Coronakrise im sächsischen Zittau: Eine Stadt verstummt
Im Südosten Sachsens eskaliert die Coronalage. Zittaus Krematorium ist überlastet. Behörden machen Überstunden, um Totenscheine auszustellen.
Mit 115 bis zum Dienstag erfassten Toten ist die monatliche Sterblichkeit gegenüber den Vorjahren bereits auf das Zweieinhalbfache gestiegen. Dabei werden allerdings auch im Klinikum behandelte Nichtzittauer erfasst.
Die amtsärztliche Leichenschau und die Ausstellung von Totenscheinen können kaum noch folgen. Wegen des „dringenden Bedarfs“ wird das Standesamt auch Heiligabend und am zweiten Weihnachtstag öffnen – „und ausschließlich Sterbefälle beurkunden“.
Am Limit fühlt sich auch die Innung der Bestatter in Sachsen insgesamt. „Das größte Problem sind nun die Feiertage, davor haben alle Angst“, sagte Innungsobermeister Tobias Wenzel im erzgebirgischen Marienberg der dpa. Seiner Meinung nach hätten die Pflegeheime besser geschützt werden müssen, aus denen die meisten Verstorbenen kommen.
Warum ausgerechnet Zittau?
Die extreme Lage in Zittau war lange nicht abzusehen. Die 29.000-Einwohner-Stadt zählte keineswegs zu den sächsischen Hotspots. Im Dezember aber stieg die Infektionskurve steil an. Der 7-Tage-Inzidenzwert überschritt inzwischen die Marke von 800.
Mitte des Monats sorgte eine Aussage des Ärztlichen Direktors des Oberlausitzer-Bergland-Klinikums Mathias Mengel für Aufregung. Man habe schon die sogenannte Triage anwenden müssen, also eine Auswahl zwischen mehreren Hilfsbedürftigen aufgrund knapper Ressourcen. „Wir waren in den vergangenen Tagen schon mehrere Male in der Situation, dass wir entscheiden mussten, wer Sauerstoff bekommt und wer nicht“, sagte der Direktor später dem Nachrichtenportal T-Online.
Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping schwächte diese Äußerung als „Warnruf“ ab, mit dem Mengel auf die drohende Überlastung aufmerksam machen wollte. Oberbürgermeister Thomas Zenker rief um diese Zeit aber bereits um Hilfe des Landes und anderer Klinikstandorte bei der Patientenversorgung. „Es ist klar erkennbar, dass wir in dieser Lage aus eigener Kraft nicht weiterkommen!“ Zenker ging auch mit Coronaleugnern hart ins Gericht, darunter auch einige Stadt- und Kreisräte. Es sei „unsäglich“ gewesen, was er sich bei der Versammlung eines Pegida-Ablegers habe anhören müssen.
Auch Pfarrer Ansgar Schmidt entrüstet sich darüber, dass Verschwörungstheoretiker seine Johanniskirche „als Kulisse benutzt haben“. Er beobachtet Verunsicherung und Angst in der Stadt.
Angst und Vorsicht
Menschen machten die Erfahrung, „dass Tod und Krankheit näher gerückt sind“. Nach einem Brief an alle Haushalte von Gemeindemitgliedern werde insbesondere die angebotene telefonische Beratung viel genutzt. Menschen schütteten ihr Herz aus. Von einer Panik könne man aber nicht sprechen, Menschen seien nur vorsichtiger geworden.
Vom „Verstummen in einer grauen Stadt“ spricht auch Schauspielintendantin Dorotty Szalma vom Gerhart-Hauptmann-Theater. „Niemand ist mehr laut, auch die Verschwörungstheoretiker nicht mehr.“ Noch überdeckten die Weihnachtsvorbereitungen die resignierte Stimmung, aber Angst habe sie vor der Zeit nach dem Fest und seinem Familientrubel. Den ihr gut bekannten Oberbürgermeister Thomas Zenker hat Szalma als „verzweifelt“ erlebt, ebenso den Landrat des Kreises Görlitz Bernd Lange. Als mögliche Ursache für den katastrophalen Anstieg der Infektionszahlen kann sie nur den hohen Altersdurchschnitt der Einwohnerschaft vermuten.
Pfarrer Ansgar Schmidt hat bislang noch sechs Gottesdienste am Weihnachtsfest geplant, jeweils auf 120 schriftlich angemeldete Besucher limitiert. Doch auch die zögen ihre Anmeldung zurück. Angst und Vorsicht nehmen zu.
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