Das taz lab im Live-Ticker: Lang andauernder Abnutzungskrieg
Der Soziologe Harald Welzer glaubt nicht an ein baldiges Ende des Krieges. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagt, die Gesellschaft habe sich an Coronatote gewöhnt.
Ausklang mit Klasse!
19:00 Uhr: Nach diesem langen, aber erfolgreichen Tag verabschiedet sich das taz-lab-Team mit einem großen Dank an alle Mitwirkenden und Teilnehmenden in den Feierabend!
Gemeinsam mit euch und Ihnen möchten wir nun in der taz-Kantine bei Musik einen Tag voller Energie und Kontroversen (aus)erklingen lassen. Schön, dass Sie und ihr dabei wart! Wir freuen uns aufs nächste Jahr! Das taz-lab-Team sagt vielen Dank und auf Wiedersehen! (taz)
Freiheit im Ausnahmezustand
18.45 Uhr: Ist die liberale Weltordnung bedroht? Johannes Vogel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag, beantwortet diese Frage entschieden: „Ja, das ist sie. Angst sei berechtigt, aber davon muss man sich nicht leiten lassen. Hoffnung ist eine starke Kraft in Krisenzeiten.“ In einer Diskussion über die Grenzen des Liberalismus, die Symbolkraft politischer Kommunikation und die Rolle der Wissenschaft in der Politik sind sich Vogel und Philipp Kohlhöfer vor allem in zwei Dingen einig: „Wie wirkmächtig und bedrohend die Freiheit ist, sieht man in der Aggressivität ihrer Feinde“. Außerdem stimmen sie überein, dass Debatten um das russische Energieembargo und das Tempolimit häufig vom Wesentlichen ablenken: Nämlich von der Frage, welche Rolle Deutschland in der Welt einnimmt. (hs)
„Wir müssen handeln“
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18.45 Uhr: „Wir retten die Welt nicht, wenn wir diese Weltordnung, in der ein Putin das Recht hat ein Volk auszulöschen, weil er Territorialinteressen hat, aufrecht erhalten“, sagte die Autorin Jagoda Marinić im Gespräch mit dem Journalisten und PEN-Präsidenten Deniz Yücel sowie dem Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit und der FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Samstag auf dem taz lab.
„Wir müssen handeln und das bedeutet in diesem Fall leider: Waffen“, sagte Marinić weiter. In früheren Konflikten habe sich Deutschland seine Unschuld leisten können, „weil die Kriege die anderen geführt haben. Man hat halt gewartet, bis die Amerikaner reingehen.“ (taz)
„Die Faschisten dürfen nicht durchkommen“
18.40 Uhr: „No pasaran – die Faschisten dürfen nicht durchkommen – das ist die Antwort. Das ist auch die Tradition in der dieses Haus [taz] steht.“ – WELT-Korrespondent Deniz Yücel auf dem taz lab
Pazifismus ohne Herzen
18.30 Uhr: „Der Pazifismus in Deutschland ist manchmal ohne Herzen. Er sieht nicht die Opfer, er sieht sich nur selbst.“ – Daniel Cohn-Bendit auf dem taz lab
Tipping points – das innere Team zieht um
17.30 Uhr: In der Abendsonne des Beusselsparks sehnt sich Volker nach einer Zeit, die noch nicht von To-do-Listen und Fremderwartungen bestimmt wurde. Zwischen taz-lab Besucher:innen, Disharmonien und sphärischen Klängen, schwimmt Volker vom Theaterkollektiv Tarántula im Leistungsdruck. Er will nicht mehr und zieht mit seinem inneren Team um. Das besteht aus sieben weiteren Menschen, die unter der Leitung Philip Baumgartens spielen. Volker sehnt sich nach mehr. Nach was, weiß er nicht.
„Wer zieht in die anderen Zimmer, wenn das innere Team in einen Raum zieht? Muss Volker dann seine Persönlichkeit erweitern?“, fragt das Team die Zuschauenden; die lachen. Die Frage bleibt aber offen. Das Team „hängt über dem Abgrund“ und geht gurgelnd unter – oder ab. „Wenn Du mir einen Gefallen tun willst, dann behandle mich nicht als Ressource“, bittet einer von Volkers Teilen. Er spricht nicht nur für Volker. (Gru)
„Wer hetzt, der fliegt“ – Gewerkschaften kämpfen gegen Rechtsdrall
17.05 Uhr: „Ich würde gar nicht mehr von Rechtspopulismus sprechen – sondern von der radikalen Rechten.“ So steigt Soziologe Klaus Dörre von der Universität Jena in den Diskurs über rechte Tenzdenzen in Gewerkschaften ein. Fessum Ghirmaion (IG Metall Frankfurt/Main) hält dagegen, dass etwa das rechte „Zentrum Automobil“ bei Betriebsratswahlen in ganz Deutschland nur minimale Stimmanteile erzielt. Und Özay Tarim, streitbarer ver.di-Mann aus Düsseldorf, ergänzt, dass bei ihm in NRW schon allein der hohe Anteil an Kollegen mit Migrationshintergrund diese Tendenz eindämme.
Einig sind sich alle drei, dass der sinkende Organisationsgrad ebenso problematisch ist wie die Tatsache, dass sich immer weitere Teile der Arbeiterschaft „von denen da oben“ marginalisiert fühlen. Tarim: „Wenn dann noch die Tarifabschlüsse nicht gut sind, wird es schwierig …“ (ca)
„Die Aufgabe europäischer Staaten ist es, hinzuschauen“
17 Uhr: Um das verlorene Vertrauen der afrikanischen Staaten in westliche Staatengemeinschaften und Institutionen zurückzugewinnen, sei viel zu tun, sagte der Generalsekretär von Amnesty International, Markus Beeko, auf dem taz lab. „Dort entsteht vermehrt der Eindruck, dass plötzlich Kriegsverbrechen behandelt werden, die sonst kein Thema sind – nur, weil weil sie in Europa stattfinden“, fügte er hinzu. „Die Aufgabe europäischer Staaten ist es, hinzuschauen“, betonte Beeko und forderte mehr europäische Sensibilität für Geschehnisse außerhalb Europas. (kg)
Knochenarbeit unter dem Mindestlohn
17 Uhr: „Habt ihr dieses Jahr schon Erdbeeren gegessen?“ taz-Redakteur Tigran Petrosyan eröffnet die Runde über das Thema „Knochenarbeit unter dem Mindestlohn“ mit einer Frage an die Teilnehmenden. Doch um den persönlichen Konsum von der Juristin Tamila Gabaidze, der Sozialpädagogin Margarete Brugger und dem Forscher Vladimir Bogoeski geht es in der Diskussion nicht.
