Coronaproteste in Berlin: Der rechte Virus
Am Montag demonstrierten wieder Coronaleugner, auch in Berlin. Eine rechtsextreme Gruppierung profitiert von den Protesten.
Ein paar sportlich aussehende Kerle mit Bomberjacke laufen neben älteren Damen mit Teelicht in der Hand. Ein junger Mann macht Fratzen vor einem der zahlreichen Polizeiautos. Maskenpflicht und Abstandsgebote werden trotz Ansagen der Polizei kaum eingehalten. Es gibt weder Schilder noch eine Mikrofonanlage.
Die Abschlussrede muss der Pegida-Vertreter ohne technische Unterstützung in die eisige Nacht brüllen. Das Netzwerk Berlin gegen Nazis schreibt, POE gelinge es „nach jahrelangen gescheiterten Versuchen“ erstmals, mit einer dreistelligen Personenanzahl zu demonstrieren. Die „verschwörungsideologischen Mobilisierungen“ machten es möglich.
Neben dem explizit rechtsextremen Aufmarsch in Mitte haben sich am Montag in zehn weiteren Berliner Bezirken Demonstrierende zu zumeist nicht angemeldeten Versammlungen versammelt. Die antifaschistische Beobachtungsseite Stadtrand Aktion geht von insgesamt 1.200 Teilnehmer:innen aus – und damit von einem erneut höheren Zulauf im Vergleich zu den vergangenen Montagen. Dreistellige Zahlen werden aus Spandau, Pankow und Schöneberg vermeldet.
„Spaziergang“ in Neukölln
Am Rathaus Neukölln sind es etwa 30 vor allem ältere Menschen. Einige haben Windlichter mitgebracht, andere sind mit ihren Kindern gekommen. Als eine erste Polizeistreife auftaucht, setzt sich die Gruppe auf dem Bürgersteig in Bewegung. „Oma, warum wollen die uns das verbieten?“, fragt ein Mädchen im Grundschulalter. Die Oma antwortet: „Die wollen nicht, dass wir gegen die Maßnahmen demonstrieren.“
Auf zwei Wegen, durch die Karl-Marx- und Richardstraße, ziehen die letztlich etwa 50 Menschen zum Richardplatz. Eine Teilnehmerin in gelber Weste erzählt, dass sie bereits seit den ersten Hygienedemos am Rosa-Luxemburg-Platz im März 2020 auf die Straße geht. Sie sieht die „Meinungsfreiheit eingeschränkt“, nennt die Impfstoffe „experimentelle Medikamente“ und wirft Regierung und Medien „Angstmache“ vor. Geimpft ist sie nicht. Der Tod eines Freundes durch Corona hat an ihrer Haltung nichts geändert, schließlich sei der „sogar geboostert“ gewesen.
Rechtsextreme seien höchstens vereinzelt auf den Demos, sagt sie, die Medien würden das „aufbauschen“, außerdem sei die „AfD eine legale Partei“. Das Problem sei dagegen „die Antifa“, die sei „aggressiv und gewalttätig“. Auch für Ausschreitungen bei Coronademos sei diese verantwortlich. Ohne Antifa, begleitet von schlussendlich vier Polizeiwannen, bleibt der Umzug ohne besondere Vorkommnisse. Die Polizei lässt die Menschen gewähren.
Viel los in Brandenburg
In Brandenburg versammelten sich Impfgegner:innen und Coronaleugner:innen am Montag in mehr als 60 Orten. Bei der größten Demo in Cottbus, organisiert von der rechtsextremen Struktur „Zukunft Heimat“, beteiligten sich etwa 3.000 Menschen. 300 kamen in Potsdam zusammen; ebenso viele beteiligten sich aber an Gegenprotesten vom Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“
In Berlin mobilisieren Verschwörungsgläubige von der Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand, der Partei Die Basis und der Freedom Parade derweil für eine Demonstration an Silvester. Der Ort der Versammlung unter dem Motto „Wir sind viele“ soll erst am 31. Dezember um 12 Uhr bekannt gegeben werden, zwei Stunden vor dem Start. Damit soll ein Verbot oder ein großes polizeiliches Aufgebot umgangen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül