piwik no script img

Das Woelki-GutachtenWenig überzeugend

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Das Missbrauchsgutachten aus Köln liefert bei Weitem nicht die Erkenntnisse, die eine umfassende Aufarbeitung braucht. Es ist allenfalls ein Anfang.

Weiterhin viele Fragen offen: der Kölner Kardinal Woelki am Donnerstag mit dem Gutachten unterm Arm Foto: Ina Fassbender/afp/ap

E ndlich. Endlich werden Namen genannt. Das Gutachten, mit dem der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki eine Anwaltskanzlei in der Domstadt beauftragt hatte und das am Donnerstag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, macht Schluss mit der Geheimniskrämerei der katholischen Kirche bei der Aufarbeitung sexueller Gewalt an Kindern. Nur wenn Namen genannt werden, können (noch lebende) Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden. Woelki hat auch sogleich durchgegriffen: Erste Geistliche wurden bis auf Weiteres vom Dienst suspendiert. Dabei geht es laut Woelki um „Vertuschung“.

Doch so gut das auf den ersten Blick aussehen mag, so suspekt bleibt der Vorgang. In Fragen formuliert, klingt das so: Warum hält Woelki ein erstes Gutachten zum hundertfachen Missbrauch von Kölner Priestern unter Verschluss? Warum beauftragt der Kardinal für ein zweites Gutachten eine Kanzlei just in der Stadt, in der er selbst eine starke Machtposition ausübt? Und warum kommt ausgerechnet diese von Woelki beauftragte Kanzlei zu dem Ergebnis, dass Woelki selbst nichts vorzuwerfen ist?

Woelki begründet die Vergabe des zweiten Gutachtens mit „rechtlichen Bedenken“ und methodischen Mängeln des ersten Gutachtens. Nur: Welche Bedenken und Mängel könnten das sein? Welche Konsequenzen könnten daraus folgen – außer jenen für die Täter und die für Vertuschung Zuständigen? Solange das Gutachten im Panzerschrank liegt, kann das niemand überprüfen.

Deshalb schließen sich weitere Fragen an: Ist Woelki nicht trotzdem Teil eines über Jahrzehnte entstandenen intransparenten und fragwürdigen Systems in Köln, so wie der Aufarbeitungsaktivist Matthias Katsch vermutet? Wie wollen Woelki und die katholische Kirche ihren Aufklärungswillen glaubhaft vermitteln, wenn das Gutachten zwar mächtig an Seiten ist, aber schwach in seiner Überzeugungskraft?

Nein, dieses Gutachten liefert bei Weitem nicht die Erkenntnisse, die eine umfassende Aufarbeitung braucht. Es ist allenfalls ein Anfang.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Eine Erkenntnis hat dieses Gutachten aber schon gebracht, das in anderen Artikeln auch erwähnt wird:



    Die Vertuschung lief auch gegen die Gutachter weiter, die bemerkten, dass da sicher einiges in den Akten gefehlt hat



    Da das zweite Gutachten immer noch fehlt - könnten das vielleicht genau die Teile der Akten sein, die beim ersten Gutachten für die Verbringung in den Giftschrank gesorgt haben?

    • @Mainzerin:

      Klar doch! Wir schreiben doch wieder, oder? Zwischen Ostern und Pfingsten läuft m.E. die kath. Fristenlösung. Ganz undogmatisch austreten oder übertreten, ein Problem wegen der vielen Anfragen.

  • Dem Begriff Gutachten fehlt die komplementäre pejorative Entsprechung im Falle des Misslingens.



    Wenig förderlich sind bekanntermaßen nackte Fingerzeige, lassen wir das zunächst. Was der katholischen Amtskirche als ehemals maßgeblicher Trägerin kultureller und philosophischer Entwicklung vorgeworfen wird, ist nichts weniger als das, was sie zum Anlass nahm, sich ihrer Widersacher:innen und Ankläger:innen in historisch widerlicher Weise zu entledigen. Perpetuierte Parallelen zur Realität, transnational und überkonfessionell, nicht zufällig, vielfach vefeinert, weniger martialisch. Der Begriff der Häresie bzw. Ketzerei wurde meinen "Brüdern im Geiste" zum Verhängnis: Giordano Bruno +, Jan Hus +, Eugen Drewermann, Ernesto Cardenal + u.v.m. Das Dekret vom Dogma der Unfehlbarkeit, ein deliktisches "delete" für Demut, Wissenschaft und für die (!)ausschließlich staatl. Judikative. Zurück zum Finger: Ich bevorzuge die Symbolik der Darstellung Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle, die Szene, in der man Berührung spürt - auf Distanz, qua Gemälde. Das Band zur Amtskirche wurde sukzessive zerschnitten, der Gesprächsfaden gekappt, historisch im Diskurs einseitig und autoritär. Abgenabelt? Maria 2.0 ist eine intrinsische Bewegung, getragen vom Geist der Erneuerung. Die Thesen werden endlich wieder an Portale geheftet. Cave ecclesiam? Usque ad aeternum!

  • Kann mir nebenbei noch mal jemand kurz erklären, warum hier eigentlich die Polizei nicht ermittelt?

  • Die Interessensgemeinschaft von Betroffenen fordert ein Gutachten von unabhängiger Seite - nicht irgendwie mit der Kirche verbandelt. Diese Gutachter sollten Zugang zu allen Unterlagen haben, nicht nur zu Dokumenten, die ihnen ausgehändigt werden. Auch sollen diese jeden gewünschten Zeugen befragen können.

    Lieber Wölki, solches wäre auch meine Forderung. Wenn dann herauskommt, dass der Rainer Maria keine Beziehung zu den Verbrechen und selbst keine Schuld auf sich geladen hat, dann kann man ihn vom Verdacht freisprechen. Aber was er sich bisher an Intransparenz in Bezug auf das erste Gutachten geleistet hat, lässt Verdacht aufkommen.

    Die bisherigen Enthüllungen sind schlimm. Aber vielleicht nicht vollständig. Der Verdacht kommt auf, es gibt zwei Bauernopfer und einen Hauptschuldigen, der tot ist. Da der sich nicht wehren kann, kann man ihm auch Unrecht von anderen zuschieben. Letzteres kann so sein, vielleicht aber auch nicht. Der Verdacht sollte aber geklärt werden.

    Es geht schließlich um die zweitgrößte Vereinigung in Deutschland mit immer noch mehr als 22 Mio. Schäfchen. Vielleicht sind die Bosse glaubwürdig oder unglaubwürdig.

  • Un. Ne Kölsch - Bitte Herr Bär -

    Bär aktuell 297 II - 19. März 2021

    "Ich wör su jän ens Weihbischof" singt die kölsche Karnevals-Combo Bläck Fööss in einem ihrer populären Songs.



    "Em Dom jet römlaufe - Un schwatze Anzöch kaufe - En d'r Bibel studiere - Ungerm Baldachin spaziere- Prächtije Jewänder drage- Em Benz jet römfahre- Jet Schau für die Menge- Vun d'r Kanzel jet schänge... Bei de Sünder jet setze -



    Mem Weihwasser spritze - Verjebung verschenke - Mem Weihrauchfässje schwenke



    - Jet schlofe em Jade - Mem Herrjott jet schwade... " (Im Dom was rumlaufen, und schwarze Anzüge kaufen, in der Bibel studieren, unterm Baldachin spazieren, prächtige Gewänder tragen, im Benz was rumfahren, etwas Schau für die Menge, vun der Kanzel was schimpfen... Bei den Sündern was sitzen, mit dem Weihwasser spritzen, Vergebung verschenken, mit dem Weihrauchfässchen schwenken, Etwas schlafen im Garten, mit dem Herrgott was quatschen..." Dieses Zitat möge als Kommentar von Herrn Bär zu den aktuellen Ereignissen im Erzbistum Köln genügen. Bliebe nur noch ein Verweis auf einen Witz in der Zeitschrift "Titanic", wo der Kardinal Woelki alle Zumutungen an ihn von sich weist: "Reicht es denn nicht, dass ich mit Vornamen Rainer Maria heiße?"



    © Raap/Bär 202“

    kurz - “Ein weites Feld“



    Na - Si’cher dat. Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix.



    Normal.

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Ich habe einen Termin zur Einsichtnahme in das "geheime" Münchner Gutachten - in 1 1/2 Wochen - als Überlebender einer (religiösen) besitzergreifenden Gruppe (nicht Betroffener der RK) bin ich gespannt!

    Es gilt:

    Mehr Laizismus wagen!

  • Chapeau. Sie nicht nur eine Schnellleserin.



    Sondern auch eine Blitzmerkerin.

    “ 800 Seiten schwer wiegt das Gutachten über die Fälle sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und Schutzbefohlenen im Erzbistum Köln.…“



    & Däh! Normal!



    “ Nein, dieses Gutachten liefert bei Weitem nicht die Erkenntnisse,



    die eine umfassende Aufarbeitung braucht. Es ist allenfalls ein Anfang.“

    kurz - Sie sind ja schon des öfteren durch ahnungslose juristische Brillianz aufgefallen.



    Schön - daß Sie Ihrem Ruf & Anspruch wieder mühelos gerecht werden.



    Frage mich nur. Woher Sie immer wieder diese feinen Stangen hernehmen?



    Hier zum Stochern - Im Nebel der “Brüder im Nebel“ - 👹 -

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - s

      “ "Wer zählt die Woelkis, nennt die Namen, die garstig hier zusammenkamen?" -



      ("Sieh da, sieh da, Timotheus")

      kurz - “ Man reißt und schleppt sie vor den Richter,



      Die Scene wird zum Tribunal,



      Und es gestehn die Bösewichter,



      Getroffen von der Rache Strahl.“ Liggers

      Uns aber - würde ja schon ein rechtsstaatliches Verfahren & ein Ende! des - Unter den weiten Mantel der AlleinseeligmachendenKehren - reichen.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Nun ja man könnte auch unterstellen, er hat so betreut damit ihm nichts passiert ..... einfach ermüdend dieses Thema, wenn grundsätzlich die ausgeklammert werden die Beweise hätten und die hierarchische Struktur dieser Gemeinschaft es möglich macht mehr zu verstecken, vertuschen und verschwinden zu lassen ..... ich suche keine Trost bei dieser Gemeinschaft