DGB veröffentlicht Ausbildungsreport: Krise und Corona-Krise
Nicht nur wegen der Pandemie beginnen immer weniger Jugendliche eine Ausbildung. Eine neue Studie zeigt Missstände auf, die abschrecken.
![Eine Frau trägt eine Schutzmaske und schweißt ein Werkstück Eine Frau trägt eine Schutzmaske und schweißt ein Werkstück](https://taz.de/picture/4344752/14/Coronavirus-Ausbildung-1.jpeg)
Dies ist nur ein Beispiel aus dem Ausbildungsreport 2020 des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Für die repräsentative Erhebung wurden über 13.000 Auszubildende befragt. Die Ergebnisse belegen, dass es bei einem nicht unerheblichen Teil der Betriebe gravierende Mängel in der Ausbildung gibt. So fehlen 34 Prozent der Auszubildenden der gesetzlich vorgeschriebene betriebliche Ausbildungsplan, der konkrete Lernziele festhält. 12 Prozent müssen „häufig“ oder „immer“ ausbildungsfremde Tätigkeiten ausführen. Unter den minderjährigen Auszubildenden arbeiten 10 Prozent mehr als 40 Stunden die Woche – obwohl dies gesetzlich verboten ist.
Allerdings sind die Bedingungen von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. So sind Auszubildende in Industrie und Verwaltung häufig sehr zufrieden mit ihren Ausbildungsbedingungen. Im Hotelgewerbe und der Gastronomie, aber auch bei Lehrstellen als Verkäufer*in fallen die Bewertungen jedoch schlechter aus.
Diese Branchen sind jetzt auch von der Coronapandemie am stärksten getroffen. „Damit die duale Berufsausbildung dort in Zukunft attraktiv bleibt, müssen gerade diese Branchen sich jetzt mit dem DGB zusammensetzen, um die Ausbildungsbedingungen zu verbessern“, fordert die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack.
Weniger Bewerbungen, weniger Angebote
Insgesamt schrumpft der Ausbildungsmarkt dieses Jahr stark. Bis zum Juli dieses Jahres meldete das Deutsche Handwerk 13 Prozent weniger abgeschlossene Ausbildungsverträge, Handel und Industrie 17 Prozent weniger abgeschlossene Verträge.
Das Problem ist hierbei nicht nur ein schrumpfendes Angebot vonseiten der Betriebe, denen wirtschaftlich unsichere Zeiten bevorstehen. Auch die Zahl der Bewerber*innen ist niedriger als üblich. So teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, dass sowohl die Zahl der angebotenen Lehrstellen als auch die Zahl der Bewerber*innen bis Ende Juli um rund 8 Prozent zurückgegangen seien. So standen 499.000 Ausbildungsplätze für 440.000 Bewerber*innen zur Verfügung.
Dass der Rückgang bei den Bewerber*innen ähnlich groß ist wie bei den Lehrstellen, erklärt der Ausbildungsexperte des Instituts für Wirtschaft in Köln, Dirk Werner, mit der Unsicherheit unter potenziellen Bewerber*innen. „Die Jugendlichen wissen, dass es ein schwieriges Jahr wird. Wer kann, macht daher lieber noch einen höheren Schulabschluss oder bewirbt sich auf ein Studium“, sagt er. Hinzu komme, dass die üblichen Matchingmechanismen wie Berufsmessen und Infoveranstaltungen dieses Jahr nur sehr eingeschränkt stattfinden konnten.
Als kurzfristige Hilfe hatte die Bundesregierung zum 1. August das Programm „Ausbildungsplätze sichern“ gestartet. Mit insgesamt 500 Millionen Euro fördert es kleine und mittlere Betriebe, die weiterhin ausbilden. Für jeden Ausbildungsplatz, der nicht wegfällt, bekommen die Betriebe eine Prämie von 2.000, für jeden neuen Platz 3.000 Euro.
Um das duale Ausbildungssystem langfristig zu stärken, müssten sich jedoch auch die Ausbildungsbedingungen verbessern, fordert die DGB-Bundesjugendsekretärin Manuela Conte. Dazu gehöre als Minimum, dass bestehende Gesetze eingehalten und Azubis nicht als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden. Darüber hinaus gebe es jedoch auch Mängel bei Mobilität und Wohnen. „Mehr als 65 Prozent der Auszubildenden würden sich gerne unabhängig machen und in einer eigenen Wohnung leben“, sagt sie. In der Praxis könnten dies jedoch nur 26 Prozent. Daher fordert der DGB sowohl günstigere Azubi-Tickets als auch Azubi-Apartments.
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