Coronakrise in Krankenhäusern: Infizierte pflegen Infizierte

Immer mehr Ärzt*innen und Pflegekräfte stecken sich mit dem Coronavirus an. Doch die Personalnot ist so groß, dass einige trotzdem weiterarbeiten.

Mitglieder des medizinischen Personals in Schutzanzügen behandeln einen Corona- Patienten vor einem Computertomographen auf der Intensivstation des Gemeindekrankenhauses Havelhoehe in Berlin

Am Limit: Das Pflegepersonal in vielen Kliniken stößt an seine Belastungsgrenze Foto: Fabrizio Bensch/reuters

BERLIN taz | Die Zahl der Coronapatient*in­nen auf Intensivstationen steigt, gleichzeitig infiziert sich immer mehr Krankenhauspersonal mit dem Virus oder muss in Quarantäne. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben sich seit Pandemiebeginn mehr als 34.760 Angestellte angesteckt, die in Kliniken oder Praxen arbeiten. Allein in der letzten Woche sind 3.500 Infizierte hinzugekommen. Mancherorts ist die Lage so prekär, dass Kontaktpersonen und sogar infizierte Pflegekräfte und Ärzt*innen weiterarbeiten. Das zeigt eine Recherche der taz.

So gut wie jedes der über 60 Krankenhäuser, die die taz kontaktiert hat, klagt über extremen Personalmangel: Die Main-Kinzig-Kliniken in Hessen etwa sprechen von einer „Notlage, wie wir sie bisher noch nicht zu bewältigen hatten“, das Klinikum Ludwigshafen behandelt wegen Engpässen ausschließlich Covid-19-Patient*innen und Notfälle, in der Uniklinik Bochum ist die Versorgung der Intensivpatienten nur noch unter „schwierigen Bedingungen“ sichergestellt.

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Im Klinikum Niederlausitz in Senftenberg (Brandenburg) ist die Personalnot so groß, dass derzeit zwei positiv getestete Mit­arbeiter*innen im Einsatz sind. Sie versorgten ausschließlich Covid-19-Patient*innen, seien symptomfrei und hätten sich freiwillig dazu bereit erklärt, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage. „Wir sind den Schritt gegangen, um die Versorgung aufrechtzuerhalten“, sagt sie.

Wie gravierend der Personalmangel in dem Krankenhaus ist, verdeutlicht ein Aufruf auf dessen Internetseite: „Wer helfen will, im Idealfall medizinische Vorerfahrung hat, gesundheitlich dazu in der Lage ist und sich unter allen zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen und unter Anleitung von qualifiziertem Fachpersonal einen Einsatz in unserem Krankenhaus vorstellen kann, den bitten wir, sich (…) bei uns zu melden.“

Kontaktpersonen arbeiten in vielen Kliniken weiter

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

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Auch im Klinikum Altenburger Land in Thüringen arbeiten momentan infizierte Ärzt*in­nen und Pfleger*innen auf Covid-19-Stationen, wie eine Sprecherin mitteilt. Zusätzlich seien zehn Soldat*innen der Bundeswehr im Einsatz, um die immer größer werdenden Personal­lücken zu füllen.

In Berliner Vivantes-Kliniken wurde erwogen, positiv getestetes Personal auf Covid-19-Stationen weiterarbeiten zu lassen, sofern es sich gesund fühlt. Andere Krankenhäuser schließen nicht aus, bei zunehmender Personalnot symptomfreie Mitarbeiter*innen mit Covid-19-Infektion einzusetzen, darunter die Uniklinik Essen, das Helios Klinikum Berlin-Buch sowie die Oberlausitz-Kliniken in Bautzen und Bischofswerda.

15 Krankenhäuser sagten der taz, Kontaktpersonen der Kategorie 1a oder 1b zu beschäftigen. Zur Kategorie 1a zählt dem RKI zufolge Personal, das „ohne adäquate Schutzkleidung“ Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten von Infizierten hatte oder einer hohen Konzentration von infektiösem Aerosol ausgesetzt war. Wer weniger engen Kontakt zu einer infizierten Person hatte, fällt unter Kategorie 1b.

Wegen der gravierenden Personalnot in Krankenhäusern hat das RKI Ausnahmeregeln für Ärzt*innen und Pflegekräfte aufgestellt. Demnach ist es Kontaktpersonen mit Covid-19-Verdacht sowie infizierten Mitarbeiter*innen erlaubt, weiterhin zu arbeiten – allerdings nur bei „relevantem Personalmangel“ und „in absoluten Ausnahmefällen“. Zuvor sollten Krankenhäuser aber alle „andere[n] Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Personalbesetzung“ ergreifen, zum Beispiel verschiebbare Behandlungen absagen oder Pa­tient*innen verlegen. Wie viele Ärzte und Pflegekräfte bundesweit trotz Erkrankung oder Kontakt zu einer infizierten Person weiterarbeiten, wird nirgends erfasst.

Verbände äußern scharfe Kritik

Der Ärzteverband Marburger Bund findet es „empörend“, positiv getestetes Personal einzusetzen. Das sei „indiskutabel und widerspricht der Quarantäneverordnung“, sagt ein Sprecher der taz. Der gleichen Meinung ist Klaus Reinhardt, Geschäftsführer der Bundesärztekammer: „Infizierte Ärzte gehören in Quarantäne und nicht ans Krankenbett.“

Scharfe Kritik äußert auch Ludger Risse vom Bundesverband Pflegemanagement. Mit dem Einsatz von erkrankten Pfleger*innen gefährde man nicht nur Kolleg*innen, sondern auch Patient*innen: „Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, ein kleiner Fehler beim Anziehen der Schutzkleidung reicht schon, um das Virus weiterzutragen.“

Was in Krankenhäusern bisher noch eher Ausnahme ist, ist in Senioren- und Pflegeheimen schon seit Monaten Realität: In Bremen zum Beispiel sind derzeit 23 positiv getestete Pfleger*innen in vier Einrichtungen im Einsatz. Sie betreuten ausschließlich positiv getestete Bewohner*innen und hätten eine separate Umkleide, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Bremer Gesundheitssenatorin. Während des Dienstes und auf dem Arbeitsweg trügen die Pfleger*innen FFP2-Masken, öffentliche Verkehrsmittel dürften sie nicht benutzen.

Bereits im Oktober kam es in einer Bremer Einrichtung, in der Menschen mit geistigen Behinderungen leben, zu einem großen Corona-Ausbruch. Sieben infizierte Pfleger*innen mussten wegen Personalengpässen weiterarbeiten. Ebenfalls im Oktober versorgten in einem Pflegeheim in Mellrichstadt (Bayern) zwei positiv getestete Pfleger*innen an Corona erkrankte Bewohner*innen.

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