DGB-Forderungen zum 1. Mai: Auf wackligen Beinen
Die 1.Mai-Forderung nach Lohnerhöhung ist völlig nachvollziehbar. Nur: Ein Aufschlag könnte die Inflation zusätzlich anheizen.
![Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, Seite an Seite mit dem DGB-Chef Reiner Hoffmann auf der Kundgebung am 1. Mai Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, Seite an Seite mit dem DGB-Chef Reiner Hoffmann auf der Kundgebung am 1. Mai](https://taz.de/picture/5534824/14/30071851-1.jpeg)
V iele Unternehmen jammern schon: Nach Corona, Lieferengpässen und Energiekostenexplosion jetzt auch noch üppige Lohnforderungen? Dann drohten Insolvenzen ohne Ende – und damit Jobverluste und Arbeitslose vor allem im Mittelstand. Die aktuelle Tarifrunde läuft – und die Forderung der IG Metall nach 8,2 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten in der Stahlindustrie in Nordwest- und Ostdeutschland zeigt, wie sich die Gewerkschaften dabei aufstellen dürften.
Inflationsausgleich, Beteiligung der ArbeitnehmerInnen an Produktionsgewinnen und eine gerechtere Verteilung forderte der scheidende DGB-Chef Reiner Hoffmann auch dieses Jahr wieder bei den Kundgebungen am 1. Mai. Eigentlich völlig richtig. Denn im April lag die Inflationsrate bei krassen 7,4 Prozent. Allein Energie kostete über ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Dies belastet vor allem Geringverdiener und sozial Benachteiligte. Und: Viele Firmen fuhren zuletzt Riesengewinne ein.
Der Krieg in der Ukraine und auch Corona sind allerdings zwei Variablen, die in der Rechnung der Gewerkschaften nicht auftauchen. Bei einem Stopp der Lieferungen von Öl und Gas, auf den der Westen nicht eingestellt ist und der deshalb die Energiemärkte schockt, drohen weitere Verteuerungen, die noch höher als die bisherigen liegen könnten. Weiteres Ungemach könnten die rigiden Maßnahmen gegen Corona in China einbringen.
Vor dem weltgrößten Containerhafen in Shanghai stauen sich gerade Tausende Schiffe, weitere Lockdowns im Land sind in Sicht. Das heißt: Europa steht vor riesigen Lieferkettenproblemen, die weiter die Inflation anheizen dürften. Ergo: Natürlich gilt der alte Slogan weiter „Lohnverzicht bringt es nicht“. Aber: Die Lage der hiesigen Konjunktur ist derzeit sehr wackelig.
In diesen Wochen einen saftigen Aufschlag zu erstreiten ist zwar grundsätzlich richtig, wird möglicherweise aber die Inflation weiter fatal anheizen. Zum Modell könnten Lösungen wie jüngst ein Abschluss der IG BCE werden: Sie vereinbarte eine Einmalzahlung mit den Arbeitgebern – und vertagte die Tarifverhandlungen auf Oktober.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau