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DFB-Präsident GrindelKein Gesinnungsverein

Nach DFB-Teammanager Oliver Bierhoff verschärfte auch Reinhard Grindel den Ton gegenüber Mesut Özil. Der DFB hat einen Kurs der Spaltung eingeschlagen.

Forderte von Mesut Özil eine eindeutige öffentliche Äußerung: Reinhard Grindel Foto: dpa

Von einer Kommuniktionspanne war anfangs die Rede. Wahlweise auch von einem Kommunikationsdesaster. Ach, wäre es nur das! Mittlerweile muss man beim Umgang des Deutschen Fußball-Bundes mit Mesut Özil vom Schlimmsten ausgehen. Mit ihrem Präsidenten Reinhard Grindel hat der DFB einen Kurs der Spaltung, der Desintegration eingeschlagen.

Entweder Özil erklärt sich den deutschen Fans oder er muss mit Konsequenzen rechnen. Das war die recht unverschlüsselte Botschaft des einstigen Rechtsaußen in der CDU-Bundestagsfraktion, die er über ein Interview mit dem Kicker nach außen trug. Özil, so waren seine Worte, solle sich „eindeutig“ und in „seinem eigenen Interesse“ äußern. Dass Grindel ebenfalls in diesen Tagen eine größere Mündigkeit deutscher Fußballnationalspieler gefordert hat, hört sich nach diesem Appell wie reinster Hohn an.

Welche Wahl bleibt denn Özil nun noch, ohne sein Gesicht zu verlieren? Kann man etwa zwei Monate nach dem Fotoshooting mit dem türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdoğan jetzt wirklich noch erwarten, dass er vor dem plötzlich so aufgeregten Fußballchef und dessen christlichen Vaterland zu Kreuze kriecht und sich als deutscher Staatsbürger bekennt? Eher nicht. Es ist der von Grindel einkalkulierte Abschied eines unliebsamen Nationalspielers, der nicht deutsch genug ist.

Der DFB-Chef erledigt das Geschäft von AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland, der die deutsche Akzeptanz von Jérôme Boateng schon in Frage gestellt hat. Dem ist der DFB noch vorbildlich zur Seite gestanden. Zu einer Zeit, wo er auf der Sonnenseite des Erfolgs stand. Nach dem historisch vorzeitigen WM-Aus weht aber ein Wind beim DFB, der einen schaudern lässt.

Bierhoff sollte sich von Grindel distanzieren

Egal wie sich Özil nun entscheidet, der massive Versuch von Grindel den Weltmeister von 2014 herauszuekeln, wird großen Einfluss auf das Zugehörigkeitsgefühl bei den deutsch-türkischen Jugendlichen sowie ihre Entscheidung haben, für welchen Verband sie künftig antreten. Der Schaden für die deutsche Gesellschaft dürfte mindestens so groß sein wie für den deutschen Fußball.

Der DFB-Teammanager Oliver Bierhoff war der erste, der die Aufmerksamkeit vom eigenen Versagen ablenkte, indem er sagte, man hätte überlegen müssen, ob man auf Özil hätte verzichten müssen. Als sich sich danach einem Shitstorm ausgesetzt sah, ruderte er zurück und sprach von einem Missverständnis. Es wäre ihm nur um das Sportliche gegangen. Sollte das ehrlich gemeint sein, müsste sich Bierhoff jetzt schnellstens von Grindel distanzieren, dem es offenbar ausdrücklich um das gesellschaftspolitische Signal geht.

Natürlich lässt Özil mit seinem bisherigen Schweigen einen Spekulationsraum offen, der je nachdem wie man es interpretiert, befremden kann. Ist er möglicherweise ein glühender Erdoğan-Anhänger und will das nicht sagen? Aber was spielt sich denn möglicherweise in den Köpfen anderer Nationalspieler ab? Vielleicht geht es manchem wie Lothar Matthäus? Vielleicht ist manch einer auch ein insgeheimer Bewunderer von Wladimir Putins Kunst, eine so tolle WM in seinem Land auf die Beine stellen zu lassen.

Oder vielleicht gibt es einen heimlichen NPD und NSU-Sympathisant im DFB-Dress? Man wird es aus den Spielern weder herausprügeln können noch hilft es, sie zu irgendwelchen Bekenntnissen zu zwingen.

Allein die Entscheidung Özils für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen, muss Bekenntnis genug sein. Die DFB-Elf ist kein Gesinnungsverein. Selbst Grindels CDU-Parteikollege, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet ist fassungslos. Er twitterte:

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Laschet hat Recht. Die AfD wäre sofort drauf gekommen und die zum Glück bislang große Mehrheit in Deutschland überhaupt nicht.

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5 Kommentare

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  • WM 2030, Interviewzone nach dem WM Finale in Buenos Aires: "Glückwunsch Murat zum ersten WM Titel für die Türkei. Uberzeugends Leistung!" sagt der ARD Reporter auf.

    "Haben sie und ihre Kollegen aus Deutschland, die sich nach 2018 massenhaft aus den DFB-Jugendmannschaften verabschiedet haben noch einen einen tröstenden Gruß an die völkisch reine Deutsche Nationalmannschaft, die ja leider in der Vorrunde gegen die Fußballweltmacht der Pitcairn-Islands ausgeschieden war?"

    Darauf Murat in schönstem Schalker Ruhrpottdialekt: "Nöö ...aber danke Grindel!"

  • Wow. Das ich das mal sage, hätte ich auch nicht gedacht, aber mein Ministerpräsident hat recht....

    • @Frank N. Stein:

      Er hat's zumindest sehr schön pointiert formuliert.

      Dass die DFB-Spitze tatsächlich Özil zum Sündenbock macht, sehe ich dagegen nicht unbedingt. Hier echauffiert sich eher eine Presse, die die DFB-Granden immer und immer wieder wegen fehlender Positionierung zu Özil beharkt hat, dass der DFB sich (auf die zigste Nachfrage) dann doch tatsächlich zu Özil positioniert.

      Alle, die jetzt meckern, sollten sich mal selbstkritisch fragen, WER hier wirklich den Erdogan-Shoot zu DEM Aufregerthema der WM hochgejazzt hat. Der DFB war es sicher nicht. Der wollte eigentlich lieber, dass es sich bitte bis zum ersten Anpfiff in Wohlgefallen auflöst.

  • Die Berichterstattung der taz über den Umgang des DFB mit den Erdogan-Fotos ist beispielhaft für Kampagnenjournalismus: Egal, was er macht, es ist ein Skandal und erfordert den sofortigen Rücktritt der handelnden Personen.

    Zuerst war die Reaktion des DFB zu schwach: Er hätte dafür sorgen müssen, dass sich Özil äußert, mit Fußball-Deutschland versöhnt und so die Wogen glättet. Schwerer Fehler, Kommunikationsdesaster. Dass der DFB (außer der Rausschmiss-Erpressung) gar keine Mittel hat, einen Spieler zu einer politischen Aktion, bzw. einer persönlichen Erklärung dazu, zu zwingen, und auch kein Mandat, sich selbst allgemeinpolitisch zu positionieren - egal.

    Jetzt hat Bierhoff erklärt, dass man - soweit ethisch vertretbar - versucht habe, auf Özil einzuwirken, dies aber nicht gefruchtet habe, und im Nachheinein betrachtet vielleicht doch die harte Konsequenz die richtige gewesen wäre. Grindel münzt diese Nachbetrachtung in eine Konsequenz um, nämlich dass man so etwas wie die Erdogan-Fotos eben nicht einfach so stehen lasssen kann, wenn man für die Nationalmannschaft von Nutzen sein will. Wieder schwerer Fehler. Auf einmal hat der DFB zu ignorieren, wenn sich ein Spieler in den Augen vieler Fans politisch vergreift und dadurch auch die sportliche Leistung seiner Mannschaft leidet.

    Und dann wird das ganze noch zu einer Hexenjagd gegen ein Migrantenkind aufgebauscht, weil sich der DFB angeblich auf Özils Verhalten kapriziert. Dass es die Öffentlichkeit ist, also insbesondere auch die Presse selbst, die den Dialog nach Kräften auf dieses eine Thema reduziert und keine Äußerung des DFB zu egal welchem Thema ohne ein Nachbohren zu Özil stehen lassen kann - wieder egal: GANZ böser Fehler, Rücktritt erst recht notwendig, feierliche Erhebung zum Gauland-Schergen angezeigt.

    Mir tun die DFB-Leute allmählich leid, so sauer ich auch über das Missverhältnis zwischen DFB-Hybris ("Die Mannschaft"(R)) und gezeigter Leistung bin.

  • Der DFB sollte sich schämen.



    Nicht für die deutsche Mannschaft,



    sondern für seine Funktionäre.