macht kurz Pause Foto: Stefan Boness

„Einen Fünfer ins Schweinderl!“

14:07 Uhr: „Bullshit-Begriffe entstehen aus zwei Gründen: Ein Grund: Die Leute sprechen von Dingen, von denen sie keine Ahnung haben. Der andere Grund: „dass wir eine Kultur haben, in der es unbedingt wichtig ist, zu allem eine Meinung zu haben“, erklärt Harald Welzer. Locker spricht der Sozialpsychologe und Bestsellerautor mit FUTURZWEI-Chefredakteur Peter Unfried über „Bullenscheiße“, etwa Wörter wie „umstritten“, „bürgerlich“ oder „toxisch“. „Wenn etwas toxisch ist, dann ist es das Wort toxisch.“, meint Peter Unfried. Welzer hingegen hält auch die FDP für toxisch. „Das Publikum lacht und wirft selbst Begriffe in den Raum: „Narrativ!“, „Systemrelevant!“, „die Menschen mitnehmen“. Na dann… „Einen Fünfer ins Schweinderl!“ geloben die beiden hinterher zu zahlen. (lel)

AfD in die Ecke drängen

13:57 Uhr: „Was heißt hier Brandmauer?“ – Marco Wanderwitz (CDU) hat auf den Titel des Panels eine Antwort: Das AfD-Verbotsverfahren müsse kommen. Die AfD inhaltlich stellen? Anders als sein Parteikollege Mario Voigt, der sich vor einer Woche sogar auf ein TV-Duell mit Björn Höcke einließ, hält er das für keine gute Idee: „Rechtsradikale müssen in die Ecke gestellt werden!“. Gerade in Sachsen sei das aber nicht leicht, sagt er im Gespräch mit taz-Redakteur Konrad Litschko. „Es ist kein Geheimnis, dass es in Sachsen CDU-Politiker gibt, die die AfD gar nicht so schlimm finden.“. Da hilft für die kommenden Wahlen in Ostdeutschland nur: endlich zusammenrücken! (oe)

Marco Wanderwitz (CDU) mit taz-Journalist Konrad Litschko Foto: Stefan Boness

Deutschland kann die Ukraine und Europa stärken

13.30 Uhr: Beim Panel „Wehrhafte Ukraine?“ sind sich die Gäste einig. „Russland muss eine krachende militärische Niederlage in der Ukraine erleiden, um einen langfristigen Frieden zu erreichen“ sagt Sicherheitspolitik-Experte Carlo Masala. Für seine Aussage erfährt er viel Zustimmung. Die Ukraine dürfe nicht mit dem Rücken zur Wand stehen, während sie verhandelt.

Aus Kyiv ist die langjährige ARD-Korrespondentin Rebecca Barth zugeschaltet. Sie beschreibt die ukrainische Enttäuschung über die unzureichende westliche Unterstützung: „Die Menschen in der Ukraine haben das Gefühl, sie seien Menschen zweiter Klasse“. Anton Hofreiter, Mitglied des deutschen Bundestages und Bündnis90/Die Grünen spricht vor allem die Rolle Deutschlands an: „Uns muss klar werden, dass Deutschland die zweitmächtigste ökonomische Demokratie weltweit ist“, erklärt er. Deutschland habe die Macht die Ukraine und somit auch Europa zu unterstützen und zu stärken. Dafür brauche es auch einen selbstkritischen Blick auf linksgerichtete „Pazi-Schlusen“, die im besten Fall einem realitätsfernen Pazifismus abgedankt haben, so Moderator und taz lab-Kurator Jan Feddersen. (ds/sh)

Das Ukraine-Panel mit Rebecca Barth, Carlo Masala, Anton Hofreiter und Jan Feddersen Foto: Stefan Boness

Arbeitsbedingungen in der Porno-Branche

13:27 Uhr: Was ist Intimitätskoordination und was hat sie mit dem „Me-too-Movement“ zu tun? Diese Frage diskutieren die beiden Hosts des Podcasts CHEEX Talks, Amenzee Osarenren und Helen Waeder, mit der Porno-Performerin und Intimitätskoordinatorin Lina Bembe. Was man als Intimitätskordinatorin eigentlich macht? An Film-Sets großer Produktionen von Pornos und Spielfilmen kümmern sie sich darum, das das Filmen sexueller Inhalte für niemanden zum Drama wird. „Es geht um die Sicherheit der Akteurinnen. Darum, dass sich alle wohl fühlen“, erklärt Bembe. Denn eins ist klar: Sex ohne Zustimmung der Beteiligten hat auf Bildschirmen – und auch sonst nirgends – nichts zu suchen. (trf)

Über den Schatten springen

13:23 Uhr: Was tun, wenn die letzten Verbündeten gegen die AfD Menschen sind, mit denen man nicht zusammenarbeiten möchte? Im Panel „Hoffnung Hinterland“ diskutieren die Ak­ti­vis­t*in­nen Jakob Springfeld und Lena Grundmann mit taz-lab-Redakteur Nikolai Vack. „Bei der Abgrenzung gegen die AfD muss man manchmal über seinen eigenen Schatten springen“ findet Springfeld. Lena Grundmann gibt ihm Recht: Bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis unterstützte sie mit ihrer Arbeit indirekt den CDU-Kandidaten, der sich so gegen den AfD-Kandidaten durchsetzen konnte.

Fazit: Ohne eine echte Soziale Bewegung, die nicht nur auf Schadensminimierung begrenzt ist, wird es kaum möglich sein, auf dem Land was zu erreichen. Die Angst dort sei groß, so Springfeld. Aber man könne sich gegen sie zusammenschließen. (kr)

Sonnig und voll besetzt: Das taz lab-Panel auf der Dachterasse Foto: Stephan Bodner

Was macht Gemeinden gegen die AfD immun?

13:20 Uhr: Tiefgehende Datenrecherchen sind aufwendig und kompliziert. Doch wie genau geht man vor? Das besprechen die taz-Redakteurinnen Malene Gürgen und Anne Fromm mit Rolf Frankenberger, Tim Fröhlich und Sven Endreß vom Institut für Rechtsextremismusforschung bei dem Panel „Was macht Gemeinden gegen die AfD immun? „.

Gemeinsam schauen sie sich an, wie die AfD auf kommunaler Ebene funktioniert. In einer Gemeinde wurde zum Beispiel seltener die AfD gewählt, dafür ist eine eigene lokale Wählerliste angetreten, die AfD-nahe Positionen hatte. „Rechtextreme Meinungen übersetzen sich hier woanders“, erklärt Fromm. Die Ergebnisse aus der Datenanalyse müssen durch Reisen und Interviews vor Ort überprüft werden. (kh)

Bremst die Schuldenbremse unsere Zukunft aus?

13:15 Uhr: Lediglich 11 Prozent in Deutschland wollen die Schuldenbremse abschaffen. Zu den Befürwortern gehört Ökonom und Autor Maurice Höfgen. Hin und wieder erkennt man in seinem Gesichtsausdruck den Unmut, der sich gegenüber den Ver­fech­te­r*in­nen des umstrittenen Haushaltsinstruments angestaut hat, insbesondere gegenüber Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Die Frage des Panels „Schuldenbremse = Investitionsbremse?“ beantwortet Höfgen im Gespräch mit taz lab-Redakteur Konstantin Peveling eindeutig: „Seitdem ich auf dieser Welt bin, 28 Jahre, sind die Nettoinvestitionen bei null. Seitdem hat unsere Infrastruktur nicht mehr an Wert gewonnen. Es verfällt so viel, wie wir investieren“, sagt er. Die im Jahr 2009 verschärfte Schuldenbremse wollen inzwischen sogar Teile der CDU reformieren. Nicht etwa wegen der Klimakrise, sondern, „weil die CDU, wie die Ampel, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einhalten will“, sagt Höfgen. Christian Lindner wolle hingegen auch hierfür bei Asylsuchenden und Bürgergeld-Empfänger*innen kürzen. „Egal wie unmenschlich man wird“, verfassungsrechtlich sei das gar nicht möglich, sagt Höfgen. (ll)

„Sie wurden schlechter als Tiere behandelt“

13:00 Uhr: Als Agusto Munjunga aus Angola in die DDR kam, wurde es erstmal blutig. „Meine Begrüßung in der Deutschen Demokratischen Republik war die Abgabe meines Passes und dann ging es direkt zu einem Schlachthof“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Palanca e.V.: „Ich erinnere mich an die Schreie der Tiere und das ganze Blut an den Schürzen“, erzählt er Moderatorin Marina Mai.

Auf der blauen Bühne geht es um Menschen aus Mosambik, Vietnam und Angola, die zu Zeiten der DDR ausgebeutet wurden: Vertragsarbeiter, Menschen wie Ibraimo Alberto aus Mozambik. Immer wieder fällt das Wort „Tier“ – nicht weil überwiegend in Schlachtereien gearbeitet wurde, wie Minh Duc Pham, Sohn vietnamesischer Gastarbeiter, erzählt: „Sie wussten, sie wurden schlechter als Tiere behandelt – aber immer noch besser als in Vietnam.“ (reb)

Ohne Konsequenzen keine Gerechtigkeit für Hanau

12:45 Uhr: Wut und Trauer liegen in der Luft. Genauso ist aber auch die Hoffnung auf ein besseres Morgen zu spüren beim Panel „Hanau ist überall“. Çetin Gültekin, Aktivist und Bruder des in Hanau ermordeten Gökhan Gültekin, fordert im Gespräch mit taz-lab-Redakteur Aron Teuscher Gerechtigkeit, doch es fehle an der Aufarbeitung. „Es wird niemals eine Gerechtigkeit ohne Konsequenzen geben“, so Gültekin. „Bei der Polizei, in der Politik und in anderen Institutionen sind wir auf dem rechten Auge blind“, pflichtet Aktivist Mohammed Ali Chahrour ihm bei.

Çetin Gültekin, Aron Teuscher und Mohammed Ali Chahrour sprechen über den Anschlag in Hanau Foto: Stefan Boness

Was muss passieren, um die Ausbreitung von rassistischem Gedankengut in Deutschland zu verhindern? Es braucht unabhängige Kontrollinstanzen und Aufmerksamkeit. Denn „durch die Ignoranz der deutschen Behörden fühlen sich Rassist_innen und Faschist_innen in Deutschland immer sicherer“, sagt Çetin Gültekin. Die Gefahr rassistischer Anschläge in Deutschland ist nicht eingedämmt, die Stigmatisierung und stetige öffentliche Darstellung von Shishabars als Wohnzimmer der Clan-Kriminalität befeuert antimuslimische Ideologien weiter. „Mit ein bisschen Diversifizierung bei Polizeibeamten ist es nicht getan“, beendet Mohammed Ali Chahrour sein Schlusswort. (trf)

Wohin mit dem Kind?

12:40 Uhr: Die Folgen der Betreuungskrise wird auch im schönen, sonnendurchfluteten Park deutlich. Dort bespricht die Moderatorin Lana Wittig gemeinsam mit Wirtschafts- & Care-Expertin Jo Lücke und Eltern-Influencer Sebastian Tigges über die Betreuungskrise der Kitas. In der Runde unter dem Namen „Wohin mit dem Kind?“ wird klar, dass der Anspruch auf einen Kitaplatz nicht direkt bedeutet, dass das Kind ihn auch erhält.

Lücke analysiert: „Die Frage nach dem Recht auf einen Platz wird noch zu wenig gestellt, weil Sorgearbeit immer noch als persönliche Herausforderung betrachtet wird.“ Auch Zu­schaue­r*in­nen beteiligen sich bei der Diskussion: „Wenn ich einen Vollzeitjob hätte, könnte ich gar keine Carearbeit leisten“, sagt ein in Teilzeit angestellter Vater. (nf)

Kulturkampf gegen Windmühlen

12:34 Uhr: Angesichts ihrer hohen Zustimmungswerte ist die Union eine „Anomalie im europäischen Panorama“ und Vorbild für andere konservative europäische Parteien. Das sagt der Politologe Thomas Biebricher im Talk „Quo Vadis Konservatismus – Von Leuchtfeuern und Brandmauern“ mit taz-Redakteurin Sabine am Orde. Um dem Schicksal sinkender Umfragewerte zu entgehen, müsse die CDU laut Biebricher vor allem aus zwei Fehlern der konservativen Schwesterparteien lernen: Die CDU solle die Finger von Kulturkämpfen lassen. Kämpfe gegen Wokeness und Gendern bedienten die falschen Themen und seien vielmehr Wasser auf die Mühlen rechtsautoritäter Kräfte.

Zum anderen zeige ein empirischer Blick auf Europa, dass Koalitionen zwischen gemäßigt-konservativen Parteien und rechtsautoritären Kräften bislang zu einer Umkehrung der Größenverhältnisse führen. Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ in Österreich oder die Zusammenarbeit von Berlusconis Forza Italia mit der Lega Nord zeigen, dass sich konservative Seniorpartner schnell zum kleinen Juniorpartner von Rechtspopulisten entwickeln können. (nädi)

Die westlichen Maßstäbe der Wiedervereinigung

12:30 Uhr: Im Park haben sich die So­zio­lo­g*in­nen Sylka Scholz und Daniel Kubiak um den grünen Küchentisch versammelt. Unter Moderation von Historikerin Emilia Henkel diskutieren sie darüber, wie Umbruchserfahrungen ostdeutsche Identitäten prägen. Mit Blick auf den Titel „Der lange Schatten der Wende“ fragt Kubiak in das Publikum: „Wer von euch stellt sich einen Schatten vor, der auf den Osten fällt?“ Das Problem: Wiedervereinigung wird zumeist vom Westen gedacht, die alten Bundesländer sind der Maßstab. (cl)

Wer ist diese politische Mitte?

12.25 Uhr: Beim Gespräch zum Thema „Die politische Mitte“ mit Autor Stephan Anpalagan wird es polemisch und unterhaltsam auf der pinken Bühne. „Die schweigende Mitte, die gibt es nicht – ich meine, es kann ja nicht jeder eine taz Kolumne haben“, sagt er. Zu Beginn des Panels fragte Moderatorin Ruth Lang Fuentes: „Über wen sprechen wir denn eigentlich, wen wir über die Mitte sprechen?“. Ihr zweiter zweiter Gast, die Soziologin Céline Teney, erklärt, dass sich 70 Prozent der Bevölkerung der sogenannten Mitte zuordnen lassen und sich die Extreme immer nur im Vergleich zur Mitte verstehen lassen. Anpalagan fordert einen anderen Blick: „Wir müssen den Begriff der Mitte neu justieren. In einer Gesellschaft, in der alle einen an der Murmel haben, sind ja dann die drei, die nichts an der Murmel haben, die Extremen.“ (reb/kr)

Ally sein für An­fän­ge­r*in­nen

12:20 Uhr: Wie wird man ein Unterstützer der queeren Szene? Dieser Frage gehen Najib Faizi und Daniel Heinz in einem Workshop nach. Faizi ist Aktivist auf Social Media, Pflegefachmann in Ausbildung im Krankenhaus und setzt sich als erste öffentliche Drag-Queen aus Afghanistan für die Rechte queerer Menschen ein.

Obwohl er viel Hass im Netz erfährt, bleibt er sich treu – sowohl online als auch im echten Leben. So will er sich und anderen zeigen, dass es wichtig und möglich ist, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Der Politikwissenschaftler Heinz zeigt im Workshop „Being an Ally 101“ auf, dass es gar nicht so einfach ist, sich als Ally richtig zu verhalten. Am wichtigsten seien vor allem zwei Dinge: eine gute Intention und Sensibilität. (kma)

Wozu noch Ostbeauftragte?

12.15 Uhr: Carsten Schneider feiert heute noch Kindergeburtstag. Deswegen ist Deutschlands Ostbeauftragter zum taz lab-Gespräch aus Potsdam zugeschaltet. taz-Autorin Anna Lehmann hält das nicht davon ab, direkt nach der kritischen Stimmung im Osten gegenüber der Bundesregierung zu fragen. „Was machen sie falsch?“, will sie von dem SPDler wissen. „Ich traue mir viel zu, aber ich weiß auch was meine Rolle ist.“, zeigt sich Schneider nüchtern. „Die Probleme der vergangenen 70 Jahre kann ich nicht in zwei Jahren lösen“, führt er fort.

Trotz mancher Probleme sieht der Ostbeauftragte einen Wandel. Mittlerweile existiere ein differenzierteres Bild von Ostdeutschland, in Sachen erneuerbare Energien und Wasserstoffnetz seien die neuen Bundesländer auf der Überholspur. Schneider jedenfalls glaubt, dass sein Amt nicht mehr lang notwendig sein wird. (nc)

Wer war Walter Ulbricht?

12:00 Uhr: Sein Verlag bat Ilko-Sascha Kowalczuk, eine Biographie über Honecker zu schreiben. Als Historiker und vor allem Ostberliner schien diese Idee für ihn so langweilig, dass er zum Gegenvorschlag ausholte: Seine Biografie zu Walter Ulbricht wird auf dem taz lab im Live-Podcast vorgestellt. Denn für Kowalczuk ist Ulbricht und nicht Honecker die zentrale Figur, um die DDR zu verstehen.

„Walter Ulbricht ist deswegen so spannend, weil er die ganzen Untiefen der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zufällig überlebte“, erklärt er im Gespräch mit dem Historiker und Podcaster Philipp Janssen. Als Mitglied des Revolutionskommittees der KPD bereitete Ulbricht einen bolschewistischen Putsch im Deutschen Reich vor, was ihn zum Inner Circle der kommunistischen Parteifunktionäre machte. Es scheint wie ein Wunder, dass dieser Mann ein langes Leben genoss, während seine ursprünglichen Weggefährten Jahrzehnte vorher ermordet wurden. Kowalczuk kann den Raum lesen und bringt ihn zum Lachen. Was von Kowalczuks Erzählung hängenbleibt: „Ulbricht hatte keine Scheu davor, die letzte Drecksarbeit zu machen“ –und war in der Zwischenkriegszeit deutlich mächtiger als viele denken. (ds)

Wann sprechen wir über West-Wahlen?

11.45 Uhr: „Wie kann das sein, dass du über Ostbewusstsein schreibst, obwohl du die DDR nicht miterlebt hast?“ fragt Moderatorin Ruth Lang Fuentes die Autorin Valeria Schönian zu ihrem Buch. Auch ihre zweite Gästin auf dem Podium „Vorsicht Wessiblick“, die Literaturwissenschaftlerin Yun-Chu Cho, hat sich gut vorbereitet und ist genervt von der „Stutenbissigkeit“ mancher „Ostdeutscher“. „Eigentlich könne man dann nie über Geschichte oder Kunst schreiben, man war ja tendenziell eher nie dabei“, sagt Cho. Dem stimmt Valeria Schönian zu. Dann geht es auch um Autor Drik Oschmann ist Autor des Buches „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“, der eigentlich auch hier sein sollte. „Er habe eine Debatte angestoßen die wichtig sei. Wie kann es beispielsweise sein, dass immer nur über „OST- Wahlen“ gesprochen wird und nicht über anstehende „WEST-Wahlen“, sagt Schönian. (reb)

Deep Fakes gegen Deep Informieren

11:30 Uhr: Wie können wir gegen Desinformation vorgehen? Diese Frage stellen sich viele Journalist*innen, auch die Mitglieder des Projekts „Faktograf“, vertreten durch Jelena Berkovic und die taz-Redakteure Jean-Philipp Beck und Christian Jakob auf dem Panel „Verleumden, Lügen, Einschüchtern“. „As journalists we can only offer information“, sagt „Faktograf“-Factcheckerin Jelena Berkovic (auf Deutsch: Als Journalisten können wir nur Informationen anbieten). Sie erzählt, wie sie in ihrem Beruf und Alltag mit Deepfakes und Hass im Netz zu kämpfen hat. Christian Jakob erklärt außerdem, wie das EU-Regelwerk „Digital Service Act“ versucht, digitale Kommunikation zu regulieren und welche Probleme damit einhergehen. Die Referierenden sind sich einig: Social Media-Plattformen haben eine große Verantwortung, wenn es um Desinformation geht – doch letzten Endes kommt es auf die Kooperation aller beteiligten Seiten an. (lel)

Wo der Osten ist, ist der Westen nicht weit

11.24 Uhr: Gerade weil es auf dem diesjährigen taz lab um den „Osten“ geht, muss es zwangsläufig auch um den „Westen“ gehen, genauer: den globalen „Westen“. Um Länder, in denen eine Kombination aus Kapitalismus, Demokratie und Wohlstand herrscht. So beschreibt Alice Hasters, Autorin und Journalistin, dieses Konstrukt. Und der „Westen“ steckt in einer Identitätskrise.

Angesichts der großen Krisen dieser Zeit lässt sich dessen Selbsterzählung von Fortschritt und Freiheit nämlich kaum noch halten. „Dadurch, dass wir im Westen sehr auf den Individualismus setzen – ein Ergebnis dieser Kombination – wird jede gesellschaftliche Veränderung oft sehr persönlich genommen“, sagt Alice Hasters. „Die Identitätskrise der Privilegierten geht so weit, dass sie Menschenleben opfert, um die eigene Identität zu sichern“, führt sie fort. Hasters erstes Buch trug den Titel „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“. Mit Nisa Eren, taz-lab-Redakteurin, spricht sie unter dem Thema „Identitätskrise einer Gesellschaft“ darüber, was der „Westen“ nicht hören will, aber wissen sollte. (ll)

Wo ein Osten ist, ist ein Westen: Alice Hasters über die Identitäskrise des Westens Foto: Stephan Bodner

Mehrheiten vom grünen Schrumpfen überzeugen

11:15 Uhr: Aaron Gebler spricht mit Ulrike Herrmann über ihr neustes Buch „Das Ende des Kapitalismus“. Auf dem Panel „Linker Kapitalismus für Morgen“ erklärt die taz-Wirtschaftsautorin: „Heute wachsen wir, weil Kapitalismus Wachstum braucht, um stabil zu bleiben“. Rational betrachtet geht es so nicht weiter, das CO2-Budget ist aufgebraucht. Stichwort ist also Grünes Schrumpfen. Doch das funktioniere nur mit Rationierung und Priorisierung, und eine Mehrheit gebe es dafür nicht, erklärt Herrmann.

Trotzdem bräuchten wir Konzepte, sagt sie: „Wenn wir nur denken, was die Mehrheit gut findet, dann denkt die Mehrheit ja schon für uns.“ Aaron Gebler hat Bedenken: Demokratien gerieten weltweit in die Defensive. Ulrike Herrmann betont: Demokratie sei aus ihrer Sicht das höhere Gut, doch Knappheit sei schon jetzt Realität. Wenn sich die Agrarindustrie und die Schwerindustrie ums Wasser streiten, werde der Staat entscheiden. (mar)

Viele falsche Wege

11:15 Uhr: Ulf Buermeyer, Malene Gürgen und Gareth Joswig diskutieren, angeleitet von Moderatorin Dinah Riese, über den Umgang mit der AfD in den Medien. Beim Panel „Berichten über Rechte“ wird klar: Es gibt viele Arten, es falsch zu machen. Und keine optimale, es richtig zu machen. Nicht über sie zu berichten, sei laut Gürgen auch keine Option. Denn das nutze die Partei gerne, um sich ins Opfernarrativ zu rücken. Biete man ihr eine Bühne, nützten sie diese, um ihre Narrative zu normalisieren. Dabei, darauf weist Joswig hin, seien Interviews oft mit Falschmeldungen und Lügen gespickt. Dazu findet Buermeyer klare Worte: „Wenn man den Anspruch aufgibt, auf Grundlage von Fakten zu diskutieren, wird es kompliziert.“ (kma)

Kein Herz für die GroKo

11.13 Uhr: „Alle Probleme die wir derzeit haben, haben wir wegen der Großen Koalition. Und das ausgerechnet die CSU sich erdreistet zu sagen, wie dieses Land regiert werden soll, ist nur noch mit Humor zu ertragen“, sagt Robert Habeck im taz-lab-Talk „Wie weiter, Vizekanzler?“ mit Peter Unfried. Der Vizekanzler ist wenig überzeugt davon, dass eine neue Große Koalition im Bund hilfreich sein könnte. (taz)

Vizekanzler Robert Habeck und taz-Chefreporter Peter Unfried auf dem taz lab 2024 Foto: Stefan Boness

Hürden für Hoffnung in Thüringens Asylheimen

10:56 Uhr: „Sie behandeln uns wie Kriminelle, Suhl ist wie ein Gefängnis“, beschreibt Vivian Uche, die drastischen Lebensbedingungen in Geflüchtetenheimen. Sie selbst hat zwei Monate in der Unterkunft im Süden Thüringens verbracht. Auf dem Panel „La­ger:­Bil­dung“ sprechen die Ak­ti­vis­t*in­nen Uche und Behnam Golestani mit Rahmatullah Batoor, Thüringens Referent für Migrantenorganisation und politische Teilhabe und dem Moderator Quirin Hacker über ostdeutsche Asylpolitik.Uche und Behnam arbeiten direkt mit den Be­woh­ne­r*in­nen zusammen, kochen mit ihnen, empowern sie und geben Hoffnung. Dabei würden sie ständig von der Heimleitung, Sicherheitskräften oder den Bezirken vor Hürden gestellt. „Es fehlt am Respekt für die Bewohner*innen“, sagt Behnam. Dazu merkt der Thüringer Politiker Rahmatullah Batoor an, dass Thüringens Regierung im Wandel sei, dadurch gebe es Hoffnung auf eine Besserung der Situation. Dem widersprechen die Aktivist*innen. Was fehle, sei antirassistische Aufklärungsarbeit für die Mitarbeiterinnen in den Heimen und auf Bezirksebene. (trf)

Hyper wenig Politik

10:48 Uhr: „Der politische Diskurs ist oft abgekoppelt von dem, was die Bevölkerung in der Breite denkt,“ sagt Ines Schwerdtner, Europaparlament-Kandidatin der Linkspartei bei der Aufnahme ihres Live-Podcasts „Hyperpolitik“. Mit zynischem Ton kritisiert sie den Aktionismus der Letzten Generation, die Methoden der FDP und die 2030-Agenda der CDU. Ihre Schlussfolgerung? „Viel Aufruhr, wenig Politik.“ (oe)

Für nix zu gebrauchen

10.39 Uhr: „Es braucht keine AfD für irgendwas. Wir als Demokraten sind in der Lage, unsere Probleme alleine zu lösen. Man braucht die AfD für gar nix“, sagt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis90/Grüne) im Talk „Bauernproteste“. (taz)

„Wie sich unser Leben schlagartig verändert hat“

10:35 Uhr: „Sie sind taff und freizügig, Muttis und Rabenmütter, feministisch ungebildet und emanzipiert“: Augenzwinkernd wirft Moderierende Simone Schmollack mit Klischees über die Frauen der DDR um sich. Im Gespräch „Ein Frauenleben in Ost-Berlin“ mit der Ostberliner Journalistin Anja Reich wird schnell klar, welche fatalen Folgen Rollenbilder damals hatten: In Ihrem Buch „Simone“ zeichnet Reich das Porträt einer engen Freundin, die Mitte der achtziger Jahre den Freitod wählte. Auf der Suche nach dem „Warum?“ findet Anja Reich Simones Tagebücher – und damit auch ein akribisch geführtes Zeugnis der DDR. „Da hab ich begriffen, wie sich unser Leben schlagartig verändert hat. Jede Kleinigkeit hat sich verändert“, erinnert sich Anja Reich. (nc)

Kein Frieden den Diktaturen

10:30 Uhr: Die belarussische Journalistin Alexandrina Glagoljewa legt ihr Mikrofon weg – die Erinnerung an Ales Bialiatsky, Friedensnobelpreisträger und politischer Gefangener in Belarus, durch das Hochhalten eines Posters in seinem Namen erscheint wichtiger. Die Veranstaltung „Verfolgt, gefoltert, weggesperrt“ ist für Glagoljewa sichtlich emotional.

Zuvor spricht sie darüber, wie belarussische Beamte in ihre vier Wände eindrangen und ihre Kinder bedrohten. Auch die Journalistin Nasta Zakharevich berichtet von der sich seit August 2020 konstant verschlechternden Situation für die politische Opposition in Belarus, welche sie aus dem lettischen Exil beobachtet. In dem von den taz-Redakteur*innen Barbara Oertel, Tigran Petrosyan und Gemma Terés Arilla moderierten Gespräch betont auch der Abgeordnete Robin Wagener (Bündnis90/ Die Grünen) auf die drastische politische Verfolgung, Folterung und Isolation von Menschen in Belarus hin. Mit Verweis auf Russland schlussfolgert Wagener: „Mit den Diktaturen in Europa ist kein Frieden zu machen.“ (ds)

Schwätze, schwätze, Brücke baue

Den Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie will er „durchs schwätze“ schaffen: Cem Özdemir Foto: Stefan Boness

10:23 Uhr: Als Sohn eines Landwirts weiß Cem Özdemir (Bündnis90/Grüne), wie Bäuerinnen ticken. Beim Panel „Bauernproteste“ – moderiert von den taz-Redakteuren Jost Maurin und Tobias Schulze – macht er sich deshalb nichts vor und räumt ein, dass Landwirte eine konservative Wählerschaft sind. Insbesondere im Osten sei das so.Um eben jene Landwirte zu besänftigen, ist seine Partei Kompromisse eingegangen. Dafür wurde er kritisiert. Er kontert: „Kompromisse gehören einfach dazu, wir haben nicht genug Stimmen bekommen, um alles allein zu entscheiden.“ Den Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie will er durch den Dialog, „durchs schwätze“ schaffen, um nicht nur Landwirte, sondern auch Um­welt­schüt­ze­r*in­nen und vor allem Ostdeutsche von seiner Agrarpolitik zu überzeugen. (tk)

Das große „Ja, und was heißt das?“

10:15 Uhr: Die Menschentraube wird immer größer, als klar wird, wer dort auf der gelben Bühne spricht. Beim Panel „Das große Ja?“ bekommt die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future zustimmendes Nicken und Applaus. Taz-Chefreporter Peter Unfried moderiert, während taz-lab Gast und WELT-Journalist Robin Alexander stärker um die Gunst des Publikums kämpfen muss als Neubauer, als er konservative ökologische Politik erklärt: „Die Strategie von klugen Konservativen ist, Veränderung langsamer passieren zu lassen und das ist nicht falsch.“Neubauer kontert: „Die Sorge vor einer zu schnellen Transformation führt doch nur zu einer noch schnelleren Klimakatastrophe.“ Gleichzeitig betont sie, wie wichtig es sei, dass Klimaschutz aus allen Ecken – auch den konservativen – komme und das auch muss. (sh)

Noch mehr Dialog gegen Diskriminierung

9:55 Uhr: Hellauf begeistert ist eine Besucherin bereits vor Beginn: „Das ist ja wunderbar, man sitzt ja hier wirklich direkt im Grünen.“ Im Panel „Her mit dem normalen Leben!“ geht es um Gewalterfahrungen, die queere Menschen machen. „Immer noch schauen die Menschen mich schockiert an. Und das ist ein Grund, warum ich heute hier sitze und sprechen möchte“, sagt Najib Faizi, Aktivist und Drag-Queen. Zusammen mit Christina Shneydin, Projektkoordinatorin bei Quarteera e.V. und der Moderatorin Malin Gehring sprechen sie darüber, was alles noch passieren muss, damit queere Menschen endlich ein ganz normales Leben führen können.

Dazu lädt die Moderatorin das Publikum ein: „Der Tisch ist groß, setzen sie sich dazu.“ Gemeinsam mit einer Zuschauerin sprechen Najib Faizi und Christina Shneydin über die Beziehung ihrer jeweils sowohl queeren als auch migrantischen Identität. Dann tauschen sie sich über Schwierigkeiten innerhalb der queeren Community tauschenaus: „Ich wünsche mir mehr Dialog innerhalb der Community. Besonders trans* Personen werden diskriminiert“, sagt Shneydin. (kr)

Deutsch-chinesische Verflechtungen

9.50 Uhr: Deutschlands Wirtschaft ist so eng mit der chinesischen verflochten „dass wir fast schon erpressbar geworden sind“, sagt der Journalist Felix Lee. Er diskutiert auf dem Panel „Abhängig von China“ mit dem taz-Autor Fabian Kretschmer – moderiert von der ehemaligen taz-Korrespondentin Jutta Lietsch. Neben den deutschen Beziehungen mit China ging es darum, wie putinfreundlich das Regime ist und wie China vom Ukraine-Krieg und den Sanktionen gegen Russland profitiert.

Zur Überwachung in China sagt Kretschmer: Den „Ernst der Lage haben viele nicht auf Schirm“. Der Andrang zu dem Gespräch in der taz ist so groß, dass weder Raum noch Zeit ausreichen, um dem Interesse der Zu­schaue­r*in­nen gerecht zu werden. (kh)

Omas für das Klima

9:40 Uhr: In der frühwärmenden Morgensonne stehen schon viele Stände vor dem taz-Gebäude im Besselpark – einer davon gehört den Omas for Future. „Ohne uns geht das hier gar nichts“, sagt Katharina Dietze, eine Aktivistin der Regionalgruppe Berlin. Die älteren Menschen müssten begreifen, dass sie „Teil der Lösung“ sind. Ohne erhobenen Zeigefinger, doch mit nachdrücklicher Dringlichkeit kreiden sie an, dass sich die Welt eher um die Folgen des Klimawandels kümmere, als gegen die Ursachen zu kämpfen. Der „Globale Norden“ müsse seinen „Beitrag leisten“. (nf)

Worte für mehr Verständnis füreinander

„Weniger Erbschaften und weniger Eigentum“ sind laut Bundestags-Vizepräsidentin Göring-Eckardt weiterhin bestehende Ost-West-Probleme Foto: Stefan Boness

9:30 Uhr: Die Journalistin Valerie Schönian, geboren im Jahr 1990, wurde ihr Leben lang gefragt: „Was hast du noch mit dem Osten zu tun?“ Ihre Antwort hat sie dreißig Jahre später in Buchform gebracht: „Ostbewusstsein“ lautet der Titel. Schönian will das Bewusstsein für strukturelle Unterschiede schärfen und Stereotypen abbauen, erklärt sie auf Roten Bühne in der taz-Kantine. „Es geht darum zu wissen, dass es eine spezifisch ostdeutsche Erfahrung gibt“, sagt sie.

Und worin besteht die? Die Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Katrin Göring-Eckardt kann zahlreiche Beispiele nennen: niedrigere Löhne, weniger Erbschaften, weniger Eigentum als im Westen Deutschlands. „Das sind relevante Unterschiede und nicht nur ein Bauchgefühl,“ sagt die Politikerin im Austausch mit Schönian und dem Comedian Friedrich Herrmann auf dem Podium „Ist das Identitätspolitik oder kann das weg?“, das der einzige „Wessi“ in der Runde – Quirin Hacker – moderiert. (cl)

Extrem Konservativ?!

9:20 Uhr: „Wir sind die Brandmauer“ skandierten Millionen Menschen in Deutschland Anfang des Jahres bei Protesten gegen die AfD. Doch wenn auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz rechte Narrative bedient: Wo verläuft dann eigentlich die Grenze zwischen den Ex­tre­mis­t*in­nen der AfD und dem Konservatismus? Das seien Dynamiken, „die dem Alt-Konservatismus völlig fremd gewesen wären“, sagt Historiker Volker Weiß im Gespräch „Zwischen Tradition und Extremismus“ mit taz-Redakteur Gareth Joswig.

Trotzdem braucht es ja die Konservativen, um den grassierenden Rechtspopulismus einzudämmen. Wo ist er also, der aufrechte Konservative, à la Ruprecht Polenz? „Ich weiß gar nicht, ob es ihn noch gibt“, sagt Weiß. „Es wäre schon sinnvoll, wenn bestimmte Teile der CDU verstehen würden, dass ihnen das alles nicht helfen wird. Die AfD will sie beerben.“ (ll)

Wie tickt Polen politisch?

9:15 Uhr: „Wir sind eure Stimme, wir geben euch die Würde, den Stolz zurück. Wir machen Sozialpolitik“ – mit diesen wohlklingenden Worten hat die rechte PIS-Partei laut Joanna Maria Stolarek die Gesellschaft Polens 2015 überzeugt. Die Leiterin des Warschauer Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung spricht mit dem Politologen Bastian Sendhardt und Moderator und taz-lab-Redakteur Aaron Gebler über die Regierungspolitik Polens der letzten Jahre.

Das taz lab am 27. April 2024 „Alles Osten oder was?“, hier: Liegestühle der taz-Genossenschaf Foto: Stefan Boness

Sie zeichnen auf dem Panel „Zurück nach Europa?“ nach, wie die PIS acht Jahre lang regierte und bei zwei Wahlen hintereinander konstant ein Drittel der Stimmen für sich gewinnen konnte. Darüber hinaus sprechen sie darüber, wie sich mit den Frauenprotesten – insbesondere mit der Verschärfung des Abtreibungsgesetztes im Jahr 2020 – die Stimmung im Land veränderte und vor welchen Herausforderungen die neue liberale Regierung heute steht. Dabei sei Polen durchaus progressiv, sagt Sendhardt: „Glasfaser in Deutschland ist für Polen kalter Kaffee“. (lel)

Mehr als eine Ostperspektive

9:10 Uhr: Am Grünen Küchentisch wird im Auftaktgespräch „Über Jammer-Wessis und Besser-Ossis“ über Vorurteile zwischen Ost und West diskutiert. Schon in den ersten fünf Minuten sind sich taz-Redakteurin Simone Schmollack, der Kulturmanager Stefan Schmidtke, Klaus Lederer (Die Linke) und Moderator Jan Feddersen einig: Allein die Zuschreibung „Ossi“ und „Wessi“ seien problematisch und würden Klischees reproduzieren. „Vom Osten wird immer als Defizit gesprochen, obwohl man von ihm viel lernen kann“, sagt Lederer. Gleichzeitig gebe es heute nicht mehr „die Ossis“ – sondern viele Ost-Perspektiven, die wir sehen und hören müssten. (sh)

Melodien aus Serbien, Tschechien und der Ukraine

8:40 Uhr: Melodien aus Osteuropa hallen durch die taz-Kantine. Treue Be­su­che­r*in­nen des taz lab kennen diesen Programmpunkt aus den vergangenen Jahren: die Begrüßung durch den taz-Chor, der dieses Jahr übrigens 30-jähriges Jubiläum feiert: Doris Benjack hat ihn im Jahr 1994 gegründet.

Obwohl die taz lab-Programmchef*innen Luisa Faust und Vincent Bruckmann von wenigen Stunden Schlaf berichten, strahlen beide und freuen sich auf die Gäste und den Tag. (kla)

„Alles Osten. Oder was?“

Der taz-Chor stimmt mit schönen Stimmen auf den heutigen Tag ein Foto: Stefan Boness

8:15 Uhr: Bei strahlendem Sonnenschein laufen die letzten Vorbereitungen das diesjährige taz lab, das seit 2009 einen der wichtigsten Tage für Le­se­r*in­nen und Interessierte markiert. Denn an diesem Tag im April kommen Politiker*innen, Künstler*innen, Autor*innen, Wissenschaftler*innen, Ak­ti­vis­t*in­nen und zahlreiche weitere Menschen vor Ort und digital zusammen, um über die Themen, die Berlin und die Welt gerade bewegen zu diskutieren, debattieren und lernen. Im diesjährigen Programm spricht der Osten für sich. Landtagswahlen in Ostdeutschland, Krieg in Nahost und der Ukraine, Verschärfung der EU-Außengrenzen sind Themen, die in verschiedenen Panels beleuchtet werden. Als Referierende mit dabei sind unter anderem Bodo Ramelow, Anetta Kahane, Robert Habeck und Marion Brasch.

Um 8.30 Uhr eröffnet das diesjährige taz lab mit dem taz-Chor auf der roten Bühne. Dann begrüßen lab-Programmchef*innen Luisa Faust und Vincent Bruckmann den taz-Volkxkongress gemeinsam mit Kurator Jan Feddersen und taz-Geschäftsführerin Aline Lüllmann das taz lab 2024 in der Kantine in der Friedrichstraße 21 in Berlin. Wer nicht vor Ort ist, kann sich auch jetzt noch ein Ticket holen und sich zu den Veranstaltungen zuschalten. Für alle unter 21 Jahren gibt es übrigens ein kostenloses Ticket. (kla)

Den Live-Ticker mit Inhalt versorgen die taz-Blogger*innen Tara Rezaie Farmand (trf), Kathrin Martens (kma), Nina Christof (nc), Carlo Mariani (mar), Tim Kemmerling (tk), Clara Löffler (cl), Luca Lang (ll), Nadim Sarfraz (nädi), Rebekka Gebler (reb), Selena Freitag (nf), Daniel Sagradov (ds), Kajo Roscher (kr), Olga Ellinghaus (oe), Lena Link (lel), Selina Hellfritsch (sh), Katharina Hoering (kh), Maria Arkadieff und Aron Boks.

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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Es braucht keine AfD für irgendwas. Wir als Demokraten sind in der Lage, unsere Probleme ALLEINE* zu lösen.".



    Hätte er dieses "ALLEINE " weggelassen, wäre es markante Aussage gewesen.

    • @LeKikerikrit:

      Daumen hoch