Coronavirus in Großbritannien: Omikron überrennt England
London ruft den Katastrophenfall aus. Die Zahl der Covid-19-Patient:innen in den Krankenhäusern steigt wieder drastisch.
Großbritanniens Unterhaus hatte wegen der Gefahr durch die neue Virusvariante bereits am Dienstag zuvor neue Schutzmaßnahmen verabschiedet. Doch für ihren Vorschlag bekam die Regierung unter Premierminister Boris Johnson Gegenwind auch aus der eigenen konservativen Partei: Sie kam auf 100 Nein-Stimmen aus den eigenen Rängen. Seit Donnerstag rät der medizinische und wissenschaftliche Krisenstab, dass weitere Verschärfungen schon in den nächsten Tagen und noch vor Weihnachten notwendig sein könnten.
Medienberichten zufolge laufen Diskussionen über eine Art Wellenbrecher-Lockdown nach den Weihnachtstagen. Einige Modellierer warnten dem Guardian zufolge, ohne schärfere Maßnahmen drohten bis zum Jahreswechsel bis zu 2 Millionen Neuinfektionen täglich.
Schärfere Maßnahmen werden von vielen Konservativen aus ideologischen Gründen abgelehnt. So auch vom bisherigen britischen Brexit-Ministers David Frost, dessen Rücktritt am Wochenende bekannt wurde. „Das Vereinigte Königreich muss lernen, mit Covid zu leben“, forderte Frost in seinem Rücktrittsbrief an Premier Johnson. Er sei traurig, dass sich die Aufhebung der Covidbeschränkungen nicht wie versprochen als „unumkehrbar“ erwiesen hätten. „Ich hoffe, dass wir bald wieder auf den richtigen Weg kommen.“
Niedrige Impfrate in London
Doch entgegen dieser Auffassung hatte Londons Labour-Bürgermeister Sadiq Khan am Samstagnachmittag wegen der rapiden Ausbreitung von Omikron in der britischen Hauptstadt den Katastrophenfall ausgerufen. Khan verwies darauf, dass die Zahl der Covid-19-Patient:innen in Londons Krankenhäusern wieder massiv steigt. Die Anzahl der Fälle ist in London besonders hoch – die Impfraten sind aber im Vergleich zum Rest des Landes besonders niedrig.
Bereits Anfang Januar hatte die Stadt wegen Covid-19 den Katastrophenfall ausgelöst. Damals stand das Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps. Konkret bedeutet das, dass spezielle Notfallpläne in Kraft treten und sich die beteiligten Einheiten enger abstimmen.
Um die Ausbreitung der Omikronvariante in Deutschland zu verlangsamen, hat die Bundesregierung Großbritannien zum Virusvariantengebiet erklärt und damit die Einreise aus dem Land ab Montag drastisch beschränkt. Dies bedeutet, dass Einreisende 14 Tage in Coronaquarantäne müssen – auch wer geimpft ist oder genesen.
Gesundheitsminister Javid verschärfte den Ton gegenüber den rund 5 Millionen Ungeimpften – etwa 10 Prozent der Bevölkerung. „Sie müssen wirklich über den Schaden nachdenken, den sie der Gesellschaft antun, indem sie Krankenhausbetten belegen, die ansonsten für jemand anderen genutzt werden könnten, vielleicht jemanden mit einem Herzproblem oder einer Operation“, sagte der Minister bei Sky News.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz