Danger Dan über Solidarität: „Grüße an Herrn Schleifer“
Rapper Danger Dan spricht über Solidarität mit Menschen, die von Nazis bedroht werden, den Pazifismus von Albert Einstein und seine Beziehung zum Klavier.
taz: Danger Dan, in Ihrem neuen Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ attackieren Sie Rechtsradikale wie Jürgen Elsässer, Götz Kubitschek und Alexander Gauland. Sie singen: „Zeig mich an und ich öffne einen Sekt / Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Haben Sie schon eine Flasche kaltgestellt?
Danger Dan: Nein, öffnen würde ich ihn nur im Falle von juristischen Auseinandersetzungen. Bis jetzt ist noch niemand über das Stöckchen gehüpft, das ich da hinhalte.
Nach all dem, was in jüngeren Jahren geschehen ist: Fühlen Sie sich bedroht oder haben Sie Angst?
Keine Angst vor denen zu haben, wäre fatal. Denn man kann Nazis eine Menge vorwerfen, aber nicht, dass man nicht wüsste, was sie mit politischen Gegnern machen. Sie haben ein Politikverständnis, das mit Angst spielt. Aber ich bin auch nicht gefährdeter als eine schwarze Frau, die in Magdeburg umsteigt, oder ein Schwuler, der in Bautzen seinen Freund küsst. Gerade aus Solidarität mit jenen, die sich nicht aussuchen können, ob sie ins Visier der Nazis geraten oder nicht, möchte ich mich laut zu diesen Themen äußern.
„Wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst / Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz“, singen Sie. Von welchem Zeitpunkt an ist dieses Mittel legitim?
Dort, wo Menschen akut gefährdet sind, kann Gewalt legitim sein. Wenn der wütende deutsche Mob vor der Geflüchtetenunterkunft steht und die Polizei nicht eingreift, muss man selbst etwas tun. Solche Fälle gibt es immer wieder. Ich erinnere mich an ein Konzert der Antilopen Gang, das wir in Freital 2015 an einer Geflüchtetenunterkunft gegeben haben. Damals konnten wir im Fernsehen live verfolgen, wie militante Nazis mit Steinen vor der Unterkunft standen und Menschen bedrohten. Also haben wir uns entschieden, dorthin zu fahren. Natürlich nicht allein, sondern im Konvoi. Tags zuvor wurden Antifaschist:innen, die zur Unterstützung mit angereist sind, mit Baseballschlägern aus ihren Autos gekloppt. Das hätte uns auch passieren können.
Es wäre naiv zu glauben, dass solche Situationen mit friedlichen Mitteln zu lösen seien?
Genau. Albert Einstein hat gesagt: „Ich bin nicht nur ein Pazifist, sondern ein militanter Pazifist. Ich bin bereit, für den Frieden zu kämpfen.“ Dem könnte ich mich anschließen. Ich bin selbst überhaupt nicht gewaltaffin. Ich habe nach körperlichen Auseinandersetzungen Magenkrämpfe und muss kotzen, wenn alles vorbei ist, weil es mich so aufwühlt.
37, ist Rapper und Musiker. Geboren und aufgewachsen in Aachen, lebt er seit 2011 in Berlin. Bekannt wurde er mit der HipHop-Crew Antilopen Gang („Beate Zschäpe hört U2“). 2018 veröffentlichte er sein Solodebüt „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“. Am 30. April erscheint sein neues Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ (Antilopen Geldwäsche/Warner). Erstmals ist er darauf als Liedermacher zu hören. Musik und Texte stehen in der Tradition von Georg Kreisler und Hannes Wader und sind von den Beatles und Die Prinzen inspiriert. Alle 11 Stücke sind am Piano komponiert. Für einige Songs steuerte die Berliner Künstlerin Mine Streicherarrangements ein, Charlotte Brandi (ehemals Me & My Drummer) hat Akkordeon gespielt. Im Finale „Beginne jeden Tag mit einem Lächeln“ trifft Piano auf Screamo-Hardcore, bis die Musik im Tumult endet.
In dem Song geht’s um den NSU, den Verfassungsschutz sowie die rechten Strukturen in der Polizei. Ist der Vertrauensverlust gegenüber den Sicherheitsbehörden in den Zehnerjahren größer geworden?
Es bestätigt sich häufig, dass Sicherheitsorgane sich nicht als vertrauenswürdig erweisen. Im Fall des rechtsterroristischen NSU wurden Akten geschreddert, verbliebene Unterlagen sollen 120 Jahre unter Verschluss gehalten werden. Merkwürdigkeit reiht sich an Merkwürdigkeit. Einzelne im Verfassungsschutz – nicht die ganze Institution – wussten von Anfang an, dass es den NSU gibt. Dieser Institution muss man nicht vertrauen. In meinem eigenen Leben habe ich auch schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Nachdem einmal Nazis Panik Panzers WG attackiert haben (Panik Panzer ist Tobias Pongratz, Bruder von Daniel, ebenfalls Mitglied der Antilopen Gang, d. Red.), sind alle Polizeiermittlungen ins Leere gelaufen: Anzeige gegen unbekannt und eingestellt. Ich hätte mir gewünscht, dass wenigstens die riesigen Steine, die auf Kopfhöhe geflogen sind und die wirklich Leute hätten töten können, auf Fingerabdrücke untersucht worden wären. Ernst genommen hat die Polizei die Ermittlungen nicht.
Über Querdenker:innen haben Sie den Song „Das schreckliche Buch“ geschrieben. Er handelt davon, wie ein Schundroman, der zu irre ist, um ihn sich auszudenken, Realität wird.
Ja, das ist tatsächlich so. Hätte mir einer vor fünf Jahren gesagt, es werde da eine Demonstration vor dem Reichstag geben, bei der Hippies, Nazis und Esoteriker einträchtig auf der Straße marschieren, wo ein veganer Kochbuchautor Reden schwingen und eine Homöopathin Donald Trump als Erlöser feiern würde, und alle zusammen würden den Bundestag stürmen, ehe sie dann von drei Polizisten aufgehalten würden – also dazu fehlte mir die Fantasie. Wir schaffen es ja auch gar nicht, genau zu umreißen, was das für eine Szene ist. Dazu bedient sie sich viel zu wirr aus allen möglichen Zutatentöpfen, um ihre Suppe zu kochen. Das sind Leute, die Yoga machen und in germanische Heilkunde vertrauen. Sie glauben, dass Juden ein Medikament gegen Krebs hätten und es den Deutschen nicht geben wollten. Und dann gehen sie zum Tantraseminar ins ZEGG (Zentrum für Experimentelle Gesellschaftsgestaltung). Diese Denkgerüste bieten einen fruchtbaren Nährboden um rechts abzudriften – auch wenn nicht alle von denen neurechts sind. Es handelt sich immer um Menschen, die rationale Erkenntnisse nicht brauchen, um ihre Weltsicht zu begründen.
Vieles auf Ihrem Album ist autobiografisch. Im Song „Lauf davon“ berichten Sie, wie Sie einmal nach Bordeaux abgehauen sind.
Der handelt von einem Zeitpunkt in meinem Leben, wo ich eigentlich sagen konnte: Mir geht’s gut. Ich hatte einen Job, eine Wohnung, Freunde und Familie. Aber alles war festgefahren. Dann habe ich einfach gekündigt – und bin weggefahren. Ich dachte: Ich fang noch mal von vorne an. Der Anlass war dann eher, dass es eben keinen Anlass gab. Mein Leben ist zu ikeamäßig abgelaufen.
Waren Sie da schon Teil der Antilopen Gang?
Empfohlener externer Inhalt
Kunstfreiheit
Ja. Damals sind wir an Wochenenden durch die AZs getingelt. Eher wie eine Kegelgruppe, das war noch kein Lebensentwurf wie heute. Nachdem ich abgehauen bin, mussten die anderen ein Danger-Dan-Double heranziehen. Mein Doppelgänger hat dann tatsächlich einige Konzerte anstelle von mir gespielt.
Geht der Song „Ich verprügelte die Sextouristen in Bangkok“ auf einen Aufenthalt in Thailand zurück?
Zum Komplex Militanz gehört eigentlich auch dieser Song. Er macht das Thema viel plumper und stärker auf, und ich sage darin: „Es ändert nichts an der Ausbeutung / Es kratzt nicht am Patriarchat“. Aber es gab da eben so einen Abend, als ich und meine Reisebegleitung abgehauen sind, weil es uns zu viel wurde. Es ist wirklich „politisch gesehen auch nur Quark“, sich mit Sextouristen dort anzulegen, wie ich singe. Man muss über Strukturen sprechen. Ganz am Ende ist man dann immer bei einer materiellen Kritik und dass es darum gehen muss, Ausbeutungsverhältnisse komplett hinter sich zu lassen.
Sie sind auf Ihrem neuen Album erstmals als Liedermacher am Piano zu hören. Wie kam’s?
Mit dem Klavier habe ich eine On-/Off-Beziehung, bis ich zwölf Jahre alt war, hatte ich Unterricht. Das, was ich lernen sollte, konnte ich meistens nicht, aber ich habe mir „Let it be“ beigebracht. Als Rap kam, fand ich das Klavier erst mal scheiße, später habe ich angefangen mit Reggae- und Skinhead-Reggae-Bands zu spielen, da fand ich es wieder geil. In den letzten zehn Jahren hatte ich es eingelagert. Mit Beginn der Pandemie fing ich wieder zu spielen an.
Sind Ihre Stücke von Künstlern wie Georg Kreisler und Hannes Wader inspiriert?
Ja, und Franz Josef Degenhardt wäre noch als Einfluss zu nennen. Der Song „Ingloria Victoria“ ist wesentlich von Degenhardts Song „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“ inspiriert. Und Bernies Autobahn Band! Die sind nicht so bekannt, aber geil.
Mit dem Album könnten Sie nun noch mehr Hörer:innen erreichen, oder?
Ich könnte mir vorstellen, dass Eltern von Antilopen-Fans das auch mögen. Aber es ist eh interessant: Sobald du dich auf eine Theaterbühne setzt und mit dem Klavier spielst – das inhaltlich auch nicht provokativer ist als zum Beispiel der Antilopen-Song „Atombome auf Deutschland“ – hören dir die Leute anders zu.
Vor allem in Deutschland.
Ja, in den USA natürlich nicht. Dort haben HipHop und Pop einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert. In Deutschland schwingen, glaube ich, noch rassistische Stereotype mit. Wenn ein deutscher Talkshow-Moderator Rapper persifliert, dann ahmt er auch gleich einen vermeintlich türkischen Akzent nach.
In „Ingloria Victoria“ singen Sie über Ihr Gymnasium in Aachen, von dem Sie geflogen sind. Eine Abrechnung?
Das auch. Zugleich formuliere ich Kritik am Bildungssystem. Meine Biografie ist einfach von unglaublich vielen Misserfolgserlebnissen geprägt. Ich kam mir immer defizitär vor, und es wurde mir auch so gesagt: Du hast da Defizite. In der Victoria-Schule hatte ich das schlechteste Zeugnis, das dort je ausgestellt wurde. Es hat dazu geführt, dass ich erst gar nicht mehr versucht habe, mich in dem System zu verwirklichen. Aber wo wir dabei sind: Einen würde ich gern von meiner Kritik ausnehmen, den Herrn Schleifer. Der hat mehrmals das Gespräch mit mir gesucht. Ich glaube, er ist taz-Leser. Den grüße ich hiermit lieb. Den Rest der Schule würde ich trotzdem verteufeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid