Das WM-Teil VII: Alles so schön arm hier
Eine Sportsbar in Milwaukee baut zur WM eine Favela nach. Das Fußballerlebnis soll unterhaltsam verkauft werden. Das gefällt nicht jedem.
BERLIN taz | Bunte Wände und baumelnde Wäscheleinen – so stellt man sich in Milwaukee im US-Bundestaat Wisconsin das Leben in einer Favela vor. Und da ja nun Fußball-WM ist und man die nicht unbedingt Fußball begeisterten Amerikaner irgendwie vor die Fernseher locken muss, dachte sich der Besitzer einer Sportsbar kurzerhand: Bauen wir doch einfach eine Favela nach.
Ganz erstaunt zeigte sich der Inhaber, als er plötzlich Kritik einstecken musste. Dave Zirin, Sportredakteur bei The Nation, nannte die Kulisse rassistisch. „Die Armut, Polizeigewalt und Bedingungen der militärischen Besatzung in den Favelas sind kein Witz und es ist keine Samba-Studentenverbindungs-Party“, schrieb er via Twitter an die Sportsbar.
Barbesitzer Mike Eitel rechtfertigte sich damit, dass die Fake-Favela eine Hommage an den brasilianischen Straßenfußball sei und dass man niemanden mit der Deko verletzen wolle. Zudem habe man ja auch bei der letzten WM eine afrikanische Kulisse geschaffen und niemand habe sich beschwert. Auch seine brasilianischen Freunde hätten nichts gegen den Favela-Nachbau.
In Richtung seiner Kritiker sagte der Barkeeper: „Das sind Leute, die bis vor einer Woche nicht wussten, was eine Favela ist.“ Man könne eine Menge über Brasilien diskutieren, aber die Leute würden sich einen Scheißdreck darum kümmern. Nun sprächen sie darüber. Und dafür sei Kunst ja nun mal da.
Das Leben in den meisten Favelas ist von Armut, Kriminalität, Polizeigewalt, mangelnder Abwasserversorgung und schlechten Schul- sowie dem Gesundheitssystem geprägt. Die Viertel liegen meist am Rande der größeren Städte. In der Heimatstadt der umstrittenen Fake-Favela ist das übrigens nicht anders.
Laut einer aktuellen Studie ist Milwaukee die Metropolregion mit der schärfsten räumlichen Trennung zwischen Arm und Reich in den Vereinigten Staaten. Nirgendwo leben die Armen abgeschiedener. Dave Zirin regte an, dass man nun auch in Rio de Janeiro ein Gegenstück der Fake-Favela konstruieren solle, um „ignoranten, hässlichen Amerikanern“ Tribut zu zollen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!