Stattdessen berichtet Brugger, die langjährige Arbeitserfahrungen im Bereich Asyl und Flucht mitbringt, von 23 georgischen Saisonarbeiter:innen mit katastrophalen Arbeitsbedingungen, die es anders wie viele andere an ihrer Stelle schafften, den Hof zu wechseln und den Fall vors Arbeitsgericht zu bringen. Brugger: „Wenn ich den Hof wechseln will, brauche ich eine Genehmigung von der Agentur für Arbeit. Das ist ein großer bürokratischer Aufwand.“ Ein weiteres Problem sei die Koppelung von Arbeit und Aufenthaltserlaubnis. „Hast du keine Arbeit, musst du gehen. Und trotzdem kommen immer wieder Erntehelfer:innen aus Georgien und aus den Balkanstaaten. Wieso?“
Für Tamila Gabaidze ist die Antwort klar. “Die Menschen haben die Erwartung, dass sie reicher nach Georgien zurückkehren.“ In Georgien liegt der durchschnittliche Monatslohn bei 500 Lari. Das entspricht 150 Euro und ist ohnehin schon weniger als das Existenzminimum „Jetzt erleben sie, dass es ihnen schlechter geht, als wenn sie geblieben wären.“ Sollten die 23 Georgier:innen den Fall gewinnen, „wäre das ein Präzedenzfall für Georgien und für Deutschland.“ (HM)
Ein lange andauernder Zermürbungs- und Abnutzungskrieg
16.30 Uhr: „Das positivste Szenario, über das man überhaupt sprechen kann in dem Zusammenhang, ist ein lange andauernder Zermürbungs- und Abnutzungskrieg.“ Das sagt der Soziologe Harald Welzer auf dem taz lab über den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Es sei auch eine „Eskalation der Reaktion“ zu erkennen, „also eine Steigerung und Qualität der Waffen für die Ukraine. Das ist eine höchstgefährliche Angelegenheit und ich sehe nicht, wie das auch nur ein einziges Menschenleben in der Ukraine retten könnte.“ (taz)
Waffen liefern und Sanktionen einleiten
16.30 Uhr: „Es kommt jetzt wirklich auf jeden Tag an, wir müssen Waffen an die Ukraine liefern und Sanktionen für Russland einleiten. Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft Europas“, sagt Ralf Fücks, Gründer des Zentrums Liberale Moderne im Gespräch mit taz-Redakteur Christian Jakob.
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Fücks spricht im Interview über die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine, Waffenlieferungen und die Rolle der Grünen. Einer Partei, die sich, im Gegensatz zu anderen Parteien im Bundestag, immer von Russland distanzierte: „Die SPD hat viele Jahre weggeschaut, wollte die Richtung, in die sich Russland entwickelte, nicht wahrhaben“, so Fücks. Die Grünen hingegen hätten immer an ihrem Grundsatz, die Menschenrechte sichern zu wollen, festgehalten. (kg)
Greenflation – Hohe Nachfrage, knappes Angebot
16 Uhr: „Ohne Umverteilung keine Klima- und Umweltpolitik“, sagte der Gründer von Foodwatch Thilo Bode im Gespräch mit taz-Redakteurin Simone Schmollack am Samstag auf dem taz lab. „Wir müssen die finanzschwachen Haushalte in unserer Gesellschaft langfristig absichern, damit auch sie die Sicherheit haben, den Klimaschutz unterstützen zu können.“ (LG)
Autogrammstunde mit Tom
16 Uhr: Jetzt wird's künstlerisch – Tom zeichnet und signiert den Besucher:innen ihre individuellen Autogrammkarten: „Was darf's sein?“ – „Drei Frauen für den Frieden… mit Handtaschen!“ Tom versteht sofort. Innerhalb weniger Minuten zeichnet er den Besuchern ein Meisterwerk herbei. (doa)
Gewerkschafter kontra Klimaschützer – das war einmal
15.15 Uhr: „Das packen wir gemeinsam an“ – so stellt sich Lars Katzmarek künftig die Kooperation zwischen Arbeiter- und Klimabewegung vor. Der 29-jährige Betriebsrat beim größten Betreiber von Tagebau- und Braunkohlekraftwerken in der Lausitz stößt damit ins gleiche Horn wie Kathy Ziegler von der Klima-AG im ver.di-Bezirk Köln, die als „Klima-Gewerkschafter:in“ erneute Kampagnen der Arbeitnehmerorganisationen gegen Fridays For Future & Co. verhindern will.
„So neu ist das doch gar nicht“, weiß Wissenschaftler und „Klimastreik“-Aktivist Milo Probst aus Basel (CH), der im Rahmen seiner Dissertation auf die erste Zusammenarbeit von spanischen Bergarbeitern und der dortigen Landbevölkerung im Widerstand gegen schädigende Abbaumethoden stieß – im Jahre 1888! Und so endet die Diskussion nicht etwa im Streit, sondern mündet in eine Einladung in die Lausitz, um dort die ökologische Verkehrswende ebenso anzugehen wie einen Strukturwandel für diese nach dem Mauerfall bereits zum zweiten Mal gebeutelte Region. (ca)
Wie wollen wir wohnen? Ein Zukunftsblick auf klimafreundliche Stadtpolitik
15 Uhr: „Brauchen wir Neubauten, um den sozialen Wohnungsbau zu forcieren? Dieser Meinung bin ich eigentlich nicht“, sagt Klaus Englert, Journalist und Architekturkritiker auf dem taz lab. Er weist damit auf einen Aspekt einer sozialen und klimafreundlichen Stadtpolitik hin: besser bestehende Häuser aufzustocken und zu verdichten.
Die Berliner Linkenpolitikerin Katalin Gennburg, Expertin für Wohnungspolitik, unterstützt den Ansatz, dass klimafreundliche Stadtpolitik in der Regel nicht Neubau bedeutet. Auch Nachverdichtung sieht sie kritisch. „Wir müssen ungenutze Infrastruktur umnutzen“, sagt sie. Beispiele hierfür seien, Hotels mit schlechter Auslastung oder Bürofächen in Wohnraum umzuwandeln. Auch die x-te Shoppingmall verhindere Wohnraum. Zudem sieht sie ein Potenzial bei dem Rückbau von Straßen.
Der Stadtsoziologe Dieter Rink betont: „Problem ist das Bauland“ – wenn es reines Spekulationsobjekt ist. Hier gingen zum Beispiel Ulm und Münster einen positiveren Weg, indem Sie schon vor Jahren ein strategisches Vorkaufsrecht der Komune eingeführt hätten. Klimafreundliche Stadtpolitik bedürfe zunächst oder mindestes parallel sozialer Wohnungsbaupolitik. Da sind sich alle drei einig. (mg)
Heitere Lesung im Besselpark
„Ich war mir sicher, dass in genau den 30 Minuten, die wir verpasst haben, alle wichtigen Infos zur Geburt genannt wurden“, liest Eva Mirasol bei bestem Wetter im Besselpark vor. Jacinta Nandi liest zu ausgelassener Stimmung des Publikums Texte aus dem Leben mit kleinen Kindern. Große Heiterkeit kommt währenddessen auf, als Mareike Barmeyer über den Fernseher beim Zahnarztbesuch vorliest: „Ich drückte auf die Fernbedienung und anstatt, dass ich den Fernseher ausschalte, drücke ich auf lauter.“ (kp)
Sterntaler auf der Spielstraße
15 Uhr: In der Spielstraße wird geläutet: Das Großstadtmärchen „Sterntalerchen“ vom Puppentheater Fingerleicht hat begonnen. Die vielen zuschauenden Kinder rufen Leyla herbei. Die Protagonistin, die jedem Kind ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, versorgt Luca, den Streuner und Edgar, den singenden Hund mit Plätzchen, leckeren Würstchen und guter Laune. „Wenn uns das Singen so viel Spaß macht, dann muss es anderen doch auch Spaß machen!“ – darauf gibt es ein lautes und deutliches,,Ja!“ Mit viel Gesang und Unterhaltung steigt die gesamte Spielstraße in den Nachmittag ein. (doa)
Die südostasiatische Palmölindustrie
14.45 Uhr: Nicht nur ökologische Widersprüche resultieren aus der Produktion von Palmöl, das für Agrartreibstoffe, Lebensmittel und Kosmetika exportiert wird, sagt die Soziologin Janina Puder. Sie spricht auf dem taz lab über die permanente Verdichtung von Arbeit in der südostasiatischen Palmölindustrie, denen Arbeitsmigrant*innen aus Malaysia und Indonesien ausgesetzt sind.
Fehlende Einkommensquellen im Herkunftsland zwingen Puder zufolge Arbeitsmigrant*innen dazu, ihre schier unerschöpflich scheinende Arbeitskraft zu Markte zu tragen. Sich und ihre Familien ernähren können sie nur, wenn sie permanent Überstunden machen oder Familienmitglieder unbezahlte Arbeit leisten. Ist Konsumverzicht ein Ausweg aus diesem Dilemma? „Würde man die Arbeiter*innen selbst fragen, so würden sie mit nein antworten“, berichtet Puder von ihren Studien über sozialökologische Transformationsprozesse. (kd)
„Wir brauchen den Neubau“
14.30 Uhr: Ist das Ziel von Bundesministerin Klara Geywitz, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, erreichbar? Ja, sagen der Architekt Jan Große, die Architektin Judith Ottich und der Vorsitzende des Bundesverbandes Bausysteme Jörg Bauer. Allerdings müsse jetzt etwas getan werden. Bauer will „vor allem sozialen Wohnraum“ schaffen, während Ottich das ökologische Bauen ein wichtiges Anliegen ist: „Alles, was jetzt gebaut wird, sollte schon gegen zero gehen.“ Auch Große ist überzeugt, dass „Bauen in seriellen Systemen nicht per se unöklogisch“ sein müsse.
Längerfristig können sich die Sprecher:innen Wohnungstauschbörsen, Mehrgenerationenhäuser und gezieltere Städtebaupläne als geeignete Maßnahmen vorstellen, denn tatsächlich existiert bisher viel ungenutzter Wohnraum. Es bleibt das Fazit: „Wir brauchen den Neubau“ – und zwar jetzt, wenn das Wohnen in der Großstadt auch weiterhin bezahlbar bleiben soll. jh
Wie wir mit Humus und Begrünung den Planeten retten können
14.30 Uhr: Ute Scheub ist Politologin, Autorin, taz-Gründungsmitglied und hat sich ganz dem sozial-ökologischen Wandel verschrieben. Auf dem taz lab präsentierte sie einige Low-Tech-Klimalösungen, darunter die Möglichkeiten von regenerativer Landwirtschaft und Humusaufbau, Pflanzenkohle, und Agroforstwirtschaft bzw. regenerativem Weiden. In all diesen Strategien sieht Scheub Low Cost, Low Tech und Win Win Win. Unter Moderation von Anette Jensen ging sie auch auf aktuelle Schwierigkeiten ein. Warum es bis jetzt noch nicht zur Umsetzung der nachhaltigen Landwirtschaftsstrategien gekommen ist? „Das technokratische westliche Denken hat einfach keinen Sinn für das kleine, intensive, mit Handarbeit Arbeitende,“ sagt Scheub. (ThB)
Ökologischer Klassenbegriff
14 Uhr: Orientiert sich ökologische Kritik des Kapitalismus an den Theorien von Marx und Engels? Auch die ökologische Frage sei eine Klassenfrage, sie frage nach den sozialen Verhältnissen, die hinter der Ökonomie stecken. „Die Ursachen der Umweltzerstörung entspringen der Ökonomie“, sagt der Soziologe Hans Racknitz und erinnert daran, dass Politik in sozialistischen Ländern in erster Linie der Güterversorgung diente und es damit zu effizienter Industrialisierung und großtechnologischer Naturbeherrschung mit den bekannten ökologischen Folgen kam. Produktivkräfte wurden und werden demnach zu Destruktivkräften planetarischen Ausmaßes. Rackwitz verweist auf Elmar Altvater, einen der Gründungsväter der Grünen Partei, der den ökologischen Marxismus in die deutsche Diskussion eingebracht habe. (kd)
Frieden schaffen ohne Waffen?
13.40 Uhr: Wie sorgt man für Frieden? „Für niemanden in Deutschland ist das Militär das Mittel erster Wahl“, stellt Ulrike Franke in der Podiumsdiskussion „100 Milliarden für die Freiheit?“ klar. Sie ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations. Jakob Lempp, Experte für Internationale Beziehungen, ergänzt: „Pazifismus bedeutet, ich gebe die Ukraine den Russen.“ Er sieht das Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ vieler Friedensbewegungen kritisch. Kai Oppermann, Experte für Deutsche Außenpolitik, erklärt, dass „die rote Linie da ist, wo direktes Eingreifen der NATO diskutiert wird.“ (sh)
„Die Macht liegt bei den Arbeiter:innen“
13.30 Uhr: „Wir wurden nicht rechtzeitig bezahlt und es hat an essenzieller Ausrüstung gemangelt“, beginnt Zeynep Karlıdağ das Gespräch über den Arbeitskampf der Gorillas-Rider. Als ehemalige Mitarbeiterin des Lieferdienstes war sie eine der Wortführer:innen der wilden Streiks im Sommer 2021. Moderiert von taz-lab-Redakteurin Shayna Bhalla stimmt der Soziologe Simon Schaupp zu, dass die schlechten Arbeitsbedingungen kein Einzelfall seien, sondern dass es sich um „ein strukturelles Problem in diesem Wirtschaftsbereich handelt.“
Der Jurist und Unternehmer Raphael Kneer betont die ungleichen Machtverhältnisse im Unternehmen: „Der Kampf mit dem Arbeitgeber ist ein ungleicher und unfairer, viele Arbeiter:innen wüssten nicht genug über ihre Rechte und Möglichkeiten in Gewerkschaften.“ Einig sind sich die Gesprächspartner:innen über die Bedeutung des Arbeitskampfes der Gorillas-Rider, es benötige „die kollektive Macht der Arbeiter:innen“, so Kneer. (jok)
Lauterbach spricht von Gewöhnung
13.40 Uhr: „Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, dass 200, vielleicht 250 Leute jeden Tag an der Corona-Infektion sterben“, sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Gespräch mit taz-lab-Kurator Jan Feddersen und taz lab-Organisatorin Luisa Faust.
Für Lauterbach ist die Pandemiebekämpfung noch lange nicht abgeschlossen. Im Sommer möchte er daran arbeiten, die Impflücke weiter zu schließen und setzt auf weitere, vor allem kreative Impfkampagnen.
Lauterbach will eine „weltumspannende Feuerwehr in Pandemiesituationen“ einrichten. Das sagte er im Gespräch mit taz-Redakteur Jan Feddersen auf dem diesjährigen taz lab. Er arbeite dafür mit Expert*innen aus der ganzen Welt zusammen. Ziele seien unter anderem die Entwicklung eines Konzepts, das die Produktion eines Impfstoffes in 100 Tagen möglich machen soll sowie die Investition in die Impfstoffentwicklung in ärmeren Ländern. (fr/fh)
Proletariat spricht – Wie sieht Klimapolitik von unten aus?
„Nur wenn wir unsere Perspektiven austauschen und verstehen, können wir Ignoranz beenden“, sagt Filiz Rieboldt und nennt damit den Grund, weshalb Melis Yeter, Marcel Hopp, Sarah-Lee Heinrich und Filiz Rieboldt mit der taz-lab-Redakteurin Cindy Adjei die Frage diskutieren, wie Klimapolitik „von unten“ aussieht.
„Viel zu oft sind diejenigen die Leidtragenden der politischen Entscheidungen, die am Monatsende ohnehin nichts auf dem Konto haben. Wir sollten uns die Frage nach Gerechtigkeit und Umverteilung stellen“, erklärt Melis Yeter und Marcell Hopp fordert: „Entscheidend ist, dass wir in allen politischen Bereichen verschiedene Perspektiven und Bevölkerungsschichten repräsentieren.“ Abschließend äußert Sarah-Lee Heinrich einen Wunsch: „Wir als Klimabewegung müssen verstehen, dass wir auch eine Arbeiter:innenbewegung sind, weil wir alle soziale Ungerechtigkeiten erleben.“ (hp)
Gärtnern in der Stadt
13.30 Uhr: Wie kann der Stadt die Natur erhalten bleiben? Darüber diskutiert taz-lab-Redakteurin Mareike Barmeyer mit Menschen aus der Urban Gardening Szene. Anton Eßwein zog im Jahr 2020 mit Mitstreiter:innen nach Altenburg, um die Stadt durch Urban Gardening neu mit der Natur zu verbinden. „Wir waren kaum einen Monat dort, dann wollte uns der Oberbürgermeister kennenlernen “, sagt Eßwein. „Es geht nicht nur um das Gärtnern. Es entstehen soziale Orte“, sagt Kerstin Stelmacher, Mitbegründerin des Berliner Allmende Kontors. (fgr)
Krisen über Krisen
13.10 Uhr: Laut Sören Pellmann (Die Linke) hat seine Partei schon einige Krisen erlebt: der Verlust der Bundestagsfraktion im Jahr 2002, die Landtagswahlen in Sachsen im Jahr 2019 und nun zwei Millionen Wähler*innen bei der Bundestagswahl 2021. Linken-Politikerin Nina Treu spricht auf dem taz lab in der Diskussion „Für welche Linke kämpfen wir?“ nicht nur von einer Existenzkrise der Partei, sondern von einer gesamtgesellschaftlichen Krise der Linken. In einem Punkt der Diskussion bleibt Pellmann dabei sicher: „Egal, wie viele Waffen in die Ukraine geliefert werden, es wird nicht zum Ende des Kriegs führen.“ Treu unterstützt dagegen die Lieferung von leichten Waffen. (es)
Marginalisierte Communities sollen sich vernetzen
12.40 Uhr: „Europe but not Europe“ – so fasst Larry Wolf die westliche Perspektive auf Osteuropa zusammen. „Der Westen geht von einer Hochkultur aus, die in den Osten gebracht werden muss“, sagt Osteuropahistoriker Hans-Christian Petersen auf dem taz lab im Gespräch mit taz2-Redakteurin Erica Zhinger und Sergej Prokopkin. Antislawische Ressentiments halten sich bereits seit Jahrhunderten. Betroffen sind Menschen aus Postost-Communities, wie zuletzt Erntehelfer*innen. Die Experten fordern deswegen eine „Osterweiterung in der deutschen Rassismusdebatte.“ Petersen plädiert für ein Miteinander marginalisierter Gruppen. „Viele Diskriminierungen, die die PostOst-Community betreffen, treffen auch andere migrantisierte Gruppen.“ (sons)
Klare Faktenlage – Desinformation und Verschwörungsmythen zur Klimakrise
12.30 Uhr: Verschwörungsmythen sind „unbelegte Behauptungen mit einem bösartigen Ziel“, sagte die Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig auf dem taz lab. Im Gespräch mit dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf sowie der taz-Redakteurin Nora Belghaus erklärte sie, es gehe darum, Verwirrung zu stiften. Anhänger:innen von Verschwörungsmythen hingegen schotteten sich gegen jedes Argument ab, nach dem Motto: „Ich habe ja gesagt, dass die unter einer Decke stecken.“
Bezogen auf sein Fachgebiet erklärte Rahmstorf, es werde beispielsweise behauptet, Klimaforscher:innen täuschten, um mehr Forschungsgelder zu bekommen. Rahmstorf stellte eine von ihm entworfene Typologie vor: Anfänglich waren es demzufolge Trendskeptiker:innen. Dann tauchten die Ursachenskeptiker:innen auf, die daran glauben, der Klimawandel sei nicht menschengemacht. Weiterhin gebe es die Folgenskeptiker:innen, die die Folgen verharmlosten. (DM)
Ukraine Putin nicht zum Fraß vorwerfen
12.30 Uhr: Jan Pfaff beginnt das Gespräch mit der Geschichtsprofessorin Hedwig Richter mit einer offenen Frage: Was können wir aus der Geschichte lernen? Richter verweist auf die EU und die transatlantische Integration. Sie findet es gut, dass die Bundesregierung und die anderen europäischen Staaten in der aktuellen Situation versuchten, eine friedliche Lösung zu finden. Den Verweis auf München im Jahr 1938 findet sie zynisch. „Hätten wir nicht früher erkennen müssen, dass Putin ein Killer ist?“ Man solle Putin ernst nehmen und dürfe nicht blind werden. Zur Verantwortung der Geschichte gehört, dass man die Ukraine Putin nicht zum Fraß vorwerfe, betont sie. (fb)
Den Einstieg in politische Diskussionen erleichtern
12.30 Uhr: „Das Interesse an der Politik ist da. Aber der Einstieg muss niedrigschwelliger sein“, sagt Mamoon Aboassi, Co-Vorsitzender und Gründer des Projekts „Neuwähler:in“ im Gespräch mit taz-lab-Redakteurin Cindy Adjei. Das Projekt zielt darauf ab, Möglichkeiten politischer Partizipation für arabische Menschen in Deutschland zu verbessern. „Auch die Zweisprachigkeit muss mehr gefördert werden.“, sagt Lisa Wing, Co-Vorsitzende und Mitgründerin des Projektes. Die deutsche Sprachkultur sei oft kompliziert und schaffe weitere Probleme bei der Teilnahme an Politik. (fgr)
Keiner hat angefangen, weil er viel Geld verdienen wollte
12:15 Uhr: Neven Subotić, ehemaliger Fußballprofi, hat auch nicht des Geldes wegen angefangen. Bereits zu Anfang seiner Karriere im Jahr 2006 gründete er eine Stiftung, die Projekte der Wasserversorgung in Ostafrika unterstützt. Auch das Engagement seiner Fußball-Kolleg_innen schätzt er – besonders, wenn sich jenseits von Benefizabenden einbringen. Was fehlten jedoch Strukturen. Denn die Spieler_innen sind letztlich angestellt, die Gewerkschaften sind zu schwach, die Vereine gewinnorientiert. Neven Subotić gibt sich im Gespräch mit taz-Redakteur Andreas Rüttenauer trotzdem optimistisch und ist sich sicher, dass die nächste Spieler*innengeneration die von ihm begonnene Arbeit weiterführen wird. (er)
Russland jetzt und in der Zukunft
12.15 Uhr: Wird Russland frei sein? Darüber sprechen Menschenrechtsaktivistin Swetlana Gannuschkina, Aktivist Timofey Martynenko und Forscher Alexander Friedmann mit Redakteurin Anastasia Tikhomirova. Gannuschkina geht für Frieden auf die Straße. Die Polizei gebe nach Ansicht der Aktivistin bei den Protesten kein einheitliches Bild ab, schlüge mal brutal zu, schützte mal durch Protokollfälschungen. Ein Großteil des Aktivismus hat sich jedoch ins Internet verlagert, wo sich junge Menschen vernetzen. Martynenko erklärt: „Die politischen Aktivisten (…) sind alle mit VPN vertraut.“ Wie es jetzt weiter geht? Laut Friedmann ist Russlands Zukunft gerade ungewiss. (thb)
Schreiben und Klasse: Drei Autor:innen im Gespräch
11.30 Uhr: „In der Schule wurde ich als schwarze Person gelesen und damit war klar: Ich gehöre hier nicht hin“, sagt Autorin und Soziologin Katharina Warda auf dem taz lab. Der Journalist und Autor Christian Baron stellt daraufhin fest: „In unserer Gesellschaft gibt es eine Vorliebe für Menschen, die den Aufstieg aus einer Klasse geschafft haben. Aber nicht für jene, die sich noch dort befinden.“ Warda und Baron diskutieren mit Journalistin und Autorin Mareice Kaiser auf dem taz lab über das Thema „Schreiben und Klasse“. Kaiser fordert: „Macht mehr Perspektiven sichtbar!“ (HP)
Donuts für alle!
12:15 Uhr: Donuts für alle! Bevor die nächste Diskussion eröffnet wird, stärken sich Besucher:innen und Team erstmal – Mahlzeit! Anlass ist der 30. Geburtstag der taz-Genossenschaft. Neben den veganen Donuts in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen gibt es Solidarität zum Anfassen.
,,Die Geschichte ist voll von ausgerufenen Krisen“
11.45 Uhr: Daniel Kersting von der Universität Jena berichtet vom Entstehen des Begriffes der Krise und dessen inflationären Gebrauch.,,Die Geschichte ist voll von ausgerufenen Krisen, durch die Kriege geführt oder Revolutionen begonnen wurden.“ Er diskutiert außerdem bestimmte Kriterien, wann ein solcher Krisenbegriff angewendet werden kann und wodurch diese entstehen. Hierzu erklärt er die Bedeutung der sogenannten Handlungsprobleme. Bezogen auf die aktuelle Klimakrise fasst er zusammen, dass der Klimawandel selbst aus vergangenem Politikhandeln heraus entstand und sich dementsprechend die Institutionen und Herrschaftsverhältnisse demokratisieren müssen. (lp)
Ja zu Voraussicht, nein zum Tempolimit
11.30 Uhr: „Hätten wir vor zwei Monaten gedacht, dass Habeck nach Katar fliegt und Gasverträge abschließt? Nein. Ist es notwendig? Ja“, sagt der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil im taz-lab-Gespräch mit Stefan Reinecke und Anna Lehmann. Klingbeil kritisiert auch seine Partei. Im Umgang mit Russland habe man „verpasst, rechtzeitig abzubiegen“. Wohin die Partei hätte abbiegen sollen? „Wir haben nur noch über wirtschaftliche Beziehungen geredet.“, sagt Klingbeil. „Aber alles, was Russland tut, hat weltpolitische Auswirkungen.“
Ein Tempolimit werde es allerdings in dieser Legislaturperiode nicht geben, denn dies stehe „nicht im Koalitionsvertrag. Ob der ÖPNV nach Ablauf der dreimonatigen Vergünstigung weiterhin gesenkt bleibe, lässt Klingbeil offen. Die Verantwortlichkeit sieht er bei Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). (fgr)
Unterschätztes Gefahrenpotenzial von rechten Naturschützer*innen?
11.30 Uhr: „In den letzten Jahren wurde mehr Vernetzung in die rechtsextreme-völkische Szene beobachtet und nachgewiesen“, sagt Anna Weers von der Amadeu Antonio Stiftung über die Anastasia-Bewegung. Über die Schnittmengen von Rechtsextremismus und Umweltschutz in ländlichen Siedlungsprojekten sprach Rechtsextremismusexperte Andreas Speit auf dem taz lab auch mit Laura Schenderlein vom demos-Institut.
Sie nimmt eine „Konzentration der Bewegung in Süddeutschland und Brandenburg“ wahr. „Es werden leerstehende Immobilien besiedelt – auch mit dem Ziel, noch weitere Menschen anzuziehen“, sagt Schenderlein über die Strategien der aus Russland stammenden Bewegung. Die Gesprächspartner*innen verdeutlichen, wie auf dem Land Rückzugsräume abseits staatlicher Strukturen geschaffen werden. „Kinder werden in alternativen Schulen unterrichtet“ und „die Neue Rechte versucht, neue Anhänger:innen zu finden“, sagt Schenderlein. „Die völkische Ideologie offenbart sich erst nach einiger Zeit“, ergänzt Anna Weers. (jok)
Trubel liegt schon in der Luft
11.30 Uhr: Es ist noch kalt im Besselpark. Die Menschen schlendern etwas zögerlich und orientierungslos durch den Park. Die Plastikstühle, von denen aus einem Gespräch über Perspektiven der Mobilitätswende in Berlin gelauscht werden kann, füllen sich schnell. Von Minute zu Minute wird es voller und trubeliger. (fh)
Konflikte auf dem Rücken der Bevölkerung
11.20 Uhr: Im Gespräch mit taz-Redakteur Tobias Schulze betont Özlem Demirel (Die Linke), dass es für Russlands Angriffskrieg „keine annehmbare Begründung“ gebe. Zu befürchten sei, dass Russland angesichts des Kriegsverlaufes zu brutaleren Handlungen übergehen werde. Demirel missbilligte Stimmen aus der Nato, die eine Entscheidung „auf dem Schlachtfeld“ nicht ausschließen. Ein „Brandherd in ganz Europa“ sei eine mögliche Folge. Sie verwies darauf, dass das Militärbudget von Nato und EU das von Russland bereits vor dem Krieg deutlich übertraf.
„Tragt eure Konflikte nicht auf dem Rücken der Bevölkerung aus“, lautete ihr Appell an die Verantwortlichen beider Seiten. Völkerrechtlerin Alexandra Kemmerer thematisierte im Austausch mit taz-Redakteur Christian Jakob zunehmenden Defizite der demokratischen Beteiligung. „Die Diskursräume waren unter Stress gestellt“, sagt sie und verweist auf die veränderte Rolle des Völkerrechts. Bereits am 26. Februar ist eine Klage der Ukraine gegen Russland beim Internationalen Gerichtshof eingegangen. Wer jedoch wann genau vor welchem Gericht stehen werde – darüber sei eine Prognose nicht möglich. (aj)
Lobbyismus als Chance zur Partizipation
11.15 Uhr: Was macht gute Lobbyarbeit aus? Mit dieser Frage eröffnet Journalist Adrian Breitling das Gespräch mit der Klimaaktivistin Luise Neumann-Cosel und den Grünen-Politikern Karl Bär und Sven Giegold. Darüber, dass Lobbyarbeit nicht nur Einzelinteressen der oberen Schichten widerspiegeln sollte, sind sich alle einig. Giegold meint, dass es vor allem Sache der Minderheiten sei, sich aktiv zu organisieren. Luise Neumann-Cosel kritisiert seine Position entschieden, da es sich bei dem Problem um ein strukturelles handle und fordert mehr Transparenz in Sachen Lobbyarbeit. „Interessenvertretung ist nicht neutral“, fasst Giegold zusammen. (jh)
Frieren für die Freiheit
10.45 Uhr: „Wie unfrei machen eigentlich fossile Energien?“. Mit dieser Frage eröffnet Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer die Podiumsdiskussion „Frieren für die Freiheit?“. Sie ist überzeugt, dass die Gesellschaft eine neue Unfreiheit erreicht, wenn sie heute nicht handelt. „Wir schaffen das gemeinsam“, sagt sie – wenn diejenigen, die es können, auf gewisse Privilegien verzichten.
„Wir haben dieses Prinzip Wachstum. Jetzt ist die Frage: Greifen wir dieses Prinzip an oder überlegen wir, wie wir (…) Wachstum entkoppeln können von Ressourcenverbrauch und von Emissionen. Ich glaube, dass das Zweitere das aussichtsreichere ist“, meint Mitdiskutant Robin Alexander, Journalist von der Welt. (sh)
Friedensgemurmel mit Nikita Kondratjew und Natan Sznaider
10.40 Uhr: Seit 1993 stand die Nowaja Gaseta für kritischen Journalismus in Russland. Seit ein paar Wochen erscheint die Zeitung nicht mehr und fürchtet, dass ihr die Lizenz entzogen wird. „Wir haben von der Medienkontrollbehörde zwei Mahnungen bekommen, obwohl wir uns an die Zensurregeln gehalten haben“, sagt Nachrichtenchef Nikita Kondratjew im taz lab-Gespräch mit Parlamentskorrespondent Tobias Schulze. Regierungskritische Medien gebe es in Russland jetzt keine mehr – zumindest nicht mit Sitz in Russland. Sich unabhängig zu informieren, so Kondratjew, ist riskant und nur noch durch VPN-Zugänge möglich.
Im Anschluss an das Gespräch mit Nikita Kondratjew sprach Jan Pfaff, der für die taz am Wochenende schreibt, mit dem Soziologen Natan Sznaider über die israelische Sicht auf den Angriffskrieg auf die Ukraine. Laut Sznaider seien es viele Faktoren, aus denen sich das israelische Stimmungsbild zusammensetze: „Viele haben ukrainische oder russische Wurzeln, dazu kommt ein positives Bild der russischen Roten Armee als Befreier von Auschwitz.“
Auch Selenskijs Rede vor dem israelischen Parlament beeinflusst die Stimmung in Israel. In der Rede habe Selenskij den russischen Krieg mit der Shoa verglichen. „Der Holocaust darf nicht als Parallele genutzt werden“, sagt Szainder. (kg)
Das Aufstiegsversprechen existiert nicht mehr
10.40 Uhr: Heute beginnen so viele Menschen wie nie zuvor ein Studium. Gerade deshalb ist es Pauline Krause wichtig, praktisch zu arbeiten. „Ich wollte schnell raus aus dem System Schule“, sagt die Berufsschülerin.
Ronald Lehmig, Schulleiter des OSZ-Kraftfahrzeugtechnik sieht darin ein „Strukturproblem“, die mit einem Studium fortgeführt werde. Der Mangel an Ausbildungskräften wird immer wieder betont. Er plädiert, Ausbildungen attraktiver zu bewerben, gestalten und vergüte, anstatt die Einstiegsqualifikationen weiter zu senken. Das „Aufstiegsversprechen“ eines Studiums, das lange existierte, müsse sich der Realität anpassen und Ausbildungsberufe wieder stärker anerkennen. (er)
Vor Ort tummeln sich Besucher*innen im Park
10.40 Uhr: Wenn die Sonne strahlt, alles blüht und Menschen Shiatsu-Massagen genießen, dann ist klar: das taz lab 2022 hat begonnen! Der Besselpark warten Besucher*innen auf die hitzigen Diskussionen, denen sie bereits ab 11 Uhr lauschen können.Die einen spielen Boule, ein Kameramann filmt das Geschehen, wieder einanderer informiert sich am Stand der Rosa-Luxemburg-Stiftung. (doa)
Viele scheuen sich vor dem Begriff „Klasse“
10.35 Uhr: Das Gemälde „Der Schrei“ von Edvard Munch interpretiert Philosoph Christoph Henning als Entfremdung – ein „Zustand in dem die eigene Welt fremd wird“. Im Vortrag auf dem taz lab nennt er nennt drei Gründe für Entfremdung von der eigenen Arbeit, die zu Burnout führen können. Wie stark äußert sich Klasse in diesem Zusammenhang? Klasse lasse sich nach Ansicht Hennings an der Tätigkeit erkennen. In Fabriken, auf Feldern, in Mienen führen Arbeiter körperlich anstrengende, oftmals dauerhaft kontrollierte Tätigkeiten aus, während höher gestelltes Personal in Büros sitzen könne.
Auch das Thema Konsum reißt er an. Mehr Renditen, mehr Eigentum, eine größere Yacht: eine Wachstumsmaßlosigkeit führe sogar innerhalb von Klassen zur Entfremdung. Populärer statt „Klasse“ ist heute der Begriff der kulturellen Milieus, wobei es hier so scheine, also könne man sich aufgrund seiner freizeitlichen Präferenzen und Musik in einer Klasse bzw. in einem Milieu selbst platzieren. (jt)
Muss das wirklich sein?
10.30 Uhr: „Der Zeitpunkt war genau richtig, taktisch und strategisch genau festgelegt.“ So reagierte Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), auf die Frage von taz-Redakteurin Anja Krüger, ob denn der Streik seiner Gewerkschaft zur Coronakrise wirklich sein musste. Auf den Grund für den Konflikt zwischen der GDL und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wollte Weselsky auf dem taz lab nicht näher eingehen: „Die Zeit reicht dafür nicht aus, das hat eine lange Geschichte.“ Er kritisierte einige Entscheidungen der EVG scharf und schloss eine gemeinsame Zukunft weiterhin aus.
Weselsky erklärte, auf vielen Feldern Erfolge verbuchen zu können. Es müsse sich aber noch einiges ändern. Das sei auch der Grund dafür, dass er seine Kandidatur bis Herbst 2024 verlängert habe. Dabei sei „ein Tarifkonflikt für 2023 vorprogrammiert.“ (hs)
Klasse: Ein Konzept von Gestern für die Welt von Morgen?
10.30 Uhr:,,Ich möchte das klassentheoretische Thema Eigentum nach Kants Theorie aus der sozialistischen Perspektive anstoßen.“ Yann Schosser von der Universität Jena eröffnet die Debatte um Kants Verständnis mit den Begriffen von angeborenem Recht und Anspruch auf Eigentum, von dem jeder Mensch Besitz ergreifen kann. Er führt die Theorie fort, indem er schildert, dass jeder Mensch ein Recht auf ein freies Verhältnis zueinander hat, das in Konflikten resultieren würde.,,Für Kant ist klar, dass es einen Staat braucht, der in eine notwendige Gewaltenteilung gegliedert ist um einem Individuum sein rechtmäßiges Eigentum zuzuordnen,“ schließt Schosser und fügt hinzu, das durch dieses System Klassenverhältnisse mit wiederum unrechten Strukturen entstehen würden. (lp)
Sollte sich jede*r radikalisieren?
10.30 Uhr: Obwohl Lina Eichler zuletzt Pipelines abdrehte, sieht sie Gewaltfreiheit und Friedlichkeit als Konsens an. Ihr Leben beim Hungerstreik vor dem Bundestag aufs Spiel zu setzen, dafür nimmt sie „körperliche Konsequenzen, ob nun leiblich oder durch Repressionen, in Kauf“, sagt sie in der taz lab-Diskussion „Boykottieren, Banden bilden, Bomben bauen – Fürs Klima radikalisieren?“, moderiert von taz-Klimaredakteurin Céline Weimar-Dittmar. Anders geht es Dante Davis, der aus Angst vor Repressionen lange Zeit Demonstrationen mied. Heute sagt der Bezirksverordnete: „Es gehört zur Politik, auf die Straße zu gehen.“
Für Tadzio Müller geht das nicht weit genug, denn „steigendes Klimabewusstsein führt nicht zu mehr Klimaschutz.“ Laut dem Klimaaktivisten müsse jede*r sich radikalisieren. „Bleiben, bis ihr handelt“ ist für Aktivistin Dina Hamid dagegen nicht die Lösung: „Eskalation muss dafür sorgen, miteinander Macht aufzubauen.“ (es)
Klima, Gaslieferungen und aufgedrehte Heizungen
10.25 Uhr: „Wie unfair fossile Energien sind, ist eine Frage, die wir gerade beantwortet bekommen“, sagt Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer im Gespräch mit WELT-Journalist Robin Alexander und taz-Chefredakteurin Barbara Junge in der Podiumsdiskussion „Frieren für die Freiheit“. (kla)
Verschwörungstheorien sind wie Laufffeuer
10.20 Uhr: Michael Bang Petersen beriet die dänische Regierung in der Pandemie zu deren Kommunikation. Auf dem taz lab diskutiert der Experte für politische Psychologie mit taz lab-Redakteurin Shayna Bhalla über gute Kommunikation in Krisen. Seine wichtigsten Erkenntnisse: Anders als von der Nudging-Psychologie angenommen, geraten Mensche in Krisen selten in Panik, sondern sind bereit, kostspielige Entscheidungen mitzutragen.
Dafür seien jedoch klare Kommunikation und Handlungsanweisungen an die Bevölkerung nötig. Sonst kommt es schnell zu Polarisierung und Vertrauensverlust. Verschwörungstheorien sieht der Politikwissenschaftler als einen Ausdruck des Regierungs-Misstrauens. Dieses sei allgemein und nicht themenbezogen „Der beste Indiz dafür, ob Sie einer Verschwörungstheorie glauben, ist, ob Sie bereits einer anderen anhängen“, erklärt Petersen. (thb)
Vorfreude auf den analogen Küchentisch
9.55 Uhr: Ab 12 Uhr verwandelt sich der Besselpark vor dem taz-Haus in Berlin in ein Diskussionsforum. Menschen aus unterschiedlichen Spheren der Gesellschaft streiten und debattieren dann in den „Besselparker Friedensgesprächen“ über die Zukunft Europas, das Klima und den Ukraine-Krieg. Dabei ist unter anderem Schriftstellerin Jagoda Marinić. (kla)
Stimmen für mehr aktive Partizipation in der Politik
9.45 Uhr: In „Würfeln um die Demokratie“ spricht Journalist Hannes Koch mit den Referent*innen über partizipative Demokratie. Welchen Einfluss hätte mehr Beteiligung auf die Politik? Politikwissenschaftler Norbert Kersting bemängelt, dass bisher nicht genug Menschen aktiv in der Politik teilnehmen: „In Deutschland haben wir das Problem, dass wir große Themen haben, über die wir (…) keine großen Debatten führen.“ Der Grüne Bundestagsabgeordnete Leon Eckert betrachtet die Idee von Bürger*innenräten als eine Lösung: „Die Menschen, die dort dabei sind, sind Multiplikatoren für Partizipation, für Demokratie, für Prozesse. Ich wünsche mir, dass Bürger*innenräte umgesetzt werden, aber dann auch die Wirkungsmächtigkeit zeigen.“ (fir)
„Uns läuft die Zeit davon“
9.35 Uhr: „Früher war ich ein Wachstumsökonom“, sagt Wirtschafts,- und Klimaexperte Shouro Dasgupta im Gespräch mit taz-lab-Redakteurin Shayna Balla. Irgendwann habe er erkannt, dass die Auswirkungen des Klimawandels die Existenz unzähliger Menschen bedrohen. Vor allem stört ihn, dass Menschen, die in Ländern des globalen Südens leben, die Emissonen der Wirtschaften des Globalen Nordens abbekommen. „Wirtschaftsstarke Länder müssen ihre eigenen Emissionen reduzieren und Technologietransfers in den Ländern finanzieren, die stärker vom Klimawandel betroffen sind“, appelliert Dasgupta. „Ich habe noch Hoffnung. Aber uns läuft die Zeit davon“, fügt er an. (hp)
Über Marx hinausdenken
9.30 Uhr: Peggy H. Breitenstein, Philosophin an der Universität Jena eröffnet ihren Vortrag im taz lab-„Klassenzimmer“ mit den Kapitalismus-Theorien von Karl Marx. Sie zeigt Unterschiede zum heutigen Begriffsverständnis auf. Die Professorin sieht den Kapitalismus als von Menschen gemacht und geformt an.
Der Kapitalismus selbst, den sie als einfache Marktwirtschaft beschreibt, sei nicht das Problem. Lediglich der Sprachgebrauch des Wortes sei es. „Heuschreckenkapitalismus reduziert metaphorisch auf eine Plage, ein Naturereignis, das unverhofft auf die Menschen trifft“, sagt sie und beendet den Vortrag mit dem Appell, kritisch über Marx' Ideologie hinauszudenken, da sonst Veränderungen und Innovation verhindert werden können. (jt)
Katastrophen sind da, um zu bleiben
9.25 Uhr: Katastrophen sind so alt wie die Menschheit selbst. „Man ist in der Katastrophe nicht auf sich allein gestellt, einem wird geholfen“, sagt Holger Sonnabend, Professor für alte Geschichte. Sonnabends Kommentar bezieht sich darauf, wie Menschen in Antiken Gemeinschaften in Ausnahmesituationen reagiert haben. Seine Fallbeispiele antiker Katastrophen zeigen jedoch noch mehr – denn wie heute auch, veränderten unvorhergesehene Geschehnisse die Gesellschaft.
An Beispielen der Athener Demokratie zeigt er, wie schwerste Katastrophen starke Demokratien stärken können, aber auch, wie „die Lust an der Katastrophe“ bereits in der Vergangenheit ein Phänomen war. Einige seiner philosophisch angehauchten Aussagen regen zum nachdenken an, zum Beispiel, dass eine Katastrophe in Quellen aus der dementsprechenden Zeit immer als “die schwerste aller Zeiten“ angesehen wird. (bs)
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Robert Habeck vorsorglich in Corona-Quarantäne
9.05 Uhr: „Es geht mir gut“, sagt Vizekanzler Robert Habeck, der sich nach drei positiven Corona-Schnelltests in Quarantäne begeben hat. Als er daraufhin noch einen PCR-Test machte, fiel dieser negativ aus. Mit taz-Chefreporter Peter Unfried diskutiert er im Mainstream digital über Zukunftsfragen rund um Klima und Energie. (kla)
Bald geht es los: Das taz lab 2022 startet
7.45 Uhr: Im taz-Haus und vor den Computern der Speaker*innen laufen die letzten Vorbereitungen, bevor um 8.30 Uhr von die lab-Organisatorinnen Luisa Faust und Ehmi Bleßmann live aus dem Besserpark in Berlin und Kurator Jan Feddersen gemeinsam mit Chefredakteurin Barbara Junge digital im Mainstream das taz lab eröffnen. Auch der taz Chor begrüßt.
Außerdem können sich die Teilnehmer*innen vor den Bildschirmen auf ein Grußwort des Gewerkschafters Lars Katzmarek freuen. Auch die aktuelle Lage kommt nicht zu kurz. Die ukrainische Journalistin Anna Zhukovets spricht ein Grußwort, ebenso wie Nikita Kondratjew, von der unabhängigen russischen Zeitung Nowaja Gaseta. Danach geht es direkt um 9.00 Uhr weiter mit acht Diskussionen – von Demokratie über Klimawandel bis hin zu Zukunftsfragen: das Programm ist facettenreich und gefüllt mit spannenden Themen und Personen! (kla)
Mehr Infos zu Tickets, dem Programm sowie den Speaker*innen gibt es hier.
Den Live-Ticker mit Inhalt versorgen die taz-Blogger*innen Elisa Radek (er), Franka Höfler (fh), Sonja Smolenski (sons), Patrick Lehmann (pl), Lara Mo (lm), Konstantin Peveling (kp), Ella Strübbe (es), Bendix Schmid (bs), Sophie Halley (sh), Helena Schubert (hs),Ulrike Spickerl (us), Friedemann Belz (fb), Frank Böhringer (frab), Edda Schmidt (eds), Matthias Gans (mg), Hilde Meier (hm),Jutta Engbers (je), Thomas Brauer (tb), Achim Brauer (ab), Pieter Kiegel (pk), Karin Determann (kd), Christian Allmendinger (ca), Lisa Papke (lp), Daisy Opambour-Adjei (doa), Filiz Rieboldt (fir), Klara Gassner (kg), Jasmin Trabelsi (jt), Sophie Masuch (sm), Theresa Bolt (thb), Josi Hölke (jh), Leonie Gau (lg), Arno Jung (aj), Peter Bernschneider (pb), Dörte Marth (dm), Frederike Grund (fgr).